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Schmiedeberg-Blume, Else von [Hrsg.]; Mal- und Zeichen-Unterricht GmbH <Berlin> [Hrsg.]; Meru, Johannes [Mitarb.]
Handbuch und Lehrkursus für die Kunst des Zeichnens und Malens (Band 1): Grundlagen der Technik und Komposition: mit 213 einfarbigen und farbigen Abbildungen — Braunschweig, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.23972#0195
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Außenräume

Männer stehen, Licht, aber die Hauptlichtquelle ist offenbar ein vorderes Fenster, das
man nicht mehr sieht. Im Tagesschein, der dadurch hereinflutet, sitzt die Hauptgruppe,
der den Ehevertrag ausfertigende Beamte und die Eltern am Tisch. Im Mittelgrund
steht das junge Paar, und durch das helle Licht, das die Gestalten überstrahlt, werden
diese so herausgehoben, daß der Raum dahinter, der sich nach rückwärts zieht und
in welchem man noch eine geschlossene Tür bemerkt, ganz im Halbton liegt. Rechts
schaut man durch einen offenen Bogen in einen Nebenraum, dessen gewölbte Decke
eine Bogenkonstruktion ahnen läßt. Ein Fenster mit farbigem Glas und Bleiverglasung
macht fast den Eindruck, als gehörte es einer Kapelle an, aber die weltliche Einrichtung
und die darin hantierenden Personen nehmen diesen frommen Glauben wieder. Vorn
liegt ja auch das große Faß, das eben zur Feier des gewichtigen Aktes frisch angesteckt
wird. Ein niedriger geschnitzter Sessel im Vordergrund und die reiche Decke, die den
Tisch bedeckt, sprechen für eine wohlhabende Einrichtung. Der Boden besteht aus
großen Fliesen. Also ein echtes Stück holländischen Lebens mit allem Drum und Dran.

Das Interieur ist seitdem ein fester Bestandteil des Bildes geworden, sei es als eine
Milieuschilderung, sei es als selbständiges Kunstwerk. Jede Kunstrichtung hat seitdem
ihre besonderen Verherrlicher schöner Innenräume gehabt, namentlich der Impressionist
mus begünstigte dieses Stoffgebiet in der Darstellung. Was für wunderbare Licht* und
Farbeneffekte gleißende Sonnenstrahlen, die durch hohe Fenster einfallen, hervorzaubern
können, haben gar viele Maler uns geschildert, und das sind immer dankbare Objekte
für jeden Kunstbeflissenen. Das rein Zeichnerische wird dabei in den seltensten Fällen
so dominieren, daß es zum Selbstzweck werden kann; aber Farbe und Licht könnt Ihr
im Interieur mit inniger Freude studieren.

Neben das Interieur hat auch das Exterieur sich gleichberechtigt gestellt. Man
versteht darunter die Blicke nach außen, in Höfe und Gärten, in Scheunen und Ställe.
Auch die Schilderung von anderen engbegrenzten Räumen fällt unter diesen Begriff.
Das Exterieur ist ein Grenzgebiet der Landschaft und tritt gleichzeitig mit dieser und
dem Interieur in der Geschichte der Kunst auf, und besonders südliche Gegenden, in
denen sich das Leben vor den Fläusern abspielt, geben zu derartigen Schilderungen
Gelegenheit. Auch Höfe in Schlössern oder Klöstern, Kreuzgänge, die oft auch durch
spielende Lichter etwas Zauberhaftes, Verträumtes bekommen, waren, sind und werden
stets eine Fundgrube für den Maler sein. Es gibt kaum etwas Stimmungsvolleres, als
in einem abgeschlossenen Klosterhof zu sitzen, die zierlichen Säulen, die den Kreuz*
gang tragen, zu studieren und die hineinhuschenden Lichter in ihrem neckischen Spiel
zu verfolgen und sie auf Papier oder Leinwand zu bannen. Im Norden wie im Süden
gibt es mannigfach Gelegenheit zu solchen Studien, die das Nützliche, nämlich das
exakte Zeichnen von Architektur, verbinden mit dem Angenehmen, und das ist die
Freude an Licht* und Farbenwirkungen.

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