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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0040
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16 Deutschland Kunstschützt.
„Meine Rosalia, ja!"
Ribera zeigte aus die Figur der Heiligen.
„Ihr meint das Urbild dieser Figur?"
„Ja, mein Prinz!"
„Ich bin nicht eben neugierig, aber ich gestehe, daß ich wissen möchte, welche Dame ihre Züge
zu diesem Bildniß hergeliehen hat... Gab sie Euch wirklich die Idee der Composition an, so ist
mein Wunsch doppelt gerechtfertigt."
Ribera's Augen glühten; seine Wangen brannten.
„Luca!" rief er zur Thür hinaus.
Der junge Maler erschien und Ribera flüsterte ihm einen kurzen Befehl zu.
„Ich rathe Dir", raunte er dem starr auf den Fürsten blickenden Jünglinge zu, „daß Du mit
keiner Silbe andeutest, wen Josita hier finden wird. Ich will sie sehen, sogleich — ich!"
Nach wenigen Minuten öffnete Luca mit einer traurigen und bestürzten Miene die Thür und
die Spagnoletta, in einem schwarzseidenen Kleide mit Silberschnüren verziert, trat ein. Als sie
dem Statthalter in's Gesicht blickte, prallte sie überrascht und scheu zurück.
Don Juan betrachtete abwechselnd Josita und dann ihr Bildniß.
„Ach, Maestro", sagte er, sich vor dem Mädchen verbeugend, „Ihr habt da einen großen
Fehler gemacht — wenn Eurer gemalten Rosalia der Siegeskranz nicht entrissen werden soll, so
dürft Ihr diese lebende Rosalia nicht neben das Bild stellen .. ."
„Durchlauchtigster Fürst!" rief Ribera im Uebermaße seiner Empfindungen, „hier entscheidet
nur, ob das Bild oder ob das Original meinem Herzen am theuersten ist ... Dies ist meine ein-
zige Tochter ... Mein Kind, Du stehst vor dem Prinzen Don Juan von Oesterreich, unsern gnä-
digsten Statthalter ..."
Josita war so bestürzt, daß sie kein Wort fand, um den Fürsten zu begrüßen. Sie machte
angstvoll die Augen auf ihn richtend, eine rasche Bewegung, als wenn sie entfliehen wolle. Don
Juan fand indeß den richtigen Ton, um ihre Befangenheit zu verscheuchen, indeß er ihr von Spa-
nien und besonders von dem prächtigen alten Burgos erzählte, wo, nach Ribera's Angaben, seine
Voreltern gelebt Hatten. Als der Fürst schied, mußte Josita der begeisterten Versicherung ihres
Vaters zustimmen: daß schwerlich ein Fürst mehr verdiene bewundert zu werden als Don Inan,
dessen liebenswürdige Herablassung und hohe Bildung kaum den Gedanken an seine glänzenden
Heldenthaten an seinen Feldherrnruhm aufkommen ließen.
Ribera schloß sich dranf in seinem Zimmer ein, um ungestört seinen Gedanken über seine
jüngsten Erlebnisse nachzuhängen.
Es war schon ziemlich spät geworden, als die alte Frau aus Gallipoli in Jofita's Gemach
eintrat und sich nach dem Hausherrn erkundigte. Das Mädchen war bereits im Nachtkleide; die
Alte machte sich an's Werk, ihr das Haar fester einzuflechten.
„Weißt Du, mein kleines Herz", sagte die Frau, ihre unheimlich großen, schwarzen Augen
nach der Thür richtend, „wann Don Jose Dir den Gruß zur guten Nacht sagen wird?"
„Nein, gute Teresina."
„Aber Du weißt doch, er kann nicht schlafen, wenn er Dich nicht vorher an's Herz gedrückt
 
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