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Schmiedeberg-Blume, Else von [Hrsg.]; Mal- und Zeichen-Unterricht GmbH <Berlin> [Hrsg.]; Meru, Johannes [Mitarb.]
Handbuch und Lehrkursus für die Kunst des Zeichnens und Malens (Band 1): Grundlagen der Technik und Komposition: mit 213 einfarbigen und farbigen Abbildungen — Braunschweig, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.23972#0046
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4. KAPITEL

Die Raum Verteilung

Eines der wichtigsten Probleme der Ästhetik ist die Raumverteilung, die auch im
praktischen Leben eine große Rolle spielt. Empfindung und Wissen gehören zu*
sammen, um eine befriedigende Lösung zu finden. Selbstverständlich ist auch das Raum*
problem ein kulturhistorisches, und jede Zeit hat ein anders geartetes Raumgefühl. Was
bei den alten Völkern noch unklares Tasten war, hat sich in Jahrhunderte alter Erfahrung
zu festen Formen verdichtet. Je mehr Kultur ein Volk hat, um so bewußter werden seine
Künstler die Raumfrage meistern. Jede Generation hat ihr eigenes System herausgearbeitet.

Damit Ihr das besser versteht, wollen wir mal ganz einfach und bescheiden mit der
reinen Fleckverteilung beginnen, und an der Hand der Abb. 64 wird Euch schnell klar
werden, worauf es ankommt. Als Zeichner und Maler habt Ihr es ja ausschließlich
mit der Fläche zu tun. Diese so aufzuteilen, auch im einfachsten Sinne, daß das ästhe*
tische Gefühl befriedigt wird, ist das erste Gesetz jeder Kunstübung. Ihr seht unten
links eine quadratische Fläche, die als solche langweilig wirkt, wenn sie auch in ihrer
Regelmäßigkeit schon eine Gliederung derselben darstellt. Die Abbildungen zeigen, wie ein
einfaches schwarzes Quadrat diese Fläche belebt. Fig. 2 wirkt aber ebenso wie Fig. 1 noch
unbefriedigend, weil der schwarze Fleck genau in der Mitte sitzt und deshalb eher als Loch
denn als Schmückung empfunden wird. Fig. 1 zeigt das Quadrat so auf die Ecke gerückt,
daß unser Gleichgewichtsgefühl empfindlich verletzt wird, denn die schwarze Masse drückt
die Fläche scheinbar nach unten, und man hat den Wunsch, ihr einen Stoß zu geben, damit
das Schwergewicht wieder hergestellt wird. Das ist nun in Fig. 3 durchaus befriedigend
gelöst, wo das Verhältnis der Schmuckfläche zu dem sie gleichschenklig umgebenden
Rechteck ausgleichend nach oben verschoben ist, d. h. es ist etwas über die Mitte gerückt

Figur 1 Figur 2 Figur 3

Abb. 64. Raumverteilung. Nur Figur 3 ist ausgeglichen und befriedigt das Auge

Raumverteilung

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