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610 Napoleon, politisch und militärisch geschildert von Bade.

stens war die Annahme der Schlacht am 2. ein Fehler. Es ka-
men aber hier politische Rücksichten ins Spiel. Man wollte das
Geschick des Heeres, auf welches das in der Erhebung- begriffene
Europa seine Blicke gerichtet hatte, nicht compromittiren und that
deshalb vielleicht zu wenig, indem mau sich aller Offensive ent-
hielt: man wollte aber auch den jüngst erkämpften Waffenruhm
auffrischen, und that deshalb, obwohl in der unfruchtbarsten De-
fensive beharrend, wieder etwas mehr, als nöthig und räthlich war,
indem man auch noch am 21. die Schlacht, die im glücklichen
Falle keinen Sieg, und im schlimmsten Niederlage und grossen
Verlust herbeiführen konnte, annahm.
Am Schlüsse dieses ersten Theils macht der Verf. über den
vor der Schlacht bei Bautzen entworfenen, später ausgeführten
Zug der Franzosen gegen Berlin folgende ruhige und einleuch-
tende Bemerkungen, S. 202:
Napoleon wollte ohne Zweifel durch die Einnahme von Berlin
den moralischen Eindruck, den die, durch ganz Europa verkün-
digte Botschaft des Sieges von Lützen hervorgebracht haben
konnte, erhöhen. Dieser Sieg, der Rückzug der Verbündeten und
die Eroberung von Berlin sollten dann ein Ganzes bilden, das den
erwachenden Muth der sich erhebenden Völker und Fürsten herab-
drückend, Napoleon entweder den Weg zu einem ruhmvollen Frie-
den bahnen, oder die Schwerter der schwankenden Freunde in der
Scheide erhalten sollte. — Aber Napoleon war hinsichtlich der
Wichtigkeit des Besitzes von Berlin im Irrthume, welcher Irr-
thum, wie wir später sehen werden, ihn während des ganzen Ver-
laufes (etwas correcter könnte die Sprache des Verf. wohl seyn)
des Feldzuges nicht verliest In Kriegen, welche ein Fürst ohne
aufrichtige Theilnahme des Volks, nur auf sein Heer gestützt,
führt, ist der Besitz der Hauptstadt, indem sie der Mittelpunkt
aller Ressorts der Regierungsactivität ist, von hoher Bedeutung
für die kriegführenden Theile und der Verlust derselben und ei-
niger Schlachten lässt selten dem geschlagenen Theile eine an-
dere Alternative, als die eines gänzlichen Untergangs oder eines
schimpflichen Friedens. Der Beispiele dieser Art, die uns die
neuere Geschichte darbietet, musste Napoleon sich um so gewisser
erinnern, da er selbst in denselben die Rollo des Siegers gespielt
hatte. Jedoch hatte sich die Lage der Dinge sehr verändert. Der
Krieg, der jetzt geführt wurde, war ein enthusiastischer Kampf
der Völker gegen fremde in Napoleon's Gewaltherrschaft sich con-
centrirende Unterjochung. In solchem Kriege hat der Besitz der
 
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