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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Hrsg.]
Fragmente (Band 1,1) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47241#0300
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zu betrügen" ist deshalb so ergreifend, weil ihn ein alter Mann
erhebt, der nie etwas von Anderen und nie etwas für sich
verlangt hat. Das in den Goethe'schen „Froschpfuhl" ge-
hörige Volk wird die Bescheidenheit wenigstens anerkennen,
mit der Brunn von jeher auftrat. Keines unter den Stücken,
die diesen Band bilden, das Brunn nicht selbst als einen
bloßen Versuch bezeichnet hätte. Versuche, die Schöuheit der
griechischen Götterideale zu deuten. Alle mit dem stillschwei-
genden Proteste gegen die Meinung geschrieben, daß Gelehr-
samkeit ohne die hinzutretende Kraft persönlicher Anschauung
Werth habe, und durchdrungen von der Ueberzeugung, daß
diese Persönlichkeit nicht blos sich zeigen dürfe, sondern müsse.
Immer hat es Leute gegeben, denen „Persönlichkeit" ein Dorn
im Auge ist. Die unruhig werden, wenn,von „Schönheit",
von „begeisterter Betrachtung" gesprochen wird. Sollte es
diesen auf dem Gebiete der Kunstwissenschaft je gelingen, den
gewaltigen Zeus von Otricoli, den Apoll von Belvedere und
den Laokoon, an denen das vorige Jahrhundert sich nicht satt
sehen konnte, zu bloßen Spielzeugen der Kritik herabzudrücken,
zu Dekorationsstücken, über deren Minderwerthigkeit ja längst
entschieden sei, so stände es schlimm bei uns. Brunn gehört
zu denen, die wissen, welche geistigen Güter heute verloren
werden können. Er sieht die Zeiten heranrücken, wo der in
Jsolirung der Arbeitsgebiete sich empordrängende Antiqua-
rismus alles Verständniß von Geist zu Geist mit einem Makel
behaften möchte. Die Geschichte der griechischen Skulptur ist
nur dann den Zeiten nützlich, die heute bevorstehen, wenn sie,
wie die der deutschen bildenden Künste, im ernsten Zusammen-
hänge mit den andern Schöpfungen des nationalen Phan-
tasielebens zum Gegenstände des Studiums und der Unter-
 
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