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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0203
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Deutschlands Kunstschähe. 135
Pyrkheimer's Hause vorbei. Als er jetzt nahe dem Fenster kam, konnte er einen Blick in das Stüb-
chen Maxentia's Wersen.
Es war außer ihr Niemand zugegen. Die Kerze stand auf dem Tische und strahlte hell den
Kopf des schönen Mädchens an. Das ganze Bild Hatte etwas Traumartiges. Der Mann am
Fenster, dessen Gesicht man deutlich erkannte, hatte langes Haar, dunkelglühende Augen und einen
schwarzen Schnurrbart, wie ein Kriegsmann. Das weite Barret hatte die schönen Farben des
Nürnberger Stadtbanners
Es war Hans Bernhard Schäuffelein, der Maler, ein Liebling Dürer's, welcher die schöne
Maxentia belauschte und jetzt leise mit dem Finger an's Fenster pochte. Sie fuhr auf und blickte
erschrocken durch's Fenster, um dann mit hastiger Hand dasselbe zu öffnen.
„Ich bin's, Maxli!"
„Du! Welche Unvorsichtigkeit! Was ist geschehen? Um Jesu, wenn Dich der Wächter sieht,
oder unser Hausmeister oder Herr Phrkheimer selbst!" flüsterte Maxentia. „Geh', geh', um aller
Heiligen willen!"
„O, hier ist starker Schlagschatten und Dein Licht trifft mich nicht", antwortete der Maler
mit gedämpfter Stimme. „Was ist denn bei Euch geschehen? In Eurem Prunkzimmer ist ja Alles
taghell?"
„Wir Haben zwei Gäste, die zu Pferd gekommen sind; der Sprache nach sind's Oesterreicker
oder Tiroler."
„Ah, also da sitzt auch noch solch ein Raubvogelpärchen zu Horst!" sagte Schäuffelein. „Es
ist gewiß, daß vornehme Reiter in's Thor kamen — sicherlich."
Einer der beeidigten Lieblinge des Mondes, ein Nachtwächter, kam über den Platz und ließ
ohrenzerreißend seine Schnarre ertönen. Der Maler drückte sich an den Pfeiler der Thür und
Maxentia kauerte sich neben ihrem Stuhle nieder. Neugierig schaute der Nachtwächter in's Fenster,
Harrte eine gute Weile und ging endlich ab, einige Betrachtungen über die „Gelehrten und Ver-
kehrten" für sich hinbrummend.
Schäuffelein kam wieder an's Fenster.
„Bist Du noch immer da, Leonhard! Ich bitte Dich, geh' — vielleicht komme ich morgen
Abend auf einige Minuten zur Base Dürer . . .Gute Nacht . .."
„Noch ein Wort! Ich habe gehört, der Kaiser selbst sei in der Stadt! Er ist Dein Pathe und
wenn irgend Jemand uns helfen kann, so ist's der Maximilian."
„Der Kaiser?" rief Maxentia. „Dann befindet er sich in diesem Hause und ich weiß jetzt auch,
was ihn bewogen hat, mir eine köstliche Kette zum Brautgeschenk anzubieten... Doch — er
warb für Einen, der Du ganz gewiß nicht bist, armer Leonhard . . ."
„Um Dich, Maxli!"
„O, es kann auch blos ein Scherz gewesen sein, um mir die Kette mit Fug anzubieten, ohne
daß der Kaiser nothwendig hatte sich zu erkennen zu geben ... Horch, der Oheim klingelt noch,
gute Nacht."
Das Fenster schloß sich, das Licht verschwand und Leonhard Schäuffelein ging feufzend wei-
ter. Als er einige Gassen und Gäßchen hinter sich hatte, kam er in die alte Fleischergasse, wo der
„Rothe Ochs" sein Schild fast bis auf die Köpfe Derer niedersenkte, welche hier durchmarschirten.
 
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