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Schmiedeberg-Blume, Else von [Hrsg.]; Mal- und Zeichen-Unterricht GmbH <Berlin> [Hrsg.]; Meru, Johannes [Mitarb.]
Handbuch und Lehrkursus für die Kunst des Zeichnens und Malens (Band 1): Grundlagen der Technik und Komposition: mit 213 einfarbigen und farbigen Abbildungen — Braunschweig, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.23972#0167
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Von dem Haus sehen wir die beschattete Giebelseite und die von der Sonne beschienene,
etwas verkürzte Front. Es ist weiß gestrichen, niedrig, hat ein Strohdach und grüne
Türen und Fensterläden. Der Himmel ist blau, zeigt nur ein paar verlorene weiße
Wölkchen. Wir zeichnen uns schnell deren Umrisse, da wir sie doch aussparen müssen,
und dann fangen wir an mit einem unserer großen Pinsel und malen ganz rasch und
flott mit hellem Kobaltblau die Luft herunter. Die Farbe muß fließen. Achtet genau
darauf, wo der Himmel am tiefsten ist, wo er am zartesten erscheint. Je näher dem
Zenit, der Himmelshöhe, um so dunkler wird er erscheinen; je näher dem Horizont,
um so zarter. So nehmen wir volle Farbe und fangen oben an, lassen dann nach unten
den Ton heller werden und zart ausklingen, wo er sich der Erde nähert. Ich will Euch
aber gleich Voraussagen, daß Ihr bei einem blauen Himmel manchmal verzweifeln werdet,
aber das laßt Euch nicht verdrießen. Es ist mit das Schwerste, eine gute Luft zu malen,
überhaupt und im Aquarell ganz besonders, aber wie in allem, so macht auch hier
Übung den Meister. Daß wir einen Himmel so glatt herunterstreichen, ist auch nur eine
Anfangsübung. Der Geübte wird sehen, daß es kein gleichmäßiges Blau ist, daß in so
einer blauen Luft der ganze Glanz des Farbenprismas spielt. Da gibt es Gelb und Rot
drin, aber so unendlich zart, daß es nur hineinspielen darf. Wie Ihr es technisch heraus*
bringt, die blaue Luft wirklich zur luftigen Erscheinung in Eurem Bilde zu machen,
das müßt Ihr ausprobieren. Es bildet sich ja jeder mit zunehmender Beherrschung der
Technik seine eigene Sprache aus. Ich gebe Euch nur die kurze Anleitung zum Be*
ginnen. Also wir haben unsere Luft gemalt, die Wölklein fein ausgespart, und nun geben
wir ihnen ein klein wenig Form mit einem leichten Grau oder Violett auf der unteren
Schattenseite, einem Hauch von Gelb an der Lichtgrenze, vielleicht nur als lockeren
Strich. Nun kommt der feine Höhenzug, der in einem etwas dunkleren Blau erscheint
als die Luft, vielleicht auch etwas Violett, dann nehmen wir ein klein wenig Rot in
das Blau.

Ist die Form fertig, so nehmen wir schnell, ehe die Ränder ganz trocken werden,
ein lichtes Grün in den Pinsel, lassen in der Ferne ruhig noch einen Schimmer von
Blau hineinlaufen, aber nur so, daß es einen ganz lichten grünen Ton gibt, der um so
farbiger genommen wird, je weiter wir damit nach vorn kommen. In der Regel enthält
das Grün der Wiesen viel Gelb, besonders, wenn die Sonne daraufscheint, also könnt
Ihr nach dem Vordergründe zu etwas Kadmium hell hineinspielen lassen. Sind wir so
weit gelangt, so ist es an der Zeit, nun auch als Gegengewicht zu dem vielen Licht die
Kraft der beschatteten Hausgiebelwand einzusetzen. Sie wird, wenn die Sonne scheint,
blauviolett wirken, und so brauchen wir eine Mischung von Kobaltblau mit ganz wenig
Krapplack. Ultramarinblau ist eine gefährliche Farbe, da sie sehr scharf färbt und dann
leicht etwas Hartes bekommt. Sie ist also besser nur da zu verwenden, wo wir ein
dunkles Blau brauchen, oder aber wir müssen sie sehr verdünnen. Eine kleine Zwischen*
bemerkung will ich hier einflechten. Der Schatten von Weiß wird immer blau er*
scheinen, je gelblicher das Weiß ist, um so mehr wird aber das Blaue ins Violett spielen.
Zur Mischung von violetten Tönen ist Ultramarin oft besser als Kobalt,
weil es schon etwas Rot enthält. — Die hell beleuchtete Flauswand lassen wir zunächst
weiß stehen und malen uns erst mal die Bäume, die hinter dem Hause stehen. Wir
geben ihnen zuerst den Lichtton, den sie an ihren besonnten Stellen haben, allerhellstes
bläuliches Licht, das manchmal im Grün vorkommt, muß ausgespart werden. Schnell
das Grün der Vordergrundsträucher und den gelblichen Ton der Landstraße eingesetzt,
und die erste Anlage unseres Kunstwerks steht auf dem Papier.

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