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Wichtigkeit innewohnte. Da griff sie zu und ließ sich nicht
dreinreden. Man durste ihrer sicher sein. Ohne Anna
Anialia und Carl August und die Herzogin Luise kann auch
diese Fürstin nicht beurtheilt werden.
In dies feste Weimarische Dasein also, das mit Goethe's
Eintritt begann, das irr Zeiten sich bildete, die weder Eisen-
bahnen noch Telegraphen, noch sogar Meinung machende
Zeitungen besaßen, sah sich, lange Jahre nach jenen anfäng-
lichen Menschen und Ereignissen, als junge, fremde Prinzessin
die Großherzogin Sophie hineinversetzt. Ihrem Charakter
nach war sie in neuer Gestalt durch die gleiche Mischung von
Idealität und beharrlichem Willen Anna Amalia ähnlich,
aber keine Wiederholung doch der Freundin und Beschützerin
Goethe's, sondern erscheint so verschieden von ihr wie das
18. Jahrhundert vom 19. Anna Anialia's französische Bil-
dung beruhte auf Voltaire, die der Großherzogin Sophie auf
der französischen Literatur unserer Tage. Sie war eine
Bürgerin unseres Jahrhunderts. Ein Autor, den sie mit
Vorliebe las, war Taine, mit dessen Hülfe die heutige Welt-
anschauung des französischen (vielleicht auch englischen) Publi-
kums sich leichter versteht. Taine gehört zu denen, die das
scheinbar Auseinanderfallende der heutigen Zeit auf organische,
nothweudige Entwicklung zurückführen und die elegante Leichtig-
keit besitzen, die Probleme der Gegenwart in fließender Sprache
uns verständlich zu machen, die wir auf der Bühne des Lebens
mit aufzutreten haben. Doch rede ich davon ohne eigene Er-
fahrung. Ich habe die Großherzogin Sophie zu spät kennen
gelernt, um zu wissen, wie sie aus den jüngeren Jahren in
die vorgerückteren überging. Als ich zum ersten Male von
ihr empfangen wurde — in Lugano 1887 — war die die
Wichtigkeit innewohnte. Da griff sie zu und ließ sich nicht
dreinreden. Man durste ihrer sicher sein. Ohne Anna
Anialia und Carl August und die Herzogin Luise kann auch
diese Fürstin nicht beurtheilt werden.
In dies feste Weimarische Dasein also, das mit Goethe's
Eintritt begann, das irr Zeiten sich bildete, die weder Eisen-
bahnen noch Telegraphen, noch sogar Meinung machende
Zeitungen besaßen, sah sich, lange Jahre nach jenen anfäng-
lichen Menschen und Ereignissen, als junge, fremde Prinzessin
die Großherzogin Sophie hineinversetzt. Ihrem Charakter
nach war sie in neuer Gestalt durch die gleiche Mischung von
Idealität und beharrlichem Willen Anna Amalia ähnlich,
aber keine Wiederholung doch der Freundin und Beschützerin
Goethe's, sondern erscheint so verschieden von ihr wie das
18. Jahrhundert vom 19. Anna Anialia's französische Bil-
dung beruhte auf Voltaire, die der Großherzogin Sophie auf
der französischen Literatur unserer Tage. Sie war eine
Bürgerin unseres Jahrhunderts. Ein Autor, den sie mit
Vorliebe las, war Taine, mit dessen Hülfe die heutige Welt-
anschauung des französischen (vielleicht auch englischen) Publi-
kums sich leichter versteht. Taine gehört zu denen, die das
scheinbar Auseinanderfallende der heutigen Zeit auf organische,
nothweudige Entwicklung zurückführen und die elegante Leichtig-
keit besitzen, die Probleme der Gegenwart in fließender Sprache
uns verständlich zu machen, die wir auf der Bühne des Lebens
mit aufzutreten haben. Doch rede ich davon ohne eigene Er-
fahrung. Ich habe die Großherzogin Sophie zu spät kennen
gelernt, um zu wissen, wie sie aus den jüngeren Jahren in
die vorgerückteren überging. Als ich zum ersten Male von
ihr empfangen wurde — in Lugano 1887 — war die die