Nicolaz Vovssm. 77
Illustrationen zu seinem eben vollendeten Hauptwerke „Adonis" zeichnen. Seinen väterlichen
Freund aber bei dessen Heimgange nach Italien, wie dieser es wünschte, zu begleiten konnte sich
Poussin nicht entschließen, da ihn noch einige Aufträge an Paris fesselten.
Erst im Frühling 1624 holte Poussin den Marini zu Rom ein. Dieser ließ ihn an den
Cardinal Barberini, Neffen des Pabstes Urban VIII., empfehlen. Aber bald stand er wieder
freund- und hülflos da: Marini starb (am 25. März 1625) auf seinem Landgute bei Neapel, und
der Cardinal trat seine Gesandtschaften in Frankreich und in Spanien an. Um sich zu erhalten,
mußte er seine Gemälde verschleudern. Da schloß er sich an den slamännischen Bildhauer
Francois Duquesnoy, wegen seiner Herkunft von den Jtaliänern „il Fiammingo" genannt,
und an den italiänischen Manieristen Alessandro Algardi an. Während jedoch diese Bildhauer
nur zu sehr den plastischen und malerischen Stil vermischten, strebte er danach, seine Composition
durch die strengeren Normen der Plastik, namentlich des Reliefs läutern zu lassen, und wandte sich
über die Bildnerei der Gegenwart hinweg an die römischen Antiken als seine Vorbilder.
Von früher Jugend bis in fein späteres Alter studirte er die Gesetze der Optik und der
Perspective, wie ja schon Goethe auf den interessanten Umstand aufmerksam gemacht hat, daß
er auf seinem Selbstportrait das 1646 erschienene Werk des Pater Athanasius Kircher „^rs
mug-ua Incis et umdrae" (Wissenschaft des Lichtes und Schattens) im Arm Hält. Vermuthlich
stand er dem Verfasser persönlich nahe. — Gleiche Sorgfalt verwendete er auf die Anatomie. —
Von den antiken Kunstwerken wurde er auf die antiken Schriftquellen geführt, und er suchte in den
Werken der Großmeister des Alterthums nach Gegenständen, die besonders geeignet waren, Charakter-
größe und starke Affecte zur Anschauung zu bringen; denn die Macht des Ausdruckes erschien ihm
als das erstrebenswertheste Ziel.
Leider beeinträchtigte die Nüchternheit seiner Kritik und das Vorwiegen der Reflexion empfind-
lich die Freiheit der Phantasie uno die Unmittelbarkeit der Erfindung. Schon seine Art zu com-
pouiren ist charakteristisch und erscheint wie ein Vorläufer des berüchtigten Componirkastens der
Modernen. Nachdem er sich den Stoff nach der Ueberlieferung zurechtgelegt, entwarf er eine Skizze;
idarauf modellirte er sämmtliche Figuren in kleinem Maßstabe rund, und danach sing er an zu
zeichnen und zu malen. Dabei verleitete ihn dann die antiquarische Gelehrsamkeit zu unkünst-
lerischen Versuchen, wie er beispielsweise das Abendmahl streng nach Art eines antiken Tricliniums
darsteüte — Christus mit seinen Jüngern zur Mahlzeit gelagert — ohne zu bedenken, daß hier
die conventionelle Erscheinungsweise der bedeutsamen Handlung in einer Weise gerecht wird, die
>durch die nüchterne historische Richtigkeit des Costüms nimmermehr ersetzt werden kann.
Als die Unterhandlungen des Cardinals Barberini in Paris keinen Erfolg hatten, wurde
jer zum Märtyrer für fein Vaterland, indem während ter gereizten Stimmung der Römer
gegen die in Rom lebenden Franzosen einige Soldaten ihn in der Nähe des Monte Cavallo über-
>sielen und ihn an der Hand verwundeten. Er legte, um ähnliche Begegnisse zu vermeiden, darauf
römische Tracht an, die er auch in der Folge beibehielt. Kaum geheilt verfiel er in eine Krank-
heit, in der sich ein Landsmann Jacques Dughet seiner mit großen Sorgen annahm. Aus
Dankbarkeit heiratete er 1629 dessen Tochter Anna Maria; und als diese Ehe kinderlos blieb,
!adoptirte er die beiden Brüder seiner Frau: Gaspar Dughet, den bekannten trefflichen Laud-
Deutschlauds Kunstschätzs. II.
20
Illustrationen zu seinem eben vollendeten Hauptwerke „Adonis" zeichnen. Seinen väterlichen
Freund aber bei dessen Heimgange nach Italien, wie dieser es wünschte, zu begleiten konnte sich
Poussin nicht entschließen, da ihn noch einige Aufträge an Paris fesselten.
Erst im Frühling 1624 holte Poussin den Marini zu Rom ein. Dieser ließ ihn an den
Cardinal Barberini, Neffen des Pabstes Urban VIII., empfehlen. Aber bald stand er wieder
freund- und hülflos da: Marini starb (am 25. März 1625) auf seinem Landgute bei Neapel, und
der Cardinal trat seine Gesandtschaften in Frankreich und in Spanien an. Um sich zu erhalten,
mußte er seine Gemälde verschleudern. Da schloß er sich an den slamännischen Bildhauer
Francois Duquesnoy, wegen seiner Herkunft von den Jtaliänern „il Fiammingo" genannt,
und an den italiänischen Manieristen Alessandro Algardi an. Während jedoch diese Bildhauer
nur zu sehr den plastischen und malerischen Stil vermischten, strebte er danach, seine Composition
durch die strengeren Normen der Plastik, namentlich des Reliefs läutern zu lassen, und wandte sich
über die Bildnerei der Gegenwart hinweg an die römischen Antiken als seine Vorbilder.
Von früher Jugend bis in fein späteres Alter studirte er die Gesetze der Optik und der
Perspective, wie ja schon Goethe auf den interessanten Umstand aufmerksam gemacht hat, daß
er auf seinem Selbstportrait das 1646 erschienene Werk des Pater Athanasius Kircher „^rs
mug-ua Incis et umdrae" (Wissenschaft des Lichtes und Schattens) im Arm Hält. Vermuthlich
stand er dem Verfasser persönlich nahe. — Gleiche Sorgfalt verwendete er auf die Anatomie. —
Von den antiken Kunstwerken wurde er auf die antiken Schriftquellen geführt, und er suchte in den
Werken der Großmeister des Alterthums nach Gegenständen, die besonders geeignet waren, Charakter-
größe und starke Affecte zur Anschauung zu bringen; denn die Macht des Ausdruckes erschien ihm
als das erstrebenswertheste Ziel.
Leider beeinträchtigte die Nüchternheit seiner Kritik und das Vorwiegen der Reflexion empfind-
lich die Freiheit der Phantasie uno die Unmittelbarkeit der Erfindung. Schon seine Art zu com-
pouiren ist charakteristisch und erscheint wie ein Vorläufer des berüchtigten Componirkastens der
Modernen. Nachdem er sich den Stoff nach der Ueberlieferung zurechtgelegt, entwarf er eine Skizze;
idarauf modellirte er sämmtliche Figuren in kleinem Maßstabe rund, und danach sing er an zu
zeichnen und zu malen. Dabei verleitete ihn dann die antiquarische Gelehrsamkeit zu unkünst-
lerischen Versuchen, wie er beispielsweise das Abendmahl streng nach Art eines antiken Tricliniums
darsteüte — Christus mit seinen Jüngern zur Mahlzeit gelagert — ohne zu bedenken, daß hier
die conventionelle Erscheinungsweise der bedeutsamen Handlung in einer Weise gerecht wird, die
>durch die nüchterne historische Richtigkeit des Costüms nimmermehr ersetzt werden kann.
Als die Unterhandlungen des Cardinals Barberini in Paris keinen Erfolg hatten, wurde
jer zum Märtyrer für fein Vaterland, indem während ter gereizten Stimmung der Römer
gegen die in Rom lebenden Franzosen einige Soldaten ihn in der Nähe des Monte Cavallo über-
>sielen und ihn an der Hand verwundeten. Er legte, um ähnliche Begegnisse zu vermeiden, darauf
römische Tracht an, die er auch in der Folge beibehielt. Kaum geheilt verfiel er in eine Krank-
heit, in der sich ein Landsmann Jacques Dughet seiner mit großen Sorgen annahm. Aus
Dankbarkeit heiratete er 1629 dessen Tochter Anna Maria; und als diese Ehe kinderlos blieb,
!adoptirte er die beiden Brüder seiner Frau: Gaspar Dughet, den bekannten trefflichen Laud-
Deutschlauds Kunstschätzs. II.
20