Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Schöne Literatur: Hirtz, Gedichte

87!>

jn zärtlicher Umarmung mische
Sich unsrer Häupter Silberhaar.
Erinnrung pflückt dann ihre Beete,
Und wenn das Herz in süssem Drang
Und Ueberschwang,
Wie’s jung kaum sprang,
Sieh jedem. Gram der Sterblichen entrang:
Dann, hundertjähr’ge Margarethe,
Hat unser Lied den rechten Klang.
Wer es selbst versucht hat, weiss, was es heisst, so über-
setzen.

Nr. XVII uud XVIII. Zu guter Letzt noch zwei deutsche
Herzen und Zungeu über dem Rheine, das eine der Drechsler-
meister Georg Daniel Hirtz, das andere August Lamey,
ein alter deutscher Freund der Freiheit von 1789, beides Strass-
burger. Ein zweckmässiges Vorwort von Hrn. E. Reuss führt
durch eine Schilderung des deutschen Meistergesangs den erstem
der beiden Dichter ein. „Schon als zwölfjähriger Junge der
Schule entnommen und zum Handwerk gethan“ — erzählt dieser
mit einer etwas französischen £>prachwendung — „sind seine Lehr-
und Wanderjahre auch in der edeln Reimkunst längst vorbei. In
die Vaterstadt zurückgekehrt, hat er viele Jahre als Geselle ge-
arbeitet auf der liederreicben Zunftstube in der Helenengasse, wo
jeden Mittwoch und Samstag uns ein lustiges Gericht von Rei-
men und Räthsein geboten wird. Jetzt sagten ihm die Freunde,
es wäre Zeit, dass er sich zur Meisterschaft meldete, und so
kömmt er heute, von einem Jugendfreunde eingeführt, der vor 25
Jahren neben ihm auf der Schulbank sass, vor den geneigten Le-
ser, und bringt das schuldige Meisterstück mit.“
Nun, und welches ist dieses Meisterstück, fragt die Kritik,
und antwortet nach gehörig genommener Einsicht: Nicht die hoch-
deutschen Gedichte des Vesfassers sind es, so sprachgerecht, be-
redt, gefühlvoll, fliessend sie sind, denn im Grund sind sie alle
mehr oder weniger eben doch nur gedrechselte Arbeit, wie es
deren auch sonst gibt; selbst nicht das sehr artige, Schiller’s
Glocke nachgebildete Lied vom Drechsler, welches vielleicht ein
Meisterstück geworden wäre, wenn der Verfasser im fremden,
hochdeutschen Idiom seinen Humor hätte spielen lassen können;
 
Annotationen