Hier schildert er in Bild 15, wie er, auf seinem Pferde sitzend, von zwei alten Bauern*
frauen angesprochen wird, die ihm ein Kind, ein liebes kleines Mädel, das sich an die
Schürze der einen Frau schmiegt, zum Kauf anbieten, vorgebend, das Kind gefunden
zu haben. Rechts vom Reiter, der vor der Dorflinde hält, die mit breitem Blätterdach
die Gruppe beschattet, steht ein Planwagen, und das Bäuerlein, dem er gehört, reckt
sich vor den Frauen, hell von der Sonne beschienen. Überhaupt ist das ganze Bildchen
von schönster Frühlingssonne durchflutet; die hinter den ersten Bauernhäusern Ver*
schwindenden sind fast aufgelöst im Licht, und nach vorn werfen Roß und Reiter einen
breiten Schatten über den Weg. Wie die Gesichter der beiden Alten, im Baumschatten
stehend, in feinerem Halbschatten zusammengehalten sind und doch so viel klare Zeich*
nung der Gesichtszüge zeigen, daß man den Ausdruck erkennen kann, das ist geradezu
köstlich. —
Danzig war übrigens nach der ersten Teilung Polens 1775 noch polnisch geblieben,
war aber rings von Preußen eingeschlossen. — So begegnen wir auf den Bildern sehr
viel polnischen Gestalten und Würdenträgern. Ein Bildchen zeigt einen Empfang beim
Starosten usw.
Zunächst aber, ehe er Danzig erreicht, kommt der Künstler auf ein Gut, wird vor
dem Landhaus bei Oliva, neben dem eine Kapelle steht, von zwei Herren im polnischen
Kaftan und der zierlichen Hausfrau im gebauschten Überwurf des Zeitgewandes emp*
fangen. Die drei Personen stehen erhöht auf einem Weg, der oberhalb einer Graben*
mauer vor dem Hause liegt. Eine kleine Brücke führt über den Graben, der durch
kräftigen Schatten kenntlich ist, auch ein breitastiger Baum gibt tiefen Schatten. Dies
alles ist sehr fest und bestimmt mit der Feder gezeichnet. Bild 25 zeigt das Geburtshaus
des Chodowiecki, ein typisches Danziger Patrizierhaus mit deutschem Renaissancegiebel
und gekrönt von einem stilisierten geflügelten Tier. Unten sind die Beischläge, links
und rechts Bäume, die sich klar und dunkel abheben und lebendige Schatten über die
zur Rampe führende Treppe und über die Mauer werfen. — Die Straße ist vom breiten
Schatten eines rückwärtigen Flauses zum Teil in Ton gelegt, während das alte Haus
selbst im Licht klar und nüchtern daliegt, wie es sich für ein richtiges Kaufmannshaus
eigentlich gehört.
Einen warmtonigen Innenraum, in dem ein altes Ehepaar beim Kaffee sitzt, zeigt
Bild 30. In der Mitte des Bildes ist ein breites Fenster, davor steht ein einfacher vier*
eckiger Llolztisch mit vier geraden viereckigen Beinen, der einen breiten Schatten auf
den Boden wirft. Links sitzt der Mann, rechts die alte Dame in ihrem bauschigen
Seidenkleid, unter dem kokett die hellen Spitzen der zierlichen Schuhe herausgucken.
Beide Figuren auf hohen Lehnstühlen sind im Halbschatten, d. h. sie sitzen gegen das
Licht, werden von diesem überstrahlt, so daß das Sonnengeflimmer beide Gestalten
umspielt und die beschatteten Gesichter mit ganz feinen Reflexen an der Nase und am
Kinn aufhellt. Eine solche Ausführung bei einem so kleinen Format ist etwas ganz
Außerordentliches.
Interessante Typen zeigen mehrere Blätter: alte Tanten, barmherzige Brüder, Jung*
fräuleins, die kniend im Gebet liegen und den Rosenkranz durch die Finger gleiten
lassen. Und wie diese Persönchen gezeichnet sind, wie jede Bewegung, jede Linie des
Körpers, des tiefgeneigten Hauptes, jede Gewandfalte, die feinen Schühchen in klaren
Linien dastehen! Diese Einzelfiguren sind fast alle mit spitzer Feder gezeichnet, sehr
fein im Umriß und nur mit einigen festen Tiefen im Schatten, den z. B. ein gesenkter
Kopf auf Hals und Kleid wirft, oder kräftiger Dunkelheit in den Gewandfalten. Reizend
100
frauen angesprochen wird, die ihm ein Kind, ein liebes kleines Mädel, das sich an die
Schürze der einen Frau schmiegt, zum Kauf anbieten, vorgebend, das Kind gefunden
zu haben. Rechts vom Reiter, der vor der Dorflinde hält, die mit breitem Blätterdach
die Gruppe beschattet, steht ein Planwagen, und das Bäuerlein, dem er gehört, reckt
sich vor den Frauen, hell von der Sonne beschienen. Überhaupt ist das ganze Bildchen
von schönster Frühlingssonne durchflutet; die hinter den ersten Bauernhäusern Ver*
schwindenden sind fast aufgelöst im Licht, und nach vorn werfen Roß und Reiter einen
breiten Schatten über den Weg. Wie die Gesichter der beiden Alten, im Baumschatten
stehend, in feinerem Halbschatten zusammengehalten sind und doch so viel klare Zeich*
nung der Gesichtszüge zeigen, daß man den Ausdruck erkennen kann, das ist geradezu
köstlich. —
Danzig war übrigens nach der ersten Teilung Polens 1775 noch polnisch geblieben,
war aber rings von Preußen eingeschlossen. — So begegnen wir auf den Bildern sehr
viel polnischen Gestalten und Würdenträgern. Ein Bildchen zeigt einen Empfang beim
Starosten usw.
Zunächst aber, ehe er Danzig erreicht, kommt der Künstler auf ein Gut, wird vor
dem Landhaus bei Oliva, neben dem eine Kapelle steht, von zwei Herren im polnischen
Kaftan und der zierlichen Hausfrau im gebauschten Überwurf des Zeitgewandes emp*
fangen. Die drei Personen stehen erhöht auf einem Weg, der oberhalb einer Graben*
mauer vor dem Hause liegt. Eine kleine Brücke führt über den Graben, der durch
kräftigen Schatten kenntlich ist, auch ein breitastiger Baum gibt tiefen Schatten. Dies
alles ist sehr fest und bestimmt mit der Feder gezeichnet. Bild 25 zeigt das Geburtshaus
des Chodowiecki, ein typisches Danziger Patrizierhaus mit deutschem Renaissancegiebel
und gekrönt von einem stilisierten geflügelten Tier. Unten sind die Beischläge, links
und rechts Bäume, die sich klar und dunkel abheben und lebendige Schatten über die
zur Rampe führende Treppe und über die Mauer werfen. — Die Straße ist vom breiten
Schatten eines rückwärtigen Flauses zum Teil in Ton gelegt, während das alte Haus
selbst im Licht klar und nüchtern daliegt, wie es sich für ein richtiges Kaufmannshaus
eigentlich gehört.
Einen warmtonigen Innenraum, in dem ein altes Ehepaar beim Kaffee sitzt, zeigt
Bild 30. In der Mitte des Bildes ist ein breites Fenster, davor steht ein einfacher vier*
eckiger Llolztisch mit vier geraden viereckigen Beinen, der einen breiten Schatten auf
den Boden wirft. Links sitzt der Mann, rechts die alte Dame in ihrem bauschigen
Seidenkleid, unter dem kokett die hellen Spitzen der zierlichen Schuhe herausgucken.
Beide Figuren auf hohen Lehnstühlen sind im Halbschatten, d. h. sie sitzen gegen das
Licht, werden von diesem überstrahlt, so daß das Sonnengeflimmer beide Gestalten
umspielt und die beschatteten Gesichter mit ganz feinen Reflexen an der Nase und am
Kinn aufhellt. Eine solche Ausführung bei einem so kleinen Format ist etwas ganz
Außerordentliches.
Interessante Typen zeigen mehrere Blätter: alte Tanten, barmherzige Brüder, Jung*
fräuleins, die kniend im Gebet liegen und den Rosenkranz durch die Finger gleiten
lassen. Und wie diese Persönchen gezeichnet sind, wie jede Bewegung, jede Linie des
Körpers, des tiefgeneigten Hauptes, jede Gewandfalte, die feinen Schühchen in klaren
Linien dastehen! Diese Einzelfiguren sind fast alle mit spitzer Feder gezeichnet, sehr
fein im Umriß und nur mit einigen festen Tiefen im Schatten, den z. B. ein gesenkter
Kopf auf Hals und Kleid wirft, oder kräftiger Dunkelheit in den Gewandfalten. Reizend
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