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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0299
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-Giorgio Vasari. 59
er gesagt, „wird nur Unwissende machen." Jetzt antwortete er dem Geschwätzigen nur: „Man sieht
es." Das hätte aber Vasari selber gewiß nicht Wort haben wollen; denn — ungemein lehrreich
!auch für unsere Zeit — wie alle Manieristen und Virtuosen hatte er ein wunderbar naives Selbst->
gefühl: „Wir malen", schreibt er, „sechs Bilder in einem Jahre, während die früheren Maler zu !
einem einzigen Bilde sechs Jahre bedurften; und doch", fügt er hinzu, „werden die Gemälde weit
vollkommener ausgesührt, als früher von den bedeutendsten Meistern geschah."
Es ist nicht mehr nöthig, als noch einige seiner Hauptwerke auf dem Gebiete der Malerei
kurz anzuführen. In der Sala regia des Vatican malte er einige der Fresken zur Verherrlichung
der päbstlichen Macht, u. A. die Epcommunication Kaiser Friedrich's IL, den der Pabst mit Füßen
tritt, und die Schlacht bei Lepanto gegen die Türken (1571), bei der er — nach seinen eigenen
Briefen — seine Hände brauchte, als wäre er selbst im Handgemenge mit den Türken. In der
Bibliothek zu Arezzo befindet sich das Fest des Ahasverus und der Esther, wohl sein bestes Oel-
gemälde ^1548 gemalt), dessen Vorzüge er selbst in die Majestät und Größe, die Manieren der
Diener, Soldaten und Musiker, den Zwerg, die stehenden Höflinge und den stolzen und verliebten
König setzt. — Sta. Croce zu Florenz, die ihm eine ziemlich schonungs- und geschmacklose Restaura-
tion verdankt, besitzt eine Kreuztragung, eine Kreuzabnahme und namentlich ein Abendmahl von
seiner Hand. Die ebenfalls von ihm verunglimpfte Kirche Sta. Maria Novella daselbst enthält
eine Auferstehung. Den großen Saal des Palezzo vecchio versah er mit zahllosen decorativen
Gemälden in ganz geistloser Weise.
Man verzeiht ihm gern diese und ähnliche Malereien um seines Hauptverdienstes willen, der
überaus wichtigen Künstlerbiographien (vito äe' piü eeosUenti pittori, 8eultori eä urellitstti,
erste Ausgabe vom Jahre 1550, die zweite wesentlich vermehrte vom Jahre 1568; vielfach über-!
setzt und commentirt; beste Ausgabe jetzt die von Lemonnier, zu Florenz seit 1846 in dreizehn!
Bänden erschienen.) Vasari, als einer der ersten Künstler seiner Zeit, dem sein Ruhm sogar das
Amt eines Gonfaloniere von Arezzo eintrug, trat den hervorragendsten gleichzeitigen Meistern per-
sönlich nahe; über die älteren waren ihm noch seitdem verstechte Quellen zugänglich, aus denen er die!
schätzbarsten Nachrichten über ihr Leben und ihre Werke schöpfte. So ist sein Buch als älteste und
reichste Quelle für die Geschichte der italiänischen Renaissance unentbehrlich. Zwar beruhen seine
Nachrichten oft auf unglaubwürdigen Gerüchten, seine Urtheile ermangeln der Schärfe und — bei
einem mitten im Kampf der Richtungen stehenden Künstler durchaus verzeihlich, ja unvermeidlich —
nicht selten der Unparteilichkeit, er verfällt dem Fehler dilettantischer Compilatoren — denn unter
eine andere Rubrik kann er vom Standpunkte der exact forschenden Wissenschast mit seiner
Schriftstellerei nicht gebracht werden —, sich gelegentlich auffallend zu widersprechen und nock-
häufiger unvollständig zu sein. Aber das Alles beeinträchtigt nicht das Verdienst, daß er eine
Grundlage, einen Ausgangspunkt für die geschichtliche Forschung geschaffen hat, und in der Dar-
stellung ist er Meister: ein liebenswürdigerer Erzähler, ein begeisterterer Schilderer, ein glänzenderer
Stilist Hat selten — aus den Reihen der ausübenden Künstler selber vielleicht nie wieder —
die Feder über diese Dinge geführt; und damit allein wäre er des ewigen Dankes einer des Sinnes
für alles Große, Herrliche und Schöne noch nicht ganz baren Nachwelt unbedingt sicher: sein Name
ist typisch für diese Art von geschichtlicher Darstellung geworden. L. N.

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