I. Die italienische Renaissance.
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an Friesen, Kapitellen, Sänlcn und Pilastern von Bauten antiker Kunst, und nicht zum ge-
ringsten Teile an Erzeugnissen der Kleinkunst und des Kunsthandwerks, bildete sich die Freude
an einer der antiken verwandten Formensprache und die Lust an einer in den Einzelheiten
sorgfältig durchbildenden Dekorationskunst. Der Rcnaissancekünstler des Quattrocento fühlt
sich unbeschränkt in der Verwendung der Zierformen. Nicht selten begnügt er sich mit dem
Scheine organischer Verknüpfung. So tritt die Frührenaissance zunächst auf an einzelnen
Zierstücken in Kirchen (Altäre, Tabernakel, Ehorgestühle, Sängerpulte, Lettner, Kanzeln),
an Portalen, Fenstern u. a. Durch neue Verbindungen der der Antike entlehnten Ornament-
motive, wie der Grotesken, und oft lebendigere Bildung der antiken Einzelform entstehen
reizvolle Neuheiten, in deren dekorativer Verwendung überaus feine und vornehme Wir-
kungen erzielt werden.
Neben dem Studium der antiken Einzelform und neben ihrer anfänglich bloß deko-
rativen Anwendung erstarkte mehr und mehr das lebendige Gefühl für die Einheitlichkeit und
eine klare Harmonie der Bauteile und Gliederungen zum Ganzen. Auch altchristliche und
romanische Bauten wie S. Lorenzo in Mailand haben diese neue Baugesinnung angeregt.
Das einmal als Maßeinheit ge-
wählte Verhältnis wird fest-
gehalten, die Symmetrie der An-
lage wird bewahrt, und der
Unterschied zwischen struktiven Ge-
lenken und dekorativen Formen
hervorgehoben. Gegenüber der
Massenzerlegung, dem Hochdrang
und der stimmungsvoll maleri-
schen Wirkung der Gotik tritt
eine durch breite Flächenlagerung
und deutliche Begrenzung in klar
faßbaren Verhältnissen wirkende
Architektur, deren Wesen wie das
der Musik in der vollkommenen
Harmonie begründet wird.
Auffallend und charakteristisch für die zunehmende Selbständigkeit des Laienelementes
in der Renaissance-Epoche ist es, daß der Dau für die Gemeinde und für Private, besonders
der Palastbau — nicht mehr der Kirchenbau — zum Hauptträger und Entwickler des
neuen Stils wird. Seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts erbaute z. B. die Floren-
tiner Bürgerschaft neben das alte Stadthaus die gewaltige Loggia dei Lanzi, errichteten
die Zünfte und großen Familien neue Paläste. Vor den Toren der Stadt entstanden gefällige
Landhäuser. Die Palastaulagen bewahrten an ihrer Außenseite, nach der Straße, noch lange
den wehrhaften burgähnlichen Charakter wie im 13. und 14. Jahrhundert, sie hatten ein
mächtiges Sockelgeschoß, das wie auch das Obergeschoß durch die Geschlossenheit der Mauer-
fläche mit wenigen Fensteröffnungen wirkte. Im Innern wird in den Arkaden, die den
oft schachtartigen Hof umgeben (ein-, auch zweistöckig), die Kunst wohlabgewogener Pro-
portionen und feiner Gliederungen der Säulen und Gebälke immer klarer erprobt.
Ein vielgewandter Künstler, Filippo Brunelleschi aus Florenz (1377—1446)
baut zuerst im Geiste der Renaissance. Freilich erscheint er nicht als Neuerer mit seinem
Lebenswerke, dem Bau der Florentiner Domkuppel, die er nach einem Plan des Francesco
Talenti von 1357 über eine von Ruudfenstern durchbrochene achtscitige Trommel, die er
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an Friesen, Kapitellen, Sänlcn und Pilastern von Bauten antiker Kunst, und nicht zum ge-
ringsten Teile an Erzeugnissen der Kleinkunst und des Kunsthandwerks, bildete sich die Freude
an einer der antiken verwandten Formensprache und die Lust an einer in den Einzelheiten
sorgfältig durchbildenden Dekorationskunst. Der Rcnaissancekünstler des Quattrocento fühlt
sich unbeschränkt in der Verwendung der Zierformen. Nicht selten begnügt er sich mit dem
Scheine organischer Verknüpfung. So tritt die Frührenaissance zunächst auf an einzelnen
Zierstücken in Kirchen (Altäre, Tabernakel, Ehorgestühle, Sängerpulte, Lettner, Kanzeln),
an Portalen, Fenstern u. a. Durch neue Verbindungen der der Antike entlehnten Ornament-
motive, wie der Grotesken, und oft lebendigere Bildung der antiken Einzelform entstehen
reizvolle Neuheiten, in deren dekorativer Verwendung überaus feine und vornehme Wir-
kungen erzielt werden.
Neben dem Studium der antiken Einzelform und neben ihrer anfänglich bloß deko-
rativen Anwendung erstarkte mehr und mehr das lebendige Gefühl für die Einheitlichkeit und
eine klare Harmonie der Bauteile und Gliederungen zum Ganzen. Auch altchristliche und
romanische Bauten wie S. Lorenzo in Mailand haben diese neue Baugesinnung angeregt.
Das einmal als Maßeinheit ge-
wählte Verhältnis wird fest-
gehalten, die Symmetrie der An-
lage wird bewahrt, und der
Unterschied zwischen struktiven Ge-
lenken und dekorativen Formen
hervorgehoben. Gegenüber der
Massenzerlegung, dem Hochdrang
und der stimmungsvoll maleri-
schen Wirkung der Gotik tritt
eine durch breite Flächenlagerung
und deutliche Begrenzung in klar
faßbaren Verhältnissen wirkende
Architektur, deren Wesen wie das
der Musik in der vollkommenen
Harmonie begründet wird.
Auffallend und charakteristisch für die zunehmende Selbständigkeit des Laienelementes
in der Renaissance-Epoche ist es, daß der Dau für die Gemeinde und für Private, besonders
der Palastbau — nicht mehr der Kirchenbau — zum Hauptträger und Entwickler des
neuen Stils wird. Seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts erbaute z. B. die Floren-
tiner Bürgerschaft neben das alte Stadthaus die gewaltige Loggia dei Lanzi, errichteten
die Zünfte und großen Familien neue Paläste. Vor den Toren der Stadt entstanden gefällige
Landhäuser. Die Palastaulagen bewahrten an ihrer Außenseite, nach der Straße, noch lange
den wehrhaften burgähnlichen Charakter wie im 13. und 14. Jahrhundert, sie hatten ein
mächtiges Sockelgeschoß, das wie auch das Obergeschoß durch die Geschlossenheit der Mauer-
fläche mit wenigen Fensteröffnungen wirkte. Im Innern wird in den Arkaden, die den
oft schachtartigen Hof umgeben (ein-, auch zweistöckig), die Kunst wohlabgewogener Pro-
portionen und feiner Gliederungen der Säulen und Gebälke immer klarer erprobt.
Ein vielgewandter Künstler, Filippo Brunelleschi aus Florenz (1377—1446)
baut zuerst im Geiste der Renaissance. Freilich erscheint er nicht als Neuerer mit seinem
Lebenswerke, dem Bau der Florentiner Domkuppel, die er nach einem Plan des Francesco
Talenti von 1357 über eine von Ruudfenstern durchbrochene achtscitige Trommel, die er