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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0288
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Daniele Ricciaretir,
gen. Daniele da Volterra.
Die gewaltige Natur Michelangelos hatte viel Verführerisches, aber noch mehr Gefährliches
für die nachfolgende Künstlergeneration. Der Macht seines Geistes war schwer zu widersteheu, aber
das Wesentliche in seinem Thun entzog sich der bewußten Nachahmung, und wenn diese sich, wie
nur zu nahe lag, auf das Sichtbare, Greifbare, Nachahmliche richtete, so wurde Zweck, was bei dem
Vorbilde Mittel, und oft genug uur durch die hohen Zwecke eines fast übermenschlichen Geistes ent-
schuldbares Mittel gewesen. So brach in Anlehnung an Michelangelo der geistloseste und uner-
freulichste Manierismus der übertriebenen Musculatur, der verzwickten Bewegung, der unüberseh-
baren Gestaltenfülle herein. Man sagt nicht zu viel, weun man nur zwei Künstler als diesem Ma-
nierismus uicht gänzlich verfallen aus dem gesammten Troß der Nachahmer heraushebt; und sie
Beide schufen unter unmittelbarem Einfluß von und unter rückhaltloser Hingabe an Michelangelo.
Der Eine von diesen, der hervorragendste und selbständigste unter allen Nachfolgern des Michel-
angelo, war Daniele Ricciarelli, im Jahre 1509 zu Volterra im Toscanischen geboren und nach
dieser seiner Vaterstadt bekanntem Brauche gemäß gemeiniglich Daniele da Volterra genannt.
Sein Entwickelungsgang ist nicht der einfachste und sicherste gewesen. Nachdem er zuerst dem
genialen Giovannantonio Bazzi von Vercelli, genannt il Soddoma (c. 1480 — 14. Fe-
bruar 1549), zu Siena durch die Schule gelaufen, dessen wunderlicher, unstäter Charakter ihn jedoch
zu nichts weniger als zum Lehrer qualificirte, hatte er unter den Händen des Baumeisters und
Malers Baldassare Peruzzi (1481 — 1536), des zweiten Hauptsternes am Kunsthimmel von
Siena, eine sorgfältige Schulung erfahren. Ueber seine Vaterstadt, wo er mit peinlichem Fleiß eine
Darstellung der Geißelung Christi vollendete, begab er sich nach Rom. Sein mitgebrachtes Werk
erwarb ihm Freunde und Aufträge: Pierino Buonaccorsi, genannt Perino del Vaga
(1500 — 1547), einer der vorzüglichsten Schüler Raphael's, ersah ihn zu seinem Gehülfen und
Mitarbeiter; mit ihm malte er in einem Zimmer des Palazzo Farnese; ebenso ist die glänzende orna-
mentale Stuckarbeit in der Sala Regia des Vaticans ihr gemeinsames Werk. Seinen Lehrmeister
Peruzzi unterstützte er bei der Ausmalung der herrlichen Decke in der zweiten Loggia der Villa Far-
nesina, wo er Perseus die Medusa tödtend malte. Auch in dem Meisterwerke Peruzzi's, dem Palazzo
Massimi, war er thätig: er stellte in einem Friese die Geschichte des Qu. Fabius Maximus
Cunctator dar (auf den die Massimi ihren Stammbaum zurückführteu).
Bald aber schloß er sich besonders eng au Michelangelo au, der ihn seiner Freundschaft
würdigte und ihm in seiner künstlerischen Thätigkeit mit Rath und That zur Seite stand. Zu ihm
stehen alle Hauptwerke Daniele's, namentlich dasjenige, das seinen Namen für alle Zeiten unsterb-
 
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