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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0265
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Künstler-Biographien. 33
den späteren Darstellungen dieser Art im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert wie in der mo-
dernsten französischen Kunst verletzt. Mag wonnige Erregung oder träumerische Ruhe im Schooße
paradiesischer Natur über die Gestalten ausgegossen sein, es ist eine glückliche, unbefangene Lust des
Daseins, die sie erfüllt, aber in der sinnlich frohen Hingabe an dieselbe bleiben sie naiv, sie bleiben
unschuldig im Genuß. Sie sind in jene goldene Zeit, von welcher die Dichter singen, versetzt, in die
Welt, in der „erlaubt ist, was gefällt", und in welcher das Leben keinen andern Inhalt hat als diesen:
„Eine Zeit ist zu spielen, die zweite zu lieben, die dritte
Auszuruhen. — Ein Thor, welcher die Zeiten nicht nützt."
Ja vielleicht ist die höchste Bedingung der vollkommenen Schönheit, die volle Uebereinstimmung
von Inhalt und Form, bei den religiösen Gemälden kaum je in dem Maße wie hier erreicht. Die
Liebesgötter, die wir hier finden, sind Correggio's Engeln auf ein Haar gleich, die Madonnen und
Magdalenen sind die Schwestern der Nymphen und der schönen Weiber, die der Göttervater liebt.
Aber schmachtende Blicke, zärtliches Lächeln, holde Tändelei und berauschte Seligkeit, die an den
Altären und den Wölbungen der Kirchen oft befremden, sind hier am Platze. Und was er durch
Farbenzauber und Helldunkel vermag, zeigt sich hier, wo die Schilderung des Nackten vorwiegt, am
sichtlichsten. Die Fleischtöne, zart und leuchtend zugleich, scheinen duftiger, wie sie durch die Luft
Hindurchschimmern, sie halten das Licht fest und strahlen es in den feinsten Nuancen wieder, und die
Oberfläche des Körpers, mit seinen Halbschatten und Reflexen, gewinnt bei Correggio einen Reiz,
wie er in der Malerei nicht zum zweiten Male vorkommt. Und gerade diese Art der Behandlung
hebt auch die Darstellung der natürlichen Schönheit in ein ideales Gebiet empor.
Mitten unter diesen Schöpfungen setzte ein früher Tod dem Künstler am 5. März 1534 sein
Ziel. Er wurde in der Kirche der Franciscaner zu Correggio, für die er sein erstes größeres Altar-
bild gemalt, bestattet. Sein Vater überlebte ihn, sein Sohn Pomponio, damals ein zwölfjähriger
Knabe, wurde Maler, ohne es zu einer Bedeutung zu bringen.
Vasari, dessen Erzählungen über Correggio's äußere Lage und Persönlichkeit durch die urkund-
lichen Ermittelungen vielfach widerlegt sind, geht wohl zu weit, wenn er von ihm sagt: „Er war
gar schüchtern Gemüthes, mit Beschwerde und fortgesetzter Bemühung übte er seinen Beruf und war
beim Schaffen schwermüthig." Aber so überraschend dies für den Maler der hinreißenden Bewegt-
heit, der jugendlichen Heiterkeit und Lust am Dasein klingt, für den Künstler, dessen Name Allegri
schon von Freude spricht, so hat doch Manches von diesen Zügen Bestätigung gefunden. Wir wissen,
daß er Zeit seines Lebens in seinem engen und bescheidenen Kreise ausharrte, daß seine Werke,
die so mühelos scheinen, um so mehr die Hingebendste Arbeit voraussetzen. Endlich Haben wir auch
gesehen, wie ein paar Jahre vor seinem Tode, bei dem Verlassen Parma's, ein trüber Schatten der
Enttäuschung in sein Dasein siel. Lust und Schmerz wohnen oft nahe beisammen, wie gerade
Correggio's Werke beweisen. Beide, wie er sie schildert, gehen aus demselben gesteigerten Em-
>pfindungsleben Hervor. Und daß er gerade in den letzten Jahren zu den Bildern ungetrübter Wonne
und jugendlicher Daseinsfreude zurückkehrte, ist das herrlichste Zeugniß für die Macht des Genius.
!Ihm ist die Fähigkeit gegeben, nicht nur das, was er besitzt, sondern auch das, was in der Wirk-
lichkeit fehlt, durch die Phantasie hervorzubringen. ^. V^.

Deutschlands Kunstschätze. II.

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