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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0197
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Deutschlands Kunkschätze« 129
nende Kerze auf der untersten, reich geschnitzten Treppenpsoste stand. Er warf einen Blick auf die
Straße und war erstaunt, daß die übrigen Reiter weiter geritten waren.
„Es geht uns wie den Bacchanten mit ihren Rabschnäbeln, den schnarrenden Studenten",'
sagte Herr von Dietrichstein lachend, „wir grüßen die Eulen der Minerva. Unsere Reisegefährten
werden den Herrn Bürgermeister Jacobus Muffel, oder den alten Baumgärtner oder sonst einen
Freund österreichischer fahrender Ritter aufsuchen! Macht nur die Thür zu — die Recken draußen
kommen nicht um"
Herr Wilibald führte die Gäste in die Prunkzimmer des ersten Geschosses. Der Hausherr'
zündete die Kerzen eines Armleuchters an und man konnte die kostbaren Hausgeräthe und die
herrlichen Gemälde an den mit Ledertapeten versehenen Wänden bewundern. Hier waren Meister-
stücke der altitalienischen Meister neben wundervollen Bildnissen aufgehangen, die ein kundiges
Auge als vom Meister Albrecht Dürer stammend erkennen konnte.
Am Ehrenplatz des Gemaches hing ein lebensgroßes Brustbild eines ernsten, bartlosen
Mannes mit Barret und langem Haar. Merkwürdig frisch und stolz glänzten die blauen Augen
— es war das Bildniß des Kaisers Maximilian 1. Eben vor diesem Gemälde stand der Herr
von Ambras, die Hände auf seinen Schwertknauf gelegt, ernst und nachdenklich.
Pyrkheimer erblickte erst jetzt das scharf beleuchtete Profil, prallte zurück, streckte aber daun
in großer Bewegung die Arme aus und beugte ein Knie.
„Mein lieber, freundlicher Pyrkheimer", sagte der Fremde, auf das Bildniß deutend, „das da
waren freilich andere Zeiten! Wir haben seit jenem Tage, an welchem uns Meister Albrecht
malte, viele Centner über den Berg tragen müssen und sind weder jünger noch stärker, noch schöner
dadurch geworden.">
„Mein allergnädigster Kaiser und Herr Maximilian!" rief Pyrkheimer, ein Knie beugend! Nie
werde ich mir's vergeben, daß ich Euch Äug' in Auge gegenüberstand und Euch nicht erkannte .. >
„Das hat sich der Kaiser selbst zuzumessen", antwortete der Graf, dessen blasses, vergrämtes
Gesicht jetzt hell vom Lichte getroffen wurde. „Vom alten Gemssteiger ist gar wenig übrig geblieben
und dazu hab' ich, weil ich zu meinem Pyrkheimer geritten bin, den Kaiser halt doch nie gelassen.
Der Kaiser ist alleweil eine traurige Figur geworden: das Gewand ist ihm zu weit, das Haar
ergraut und die Augen schauen halt nimmer so scharf, wie weiland auf der Martinswand."
Pyrkheimer schien seine Kniebeugung wiederholen zu wollen — Kaiser Maximilian aber hob
ihn empor und umarmte ihn brüderlich. Der Hauswirth und Graf Dietrichstein nahmen ihm
Barret, Mantel und Schwert ab und Maximilian setzte sich, mit einer seidenen schwarzen Mütze
den grauen Kopf bedeckend, in den thronähnlichen Sessel neben dem überaus reich verzierten Kamin
nieder..!
Im Hause war indeß das erwachende Leben zu spüren. Eine Magd steckte den, von unor-
dentlichem Haar umgeben, verschlafenen Kopf in's Zimmer, offenbar um sich nach Verhaltungsbe-
fehlen zu erkundigen, dann aber trat die Beschließerin, ein wunderreizendes junges Mädchen, in's
Gemach. Sie Hatte, um den in der Eile angelegten Anzug zu verdecken, einen langen Mantel von
himmelblauer Seide umgethan; ihr liebliches Köpfchen krönte eine kleine Haube von Silbertressen,
unter der die Fülle ihrer blonden Locken üppig hervorquoll. Es war dies die junge Nichte
Pyrkheimer's, Maxentia Prarrner, ein Mädchen, so reich wie kaum ein anderes im reichen Nüru-

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