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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0344
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Claude Gellse,
genannt Claude (le) Lorrain.
Claude Gellte oder Gillee wurde im Jahre 1600 als der dritte von fünf Söhnen
Jean Gellee's auf dem Schlosse Chamagne, an den Ufern der Mosel in der Gegend von Toul,
also in Lothringen, geboren, woher er den Beinamen Lorrain bekam. Als er im Alter von zwölf
Jahren Vater und Mutter verloren, ging er seinem älteren Bruder, einem Holzschneider, nach
Freiburg im Breisgau nach, wo er sich ein Jahr lang mit Ornamentzeichnen beschäftigte. Dann
begleitete er einen Verwandten, einen Spitzenhändler, nach Rom, ging, als in Folge der Kriege
mit der Schweiz die Unterstützungen von Seiten der Familie ausblieben, nach Neapel unv arbeitete
dort zwei Jahre unter der Leitung Gottfried Wall's, eines Kölner Malers, der ihn in der
Architektur, der Perspective und der Landschaftsmalerei unterwies. Später nach Rom zurückgekehrt
trat er in das Atelier Agostino Tassi's, der ein Schüler von Paul Bril war.
Nach beendigter Lehrzeit begab er sich über Venedig durch Throl und Bayern in seine
Heimat und wurde in Nancy mit Charles Dervent, dem Maler des Herzogs Heinrich von
Lothringen, bekannt. Dieser benutzte ihn länger als ein Jahr, indem er ihn in der Wölbung der
Carmeliterkirche die Architekturen in seinen Compositiouen malen ließ. Der Sturz eines Vergol-
ders vom Gerüste verleidete Claude diese Beschäftigung, und er ging wiederum nach Italien, mit
dem Maler des Königs von Frankreich Charles Errard zusammen, den er in Lyon traf.
Zwei Landschaften, die er für den Cardinal Bentivoglio gemalt, erregten solches Aufsehen,
daß rer Papst Urban VIII. ihn sich vorstellen ließ, daß alle Wrlt Bilder von ihm begehrte, und
daß geschäftige Maler feine unfertigen Gemälde schon copirten und für Originale Claude's
verkauften, bevor er selbst noch an die wirklichen Originale die letzte Hand gelegt. Wie man
gesagt hat, um Betrug zu hindern, wahrscheinlicher aber, um eine Erinnerung an seine zahl-
reichen Compositionen zu behalten, fertigte er von jedem Gemälde eine genaue Zeichnung, welche er
mit dem Namen des Käufers und oft mit der Datirung versah. Er nannte die Sammlung dieser
Zeichnungen „lidro äi veritü" (Buch der Aechtheit) und bestimmte, daß dieselbe im Besitz seiner
Familie bleiben sollte. Doch spätere Enkel ermangelten der Pietät und veräußerten die kostbare
Sammlung, die durch mehrere Hände 1770 an die Herzöge von Devonshire gelangte, von denen
sie als unschätzbares Kleinod bewahrt wird. Sie enthält zweihundert Blätter. Viele andere Zeich-
nungen sind zerstreut. Seine zahlreichen Gemälde sind in allen größeren Sammlungen anzutreffen.
Claude Lorrain arbeitete mit zähem Fleiß bis an sein Lebensende, obwohl er schon seit vierzig
Jahren von der Gicht geplagt war. Er starb reich an Ehren und Besitz zu Rom am 21. Novem-
ber 1682 und wurde in S. Trinitü de' Monti beigesetzt; im Juli 1840 aber wurden seine Gebeine
nach S. Luigi de' Francesi übergeführt und dort ein einfaches Denkmal darüber errichtet.
Es giebt kaum einen poetischeren Landschaftsmaler als Claude Lorrain. Edle Linien, wirkungs-
volle Gruppirung, duftige Fernen, prächtige Architekturen, geschickte (wenn auch selten reiche)
Staffage, künstliche Lichtwirkungen eines klaren, lachenden Himmels wirken zusammen zauberisch
auf den Beschauer. Im Dust der Färbung übertrifft ihn Keiner, und ein himmlischer Friede, eine
ideale, ost etwas schwärmerische, niemals aber schwächliche Stimmung weht über seinen Schöpfun-
gen. Es ist ein Meister von einer selten reinen Harmonie des Geistes. L. N.
 
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