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* DIE KIRCHE *

Glaubenskämpfe

Hundert Jahre vor August schrieb Jean Bodin ein Gespräch
zwischen Katholiken, Lutheranern, Reformierten, Juden und
Mohammedanern, das er in Venedig sich abspielen läßt.
War doch die große Handelsstadt der Ort, wo sich solche
zusammenfanden. Er selbst war ein Mann von unklarer reli-
giöser Stellung. Im Herzen den Reformierten nahestehend,
hat er sich doch nie offen zu ihnen bekannt. Da erscheint
der Jude als der Vertreter des Glaubens an e in e n Gott, der
Mohammedaner ihm nahestehend, als Leugner des Gottes-
sohnes und der Dreieinigkeit, der Lutheraner als Mann be-
schaulicher Frömmigkeit, doch mäßigen Geistes. Von ihnen
hebt sich der Mann glänzend ab, der den Gott aller Völker
Für Umdeutung jenes höchsten Gottes, jenes Einen erklärt.
Bodin betrat die Kirchen aller Bekenntnisse, ohne als Atheist
Anstoß zu erregen und die Ruhe der Besucher zu stören,
Lessings Nathan den Weisen um fast zwei Jahrhunderte
vorausnehmend. Er ist Vertreter einer von Gott eingesetzten
Naturreligion, einer Übermacht des Guten, der Reinheit,
wie sie in die Kinderseele gelegt ist, einer die Welt durch-
ziehenden Friedenssehnsucht. Alle Religionen sind ihm
Töchter einerMutter, die in ihnen bestehenden Verschieden-
heiten nicht durch Vernunftgründe, wohl aber durch die ge-
schichtliche Entwicklung ihrer Lehre erklärbar. Gott wird
jeder Mensch angenehm sein, der ihn reinen Sinnes, wenn
auch auf seine Weise verehrt. Die natürliche Religion ist
daher ausreichend zur Erlangung der Seligkeit. Das Ziel
aller Erkenntnis ist die Aussöhnung der Verschiedengläu-

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