Lionardo da Vinci. 17
Charles d'Amboise, dem Generalstatthalter Ludwig's XII. von Frankreich, ein, der am
18. August selbst iu Florenz um Verlängerung des Urlaubs für Lionardo uachsuchte. Soderini
gewährte ihn in Ausdrücken, die deutlich seine Unzufriedenheit und die noch nicht aufgegebene
Hoffnung auf die Vollendung der Aughiarischlacht erkennen lassen. Der Statthalter dankte am
16. December in den extravagantesten Ausdrücken der Anerkennung und Bewunderung für Lio-
nardo's Persönlichkeit und Kunstfertigkeit: „Wir wollen bekennen, daß er durch seine Leistungen in
Allem, worin wir ihn in Anspruch genommen, in Entwürfen, Baulichkeiten und sonstigen Dingen,
welche im Bereich unserer Stellung liegen, uns in einer solchen Weise genug gethan, daß er uns
nicht allein zufriedengestellt, sondern mit Bewunderung erfüllt hat." Auch Ludwig XII. war von
einem kleinen Bild von ihm dermaßen hingerisfen, daß er durch seinen Gesandten der Republik den
Wunsch aussprechen ließ, dieselbe möge Lionardo so lange in Mailand zu bleiben verstatten, bis er
selbst dorthin käme, da er dann „einige Madonnenbilder und was ihm sonst einfallen möchte,
vielleicht auch sein Bildniß", von dem bewunderten Meister malen lassen wolle.
Schon im nächsten Jahre war Lionardo fest in Diensten des Königs. Als Wasferbaumeister
wurde er mit der Canalisirung der Adda und anderer Flüsse beauftragt, von der in den Jahren 1508
und 1509 die Rede ist. Beim Einzüge Ludwig's XII. in Mailand nach dem Siege über die Ve-
nezianer bei Agnadello (1509) waren dann nach Lionardo's Zeichnungen Triumphbögen mit
Malereien und Fresken errichtet. Als Belohnung hierfür, wie es scheint, empfing er die Gerecht-
same zur Benutzung eines gewissen Quantums Wasser aus dem Canal S. Criftofano, aus dessen
Verpachtung zur Berieselung benachbarter Ländereien er großen Vortheil gezogen zu Haben scheint,
da er wiederholentlich viel Werth daraus legt. Als der Sohn des Moro, Maximiliano Sforza,
sich mit Hülfe von Schweizer Söldnern wieder in den Besitz von Mailand gesetzt hatte, bestätigte
er ihm 1512 sein Privilegium. — Zu küustlerischeu Arbeiten kam Lionardo wenig, zum Theil aus
Mangel an Aufträgen, zum Theil wegen wissenschaftlicher Beschäftigungen. Doch entstand hier
wohl der Carton, nach dem die verschiedenen in den Galerien angetroffenen Exemplare der „H. Anna
selbdritt" von seinen Schülern gemalt sind. Das schönste — fälschlich unter dem Namen des
Lionardo selbst gehende — befindet sich im Louvre und wird für eine Arbeit des Salaino gehalten.
Die Jungfrau Maria sitzt im Schooße der Mutter und beugt sich zu dem Knaben, der mit einem
Lamme spielt, herab; die Scenerie ist eine felsige Landschaft von gewaltigem Charakter; in der
ausfallenden Anordnung haben wir eine Reminiscenz der strengen Ausgestaltung des Vorwurfs in
früherer Zeit unter dem Einflüsse der kirchlichen Autorität zu erkennen. —
Die am 11. März 1513 vollzogene Wahl des Cardinals Giovanni aus dem Hause der
Medicäer zum Papst — er trug die dreifache Krone unter dem Namen Leo X. — erweckte in
Lionardo die Hoffnung, durch ihn, seinen Landsmann, künstlerische Aufträge zu erhalten; und so reiste
er am 24. September 1514 in Begleitung seiner beiden Lieblingsschüler, Francesco Melzi und
Andrea Salai oder Salaino, nach Rom. Bei dem Vorsteher der vaticanischen Kanzlei Bal-
dassare Turini empfahl er sich durch Darbringung einer Maria mit dem Kinde, eines kleinen Bild-
chens von unsäglich fleißiger Ausführung, das aber durch die in Anwendung gebrachten technischen
Mittel schon zu Vasari's Zeit, nach kaum einem halben Jahrhundert, sehr verdorben war.
Der Papst bestellte ein Bild. Lionardo, schon wieder auf Vervollkommnung der technischen
Hülfsmittel sinnend, mischte, statt an den Entwurf zu gehen, Oele und Kräuter zu einem neuen
Deutschlands Kunstschätze. II.)
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Charles d'Amboise, dem Generalstatthalter Ludwig's XII. von Frankreich, ein, der am
18. August selbst iu Florenz um Verlängerung des Urlaubs für Lionardo uachsuchte. Soderini
gewährte ihn in Ausdrücken, die deutlich seine Unzufriedenheit und die noch nicht aufgegebene
Hoffnung auf die Vollendung der Aughiarischlacht erkennen lassen. Der Statthalter dankte am
16. December in den extravagantesten Ausdrücken der Anerkennung und Bewunderung für Lio-
nardo's Persönlichkeit und Kunstfertigkeit: „Wir wollen bekennen, daß er durch seine Leistungen in
Allem, worin wir ihn in Anspruch genommen, in Entwürfen, Baulichkeiten und sonstigen Dingen,
welche im Bereich unserer Stellung liegen, uns in einer solchen Weise genug gethan, daß er uns
nicht allein zufriedengestellt, sondern mit Bewunderung erfüllt hat." Auch Ludwig XII. war von
einem kleinen Bild von ihm dermaßen hingerisfen, daß er durch seinen Gesandten der Republik den
Wunsch aussprechen ließ, dieselbe möge Lionardo so lange in Mailand zu bleiben verstatten, bis er
selbst dorthin käme, da er dann „einige Madonnenbilder und was ihm sonst einfallen möchte,
vielleicht auch sein Bildniß", von dem bewunderten Meister malen lassen wolle.
Schon im nächsten Jahre war Lionardo fest in Diensten des Königs. Als Wasferbaumeister
wurde er mit der Canalisirung der Adda und anderer Flüsse beauftragt, von der in den Jahren 1508
und 1509 die Rede ist. Beim Einzüge Ludwig's XII. in Mailand nach dem Siege über die Ve-
nezianer bei Agnadello (1509) waren dann nach Lionardo's Zeichnungen Triumphbögen mit
Malereien und Fresken errichtet. Als Belohnung hierfür, wie es scheint, empfing er die Gerecht-
same zur Benutzung eines gewissen Quantums Wasser aus dem Canal S. Criftofano, aus dessen
Verpachtung zur Berieselung benachbarter Ländereien er großen Vortheil gezogen zu Haben scheint,
da er wiederholentlich viel Werth daraus legt. Als der Sohn des Moro, Maximiliano Sforza,
sich mit Hülfe von Schweizer Söldnern wieder in den Besitz von Mailand gesetzt hatte, bestätigte
er ihm 1512 sein Privilegium. — Zu küustlerischeu Arbeiten kam Lionardo wenig, zum Theil aus
Mangel an Aufträgen, zum Theil wegen wissenschaftlicher Beschäftigungen. Doch entstand hier
wohl der Carton, nach dem die verschiedenen in den Galerien angetroffenen Exemplare der „H. Anna
selbdritt" von seinen Schülern gemalt sind. Das schönste — fälschlich unter dem Namen des
Lionardo selbst gehende — befindet sich im Louvre und wird für eine Arbeit des Salaino gehalten.
Die Jungfrau Maria sitzt im Schooße der Mutter und beugt sich zu dem Knaben, der mit einem
Lamme spielt, herab; die Scenerie ist eine felsige Landschaft von gewaltigem Charakter; in der
ausfallenden Anordnung haben wir eine Reminiscenz der strengen Ausgestaltung des Vorwurfs in
früherer Zeit unter dem Einflüsse der kirchlichen Autorität zu erkennen. —
Die am 11. März 1513 vollzogene Wahl des Cardinals Giovanni aus dem Hause der
Medicäer zum Papst — er trug die dreifache Krone unter dem Namen Leo X. — erweckte in
Lionardo die Hoffnung, durch ihn, seinen Landsmann, künstlerische Aufträge zu erhalten; und so reiste
er am 24. September 1514 in Begleitung seiner beiden Lieblingsschüler, Francesco Melzi und
Andrea Salai oder Salaino, nach Rom. Bei dem Vorsteher der vaticanischen Kanzlei Bal-
dassare Turini empfahl er sich durch Darbringung einer Maria mit dem Kinde, eines kleinen Bild-
chens von unsäglich fleißiger Ausführung, das aber durch die in Anwendung gebrachten technischen
Mittel schon zu Vasari's Zeit, nach kaum einem halben Jahrhundert, sehr verdorben war.
Der Papst bestellte ein Bild. Lionardo, schon wieder auf Vervollkommnung der technischen
Hülfsmittel sinnend, mischte, statt an den Entwurf zu gehen, Oele und Kräuter zu einem neuen
Deutschlands Kunstschätze. II.)
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