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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Hrsg.]
Fragmente (Band 1,1) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47241#0163
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erhalten. Carl August's Erziehung war ihr Werk. Sie blieb
die eigentliche letzte Instanz in Weimar so lange sie lebte.
Sie hielt die Charaktere in Schranken und flößte den Respect
und das Vertrauen in inniger Verbindung ein, deren es bei
den gewaltsam elementaren Naturen bedurfte, die ihren: Ein-
flüsse dort anheimgegeben waren. Das Wenige aber, das
uns von sichtbaren Zeichen ihrer stillen Macht bekannt ist,
zeigt nur einzelne Momente ihrer Existenz.
Der Urgrund ihrer Denkungsart war Anerkennung der
menschlichen Freiheit, und zwar, da mit solcher Gesinnung
fürstlicher Personen damals in Deutschland kaum Mißbrauch
getrieben werden konnte, in: weitesten Unifange. Als inr Ver-
laufe der französischen Revolution die Mehrzahl der früheren
Bewunderer des französischen Volkes bedenklich wurde und
abfiel, als Klopstock bekehrt war und auch Wielaud nichts
mehr von der souveränen Nationalversammlung wissen wollte,
hielt Anna Amalia an ihr fest. Sie gab ihre Vorliebe für
Frankreich nicht sogleich auf. Ferner: offenbar wollte sie
Allem gegenüber, was von Weimar aus nach Carl August's
Eintritt in die Souveränität officiell geschah, absichtlich Pri-
vatperson sein. Es sollte kein Licht auf sie fallen. In der
Fülle Goethe'scher Briefe, die alles in Weimar Geschehende
wenn nicht alltäglich, so doch allwöchentlich zu erschöpfen
scheinen, als sei er ein Gärtner, der von sich entwickelnden
Blüthen und Früchten auch nicht das Geringste außer Augen
und unbeachtet läßt, wie Jemand, der in einem ununter-
brochenen Erntegeschäft begriffen ist —: in all' diesen Briefen
finden wir nur wenig aus dem geistigen Bezirke der Her-
zogin Anna Amalia. Einmal aber dann spricht Goethe sich
energisch über die Herzogin-Mutter aus, zusammeufassend,
 
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