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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0155
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Dkatschlunds Knnlifchahk. 99 '
ich Eure Bilder, welche durchaus nichts Reizendes für mich besitzen, wieder von der Mauer ent-
fernen lassen. Nochmals, ich befehle es, daß Ihr Eure Gerätschaften sofort zusammenuehmt und
:Euch entfernt, um nie wiederzukehren ... Große, heilige Giustiua, wie fühle ich mich unwohl!
Bringt mich in mein Zimmer und laßt den Doctor Arlia rufen ... O, da ist mein guter Godefroy!
Schaffet den Maler aus dem Hause, der schlimmer ist als ein Bravo ..."
Damit ließ sich der Herzog emporheben und fortschleifen, immerfort ächzend und nach dem
Doctor Arlia rufend.
Ein feiner schlanker Mann in dunkler Tracht war in den Saal gekommen. Auch ohne den
Schnitt seiner Kleider würde er schwerlich als Franzose verkannt worden sein. Er war wie zu
einem Festtage costümirt, mit Chapeaubas und in Escarpins, den Degen an der Seite. Der
Mann war über die erste Jugend hinaus; aber sein Gesicht war noch immer höchst einnehmend,
sein Blick geistvoll und listig und seine Bewegungen erschienen zugleich graziös und entschieden.
Dies war eine in Rom nicht neue, sondern in sehr weiten Kreisen bekannte und gefürchtete
Persönlichkeit, Monsieur Godefroy, der Günstling des Herzogs Ranuzio, einst Tanzmeister, dann
ziemlich unwissender Lehrer seiner französischen Muttersprache, dann Vorleser des Herzogs und
Vertrauter in seinen Liebesangelegenheiten, die der alte Herr — um sich über sein hohes Alter in
einer angenehmen Täuschung zu erhalten — noch immer nicht aus den Augen lassen mochte.
Gegenwärtig war Monsieur Godefroy zum Range eines Marchese erhoben, um ihn als Minister
der Herzogthümer in erforderlichem Glanze erscheinen zu lassen.*
Godefroy tanzte einige Chaffees quer vor dem Herzoge vorbei und gab mehrere, ohne Zweifel
sehr wichtige Anordnungen, bezüglich des Transports des herzoglichen Walfisches die Treppen
hinan. Dann wandte sich Godefroy zum Marmorsaale zurück, wo Annibale Carracci noch immer
in einer Art von Betäubung stand und die Galeriethür betrachtete.
„Monsieur", sagte der Minister sehr höflich, „Sie haben den Befehl Seiner Hoheit vernommen
— ich glaube damit meines mir fehr peinlichen und überraschenden Auftrages mich bereits ent-
ledigt zu Haben."
„Aber, das ist ja ganz unmöglich . . .", sagte Carracci sür sich, ohne auf Godefroy's Ansprache
zu achten.
„Was ist unmöglich, bitte, Monsieur?"
„Die Gemälde wieder abhauen und mich wie einen Lastträger ablohnen ?" fuhr Carracci fort.
„Aber wer in aller Welt verlangt denn das?"
„Der Herzog, wer sonst?"
„O, das ist ein flüchtiger Einfall, mein Herr — wage ich vorauszusetzen .. ."
„Ein Einfall, an welchem ein ehrlicher Mann, gleich mir, sehr wohl sterben könnte, Herr
Marchese! Was soll ich machen? Im Augenblick meine Arbeiten ruiniren, per Lueeo!"
Er legte die Hand an den Griff seines langen Degens und blickte den Minister mit flammen-
den Augen an
„OH, beruhigen Sie sich! Pausiren Sie einige Tage mit der Arbeit. Dieser Mai ist außer-
dem so entsetzlich heiß! Das rangirt sich schon wieder .."
„Was werden die mir feindlichen Maler Roms sagen?"z
 
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