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12. KAPITEL

Die Figur und der Kopf in der Entwicklung der Malerei

Der Kernpunkt alles bildkünstlerischen Schaffens, Anfang und Ziel ist die Dar*

Stellung des Figürlichen, und deshalb müssen wir versuchen, uns ein Bild zu Die Figur
machen von der Entwicklung dieses wichtigsten Stoffgebietes. Ich will Euch darüber
keinen langen kunstgeschichtlichen Vortrag halten, obwohl die Versuchung groß ist.

Im Fluge nur will ich die markantesten Beispiele der Entwicklungsphasen an Eurem
Blick vorüberziehen lassen. Wer selber Kunst üben will, muß doch ein wenig Wissen
und Verstehen davon haben. Mit dem Verständnis wird Eure Liebe wachsen, und
deshalb folgt mir auf dieser kleinen Streife.

Ihr wißt also, daß, solange Menschen die Erde bevölkern und der Kunsttrieb er*
wacht ist, es heißestes Streben war aller derjenigen, die sich zur Kunst berufen fühlten,
Schilderungen von ihresgleichen zu geben. So gehen die ersten Darstellungen mensch*
licher Wesen bis ins dritte Jahrtausend vor Christi zurück; denn schon die Ägypter
des alten Reiches schmückten Tempel und Grabkammern mit Gemälden. Und diese
Gemälde zeigen Figuren. Zwar werden die Köpfe auch bei frontaler Körperstellung
immer im Profil gegeben; denn es ist leichter, die Linie der Form zu zeigen als die
Fläche, wie sie das nach vorn gewandte Gesicht verlangt.

In der Plastik, die uns hier ja aber nichts angeht, gab es sehr früh durchaus natura*
listisch gesehene Figuren und Köpfe. Die hellenistische Kunst hat uns herrliche Skulp*
turen hinterlassen, aber von den Gemälden, von denen die Geschichtschreiber erzählen,
ist nichts auf die Nachwelt gekommen. Nur aus ihren schön geformten Vasen und
Krügen können wir auf eine malerische Kultur schließen, auch hier ist Pompeji mit
seinen Überresten von Wandgemälden der Schlüssel zur malerischen Seele der Antike.

Die Tongefäße, welche die Jahrhunderte überdauerten und, in Museen aufgestellt,
uns Kunde geben vom künstlerischen Sehen der Griechen, zeigen früh schon figürliche
Darstellungen. Aus der orientalischen, rein schematischen Auffassung entwickelte sich
bei den Griechen eine Kunst von eigenartigem Stil. In Darstellungen aus dem Leben
der Helden, in Schilderungen des bürgerlichen Lebens entwickelten sie ihn in Verbin*
düng von großer Natürlichkeit mit einer ganz auf eine Linie gestellten Stilisierung.

Im Fayüm in Ägypten also fand man auf Mumien gemalte Porträte griechischer
Kunst, die etwa ins 3. Jahrhundert v. Chr. zurückgehen und die Köpfe noch sehr
schematisch zeigen. Ein Frauenbildnis mit anmutig gerundetem Kinn und einem freund*
liehen Mund hat aber noch Augen, die weitab von jeder anatomischen Beobachtung
sind, große schwarze Löcher ohne jeden Ausdruck. Dagegen sind Haar, Schmuck und
Gewand schon mit einer gewissen Treue gegeben.

Im »Parisurteil« auf einem Wandgemälde in Pompeji gibt es aber schon eine ganz
bewegte Darstellung des Herganges in einer recht lebendigen figürlichen Komposition.

Der sterbenden Antike folgte die altchristliche Kunst, deren erste große Zeugen
wir in den herrlichen Mosaikbildern bewundern, die noch heute die Apsiden und Wände

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