Nach 30jähriger Abwesenheit von seiner Vaterstadt Danzig beschloß der Künstler
im Jahre 1773, seine alte dort noch lebende Mutter aufzusuchen. Diese Reise nun und
alles, was er dabei erlebt und beobachtet hat, schildert der Band von einigen 80 Zeich*
nungen, und sein in französischer Sprache abgefaßtes Tagebuch gibt die notwendigen
Erklärungen und Erläuterungen dazu. Nun müßt Ihr Euch denken, daß das keine
großen Zeichnungen sind, sondern alles wurde in einem Skizzenbuch notiert.
Die Skizzen, man muß sie eigentlich Zeichnungen nennen, denn es gibt kaum etwas
Durchgeführteres als diese feinen kleinen Bildchen, die anschauliche Schilderungen des
bürgerlichen Lebens der damaligen Zeit geben. Ich will Euch nun nicht bis ins Einzelne
die ganze Reise vorführen, sondern nur ein wenig erzählen von den Blättern, die mich
besonders gefesselt haben. Vielleicht habt Ihr mal irgendwo Gelegenheit, eine Re*
Produktion dieses Werkes zur Einsicht zu bekommen. Ich hatte die Möglichkeit, meine
Studien am Original zu machen, das sich in der Bibliothek des Museums zu Leipzig
befindet. Ich will Euch kurz einiges über die technische Ausführung sagen. Die meisten
Skizzen sind vor der Natur mit Bleistift gezeichnet in subtilster Abstufung von Licht
und Schatten und sind dann abends mit der Feder nachgezeichnet. Nur ein Teil der
figürlichen Studien, die er in Danzig selbst auf der Straße, in der Kirche skizzierte,
sind gleich mit der Feder gearbeitet. Das Papier hat ein schwaches Korn, daher war
eine ganz feine Zeichnung möglich, und Ihr könnt Euch kaum etwas Aparteres denken
als so ein Figürchen von Chodowiecki, bei dem die zierlichsten Mädchen im graziösen
Gewände des Rokoko mit Stöckelschuhen dahertrippeln oder elegante Frauen auf dem
Sofa sitzen und die Fluldigungen der sie besuchenden Herren empfangen. So ein
Gesichtchen ist mit hauchfeinen Strichen gezeichnet, die dennoch jedem Ausdruck ge*
Abb. 150
»Blick auf Danzig«. Federzeichnung von Daniel Chodowiecki. Feder und Tusche
Aus »Ilandzeichnungen grosser Meister«, Manz-Verlag, Wien
98
im Jahre 1773, seine alte dort noch lebende Mutter aufzusuchen. Diese Reise nun und
alles, was er dabei erlebt und beobachtet hat, schildert der Band von einigen 80 Zeich*
nungen, und sein in französischer Sprache abgefaßtes Tagebuch gibt die notwendigen
Erklärungen und Erläuterungen dazu. Nun müßt Ihr Euch denken, daß das keine
großen Zeichnungen sind, sondern alles wurde in einem Skizzenbuch notiert.
Die Skizzen, man muß sie eigentlich Zeichnungen nennen, denn es gibt kaum etwas
Durchgeführteres als diese feinen kleinen Bildchen, die anschauliche Schilderungen des
bürgerlichen Lebens der damaligen Zeit geben. Ich will Euch nun nicht bis ins Einzelne
die ganze Reise vorführen, sondern nur ein wenig erzählen von den Blättern, die mich
besonders gefesselt haben. Vielleicht habt Ihr mal irgendwo Gelegenheit, eine Re*
Produktion dieses Werkes zur Einsicht zu bekommen. Ich hatte die Möglichkeit, meine
Studien am Original zu machen, das sich in der Bibliothek des Museums zu Leipzig
befindet. Ich will Euch kurz einiges über die technische Ausführung sagen. Die meisten
Skizzen sind vor der Natur mit Bleistift gezeichnet in subtilster Abstufung von Licht
und Schatten und sind dann abends mit der Feder nachgezeichnet. Nur ein Teil der
figürlichen Studien, die er in Danzig selbst auf der Straße, in der Kirche skizzierte,
sind gleich mit der Feder gearbeitet. Das Papier hat ein schwaches Korn, daher war
eine ganz feine Zeichnung möglich, und Ihr könnt Euch kaum etwas Aparteres denken
als so ein Figürchen von Chodowiecki, bei dem die zierlichsten Mädchen im graziösen
Gewände des Rokoko mit Stöckelschuhen dahertrippeln oder elegante Frauen auf dem
Sofa sitzen und die Fluldigungen der sie besuchenden Herren empfangen. So ein
Gesichtchen ist mit hauchfeinen Strichen gezeichnet, die dennoch jedem Ausdruck ge*
Abb. 150
»Blick auf Danzig«. Federzeichnung von Daniel Chodowiecki. Feder und Tusche
Aus »Ilandzeichnungen grosser Meister«, Manz-Verlag, Wien
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