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Schöne Literatur.- König Kodius. von Stahl

— in der Druckerei liegen geblieben? Ohne eine solche ist in
der That Clotildens Raserei so gut als gar nicht erklärt, ohne
eine solche könnte das sonst so sorgfältig durchgearbeitete Stück
auf dem Theater, auf welchem es sich mit den nöthigen Abkür-
zungen auf Einen Abend beschränkt, gewiss gut ausnehmen wür-
de, unmöglich sein Glück machen.
Ein anderer, eben so schwer begreiflicher Fehler ist, dass
Marse ha 11 Victor und die übrigen französischen Gefangenen
Schilfs nur hinter der Scene vorübergeführt werden und diese
herrliche Gelegenheit, uns den Eroberer mit allen seinen Planen,
seine Heerführer, seine Armee, das ganze Wesen der französi-
schen Occupation vors Auge zu rücken, dass diese von der Ge-
schichte gebotene Nöthigung rein unbeachtet bleibt. Das hätten
Shakspeare und Schiller anders gemacht.
Manche Nebenscene könnte gegen diese beiden Desiderien
wegfallen, und vielleicht nimmt sich der Verf., der in seinem Dra-
ma etwas im Uebrigen Durchdachtes nnd Würdiges geliefert hat,
diese redlichen Wünsche seines Recensenten doch zu Herzen.

Hat zu Nr. I. Novalis sammt Tieck, zu Nr. II. Schiller das
Vorbild gegeben, so ist Nr. III., König Codrus, „eine Missge-
burt derZeit, von Karl Stalilu den Fussstapfen Plate ns in jener
eigenthümlich komischen Darstellung gefolgt, die nicht nur die
moderne Zeit mit ihren Thorheiten unverblümt auf den Schauplatz
des Alterthums verlegt, sondern auch die dümmsten Personen mit-
ten unter ihren Albernheiten Witziges, Kluges, Wahres und
Sqhönes verkündigen lässt, alles miteinander in den gewählte-
sten klassischen Formen. So schwingt auch dieser Dichter über
alle mögliche Zustände unsrer Zeit in einer Menge deutliche-
rer oder dunklerer Anspielungen die Geisel der Satire mit je-
ner bekannten Gattung von kaltem, treffenden Spotte seines Mei-
sters. Die politischen Witze scheinen, nach dem schönen Vor-
wort an die Brüder Grimm, von der Censur ziemlich beschnitten
worden zu seyn. Er sagt:
Diess halbe Lied, da mir ein ganzes nicht vergönnt
Zu singen war vor zagen Ohren, welche kaum
Die Hälfte dulden und der andern Hälfte sich
Sorgsam verschliessen, bring’ ich heitern Muthes dar.
Der Welt genüg’ es! Freunden zu geheimer Lust
Zeigt ganz der Dichter, was die Welt nicht ganz erträgt.
 
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