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Magnin: Les Origines du Thdätre.

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die einst frugalen Römer, und, feinerer Genüsse fast unempfäng-
lich, befriedigten sie endlich ihre rohe Schaulust nur durch scham-
lose Darstellungen der Mimen und Pantomimen, oder durch Gla-
diatorenblut, das selbst ihre Gastmäler befleckte, und durch die
Thicrschlachtereien der Amphitheater. Der hellste Punkt ihrer
Tbeafergesehichte ist jene verhängnissvolle Zeit, als nach Kar-
thago’s Zerstörung der überladene Freistaat sich zur Alleinherr-
schaft hinneigte. Damals blübeten noch hinter einander die späten
Sommer- und Herbstblumen, Ennius, Plautus, Pacuvius, Attius,
Terenz, einige Atellanendichter und die geistreichen Mimographea
Laberius und Syrus. —
Der Verf. geht nun zu seinem eigentlichen Werke über, und
erzählt im ersten Tbeile desselben die Geschichte des dramatischen
Genies der Römer vom 1. bis zum 7. Jahrhundert unserer Zeit-
rechnung, als unter dem eisernen Fusstritt der Barbaren die letzte
Spur des griechischen und römischen Theaters verschwand. Vom
1. bis zum 4. Jahrhundert behält das Heidenthum noch die Ober-
hand, das ermattete Rieseuvolk concentrirt alle seine Kräfte, Kün-
ste, Reichthümer in der Weltstadt Rom, die daher fast ausschlies-
send den Blick des Geschichtschreibers auf sich heftet. In der 2.
Periode seit Konstantin erregt auch der Orient Aufmerksamkeit,
und neben Rom erhebt sich zu ähnlicher Höhe Konstantinopel.
Das erste Kapitel dieses Theils hat die Ueberschrift ,,Stummes
Schauspiel“ (Drame muet), weil in jener Kaiserzeit die Musen
fast schwiegen und körperliche Spiele in Italien und Griechenland
überhandnahmen. Im Circus und im Amphitheater sah man Wett-
rennen, nicht allein von Pferden und Wagenführern, von Löwen,
Tigern, Hirschen, Elephanten, sondern auch von Hunden, Kamee-
len, ja — so weit ging der Wahnsinn einiger Gewalthaber —
von nackten Weibern. Kaiser selbst kutschirten, Gladiatoren, so-
wohl öffentliche als von Privaten gedungene, trieben ihr Hand-
werk; Prinzen mischten sich unter sie; Zwerge und Weiber tra-
ten in die Schranken. Dazu kamen die Wunder der Naumachieen,
die Ueberschwemmung der Schauplätze mit Raubthieren Asiens und
Afrika’s, die man dort gegen einander oder gegen Verbrecher
(diese manchmal im Kostüm eines Orpheus, damit wirkliches Blut
floss) losliess oder jagte; auch komische Kämpfe von Löwen mit
Hasen, Possenspiele abgerichteter Bären, Obscönitäten der Mythen
von Leda und Pasiphae. Sowohl im Circus als auf dsm Theater
hatten Taschenspieler und Seiltänzer Gerüste. Aber schon seit
August liefen die Pantomimen fast allen andern Arten öffent-
licher Darstellungen den Rang ab, theils wegen der Sinnenreize,
womit sie reichlich ausgerüstet waren, theils w'egen ihrer allge-
mein verständlichen Zeichensprache unter einer so Ungeheuern
Menge der verschiedensten Völker, die Roms Scepter unter sich
vereinigte Mit ausführlichen Erörterungen dieses interessanten
Kunstzweiges beschliesst Hr. M. den ersten Band seines Werkes,
von dessen Fortsetzungen wir späterhin zu berichten denken.
IJ r. Boi he.
 
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