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Schmiedeberg-Blume, Else von [Hrsg.]; Mal- und Zeichen-Unterricht GmbH <Berlin> [Hrsg.]; Meru, Johannes [Mitarb.]
Handbuch und Lehrkursus für die Kunst des Zeichnens und Malens (Band 1): Grundlagen der Technik und Komposition: mit 213 einfarbigen und farbigen Abbildungen — Braunschweig, 1927

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.23972#0035
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Die Skizze

3. KAPITEL

Hilfsmittel beim Zeichnen

Habt Ihr nun Euer ganzes Material hübsch beisammen, so kann die Arbeit beginnen.

Selbstverständlich fangt Ihr mit dem Zeichnen an. Ehe wir aber auf die
einzelnen Techniken eingehen, möchte ich Euch ganz allgemein den Werdegang einer
künstlerischen Arbeit erklären, werde Euch noch einige Winke geben, wie man sich
bei Übertragungen, Vergrößerungen, Verkleinerungen usw. hilft.

Es ist selbstverständlich, daß man nicht gleich mit einem Bilde anfängt, sondern
damit beginnt, die Einzelform zeichnerisch zu meistern, dann lernt, sie in Verbindung
mit anderen Formen zu studieren, bis schließlich über den Weg der genauen Natur*
Studie die zusammenfassende Darstellung zu einem bildhaften Ganzen führt.

Anfang und Ende aller bildenden Kunst ist die Skizze. Das Skizzen*
buch ist das Notizbuch des Malers, in das er alle seine Beobachtungen einzeichnet.
Man macht einen Spaziergang, sieht, wie eine Straße sich windet, wie die Häuser in
abwechslungsreichem Nebeneinander oder in formaler Gleichmäßigkeit sich in gerader
oder bewegter, oft unterbrochener Senkrechte erheben, wie Telegraphen* und Telephon*
drähte, Beleuchtungskörper ein Netz von Linien über das Ganze spannen, wie das bunt*
bewegte Treiben von Menschen und Gefährten aller Art einen wunderbaren Kontrast
bildet zu den festen Formen der Architektur. Wie unendlich viel stürmt da ein auf
das schauende Auge, eine Flut von bildhaften Anregungen!

Da werden wir schnell den Bleistift zücken, unser Skizzenbuch hervorholen und mit
ein paar Strichen das Wesentliche der Gesamterscheinung festhalten. Bei der Skizze
noch mehr fast als bei der Studie kommt es darauf an, mit raschem Blick
die Hauptsachen zu erfassen, die Senkrechten der Häuser, die geneigten
Dächer, die hauptsächlichsten Proportionen. Ist das geschehen, so skizzieren
wir schnell noch einige Einzelheiten, vielleicht ein paar Häuser im Vordergrund, einen
Trambahnwagen, einige hastende Menschen oder spielende Kinder, ganz flüchtig, nur
um unser Gedächtnis zu unterstützen.

Dann gehen wir weiter und kommen an die Tore der Stadt. Befinden wir uns in
einer Großstadt, so ist das ja allerdings ein überholter Begriff, denn da ist schwer zu
entscheiden, wo das Weichbild der Stadt aufhört und Vorort oder ländliche Gemeinde
anfängt. Aber nehmen wir mal an, wir befinden uns in einer der vielen alten Mittel*
oder Kleinstädte, die wir ja, Gott sei Dank, noch in Massen haben. Das gibt es wirk*
lieh noch, alte Tore und Stadtmauern, und wenn es auch vielleicht nur ein paar Reste
sind, so sind sie um so malerischer. Also schnell wird das Skizzenbuch hervorgeholt,
und so ein alter Stadtturm mit verwittertem Mauerwerk schaut uns nach wenigen Mi*
nuten vom weißen Blatt schon anheimelnd entgegen. Weiter wandern wir die Land*
straße entlang zwischen Wiesen und reifen Kornfeldern. In der Ferne schneidet eine
blauviolette Höhenkette in den Himmel hinein, in dem leicht geballte weiße Wolken
schwimmen, dunkel wächst eine Gebüschgruppe im Vordergrund in die lichte Ferne,
ein kleiner Ausschnitt von fast banaler Alltäglichkeit und doch durch seinen Kontrast*
reichtum ein hochwillkommenes Motiv für unser Notizbuch. Wolken kann man nie
genug zeichnen; denn immer sind sie wieder anders. Unendlich reizvoll und
lehrreich ist ihr Studium. Der Himmel, den man in der Kunst nur mit dem
Ausdruck »Luft« bezeichnet, ist ja in jeder Landschaft ausschlaggebend für
den Stimmungscharakter.

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