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Kunst Vorlesungen gehalten werden, hängen sie nunft. Curtius
hat mit diesen! Vermächtniß am glücklichsten die Stellung an-
gezeigt, die er in den Augen der Nachwelt einzunehmen
Willens war. Raphael bedeutet die Uebernahme der griechi-
schen Kunst durch die Gegenwart. Die classische Philologie
wird künftig darin ihre Aufgabe finden, den Zusammenhang
unserer heutigen höchsten ästhetischen Bestrebungen mit denen
der Griechen herauszuerkennen, ihn der Gegenwart zu zeigen
und ihn der Zukunft zu vermitteln.
Treitschke empfand das ästhetische Element wohl, aber
er sah es als ein dienendes an. Als ein herrschendes wies
er es scharf zurück. Er hat Gedichte geschrieben, doch der
Gedanke tritt in ihnen zu sehr hervor. Er verstand die An-
tike — wie Schiller —, aber sie wäre ihm entbehrlich ge-
wesen. Ich habe von Treitschke an anderer Stelle gesprochen:
er war modern. Er ordnete alle geistigen Kräfte dem Bedürf-
nisse des neuesten Tages unter. Der neueste Tag beherrschte
ihn. Er opferte ihm frühere Anschauungen. Ich weiß nicht,
wie er aus voller Empfindung zu der Kunst der Renaissance
stand, Menzel aber war unter den Heutigen sein Lieblings-
meister. Treitschke'-s Tod bedeutete nicht wie bei Curtius das
letzte Auslaufen oft neu gedachter, niemals aber sich ändern-
der Gedankenreihen, nicht das natürliche Aufhören endlich in
Ruhe übergehender Arbeit. Niemand hatte Treitschke's Tod
vorausgesehen, Niemand damit gerechnet. Er selbst am wenig-
sten. Es schien unglaublich, daß so viel Kraft plötzlich er-
liegen könne. Als Treitschke neulich sechzig Jahre wurde, war
das nicht der Antritt einer stilleren Arbeitszeit für ihn. Er
verlangte keine Ruhe. Arbeit wurde von ihm gefordert, am
') unten S. 263.
Kunst Vorlesungen gehalten werden, hängen sie nunft. Curtius
hat mit diesen! Vermächtniß am glücklichsten die Stellung an-
gezeigt, die er in den Augen der Nachwelt einzunehmen
Willens war. Raphael bedeutet die Uebernahme der griechi-
schen Kunst durch die Gegenwart. Die classische Philologie
wird künftig darin ihre Aufgabe finden, den Zusammenhang
unserer heutigen höchsten ästhetischen Bestrebungen mit denen
der Griechen herauszuerkennen, ihn der Gegenwart zu zeigen
und ihn der Zukunft zu vermitteln.
Treitschke empfand das ästhetische Element wohl, aber
er sah es als ein dienendes an. Als ein herrschendes wies
er es scharf zurück. Er hat Gedichte geschrieben, doch der
Gedanke tritt in ihnen zu sehr hervor. Er verstand die An-
tike — wie Schiller —, aber sie wäre ihm entbehrlich ge-
wesen. Ich habe von Treitschke an anderer Stelle gesprochen:
er war modern. Er ordnete alle geistigen Kräfte dem Bedürf-
nisse des neuesten Tages unter. Der neueste Tag beherrschte
ihn. Er opferte ihm frühere Anschauungen. Ich weiß nicht,
wie er aus voller Empfindung zu der Kunst der Renaissance
stand, Menzel aber war unter den Heutigen sein Lieblings-
meister. Treitschke'-s Tod bedeutete nicht wie bei Curtius das
letzte Auslaufen oft neu gedachter, niemals aber sich ändern-
der Gedankenreihen, nicht das natürliche Aufhören endlich in
Ruhe übergehender Arbeit. Niemand hatte Treitschke's Tod
vorausgesehen, Niemand damit gerechnet. Er selbst am wenig-
sten. Es schien unglaublich, daß so viel Kraft plötzlich er-
liegen könne. Als Treitschke neulich sechzig Jahre wurde, war
das nicht der Antritt einer stilleren Arbeitszeit für ihn. Er
verlangte keine Ruhe. Arbeit wurde von ihm gefordert, am
') unten S. 263.