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94«

Binder: Schiller im Verhältnis zum Christenthura,

laos, gedenkt? Besonders ausgezeichnet sind — eine seltene Er-
scheinung in der griechischen Welt — seine Frauen: eine Jo-
kasta, Alceste, Iphigenia, Polyxena, Elektra, Makaria wetteifert
mit Homers Andromache, Penelope, Nausikaa an Geist, Hoheit
und Liebenswürdigkeit Desgleichen ist sein Bewusstseyn des
Götterwaltens unläugbar: man erinnere sich nur an den frommen
Nachruf des Chors in der Alceste, Andromache, Medea und eini-
gen andern Stücken:
XIoAXgjc Zecc, iv 'Q'kvpncp,
(oder: XIoAXat popcpal rwv fiat[lotnoov),
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Viel ordnet der Menschheit Zeus im Olymp,
t Vielfach ist der Schickungen Wechselgestalt,)
Viel gibt unverhofft göttlicher Ratschluss,
Und das Erwartete bleibt unvollendet.
Denn die Gottheit fügt, was unmöglich gedäucht.1
Auch der deutsche Aristoteles, der behutsam die Grenze zwi-
schen Gefühl und Erkenntnis® zog, hätte wohl eine mildere Be-
handlung verdient, als ihm Bd 1. S. 32. und Bd. 2. S. 61 f. wi-
derfährt. Doch wird die Unbill einigermassen durch die Charak-
teristik des grossen Mannes, die man Bd. 2. S. 79ff. liest, ver-
gütet, und Hr. B. gibt uns hier, wie es scheint, seine eigene An-
sicht, im Gegensatz mancher andern Steilen, wo er aus Beschei-
denheit hinter fremde, nicht immer unparteiische Autorität zurück-
tritt. Wie mächtig Kaufs idealische Philosophie auf Schiller
wirkte, ist bekannt. Sie griff befestigend in die natürliche Rich-
tung seines Geistes ein, sammelte ihn immer mehr in sich selbst
und steigerte sogar leider! seine Anforderungen an die Kunst bis
zur Verkennung des Entgegengesetzten, wie sie sich in der in-
quisitorischest Recension Bürgers zeigt, eines acht deutschen Dich-
ters, dem an Naivetät, Eigentümlichkeit und Sprachkraft Wenige
gleichkommen. Tautaene animis coelestibus irae? —
Der Mangel an Raum hindert uns, dem Verf. weiter auf sei-
nem interessanten Wege zu folgen. Wir verlassen ihn mit auf-
richtigem Dank und wünschen, dass er bald Muse findest möge,
die Bd. 2. 8. 210. erwähnten Aufsätze über „Schiller als Tragi-
ker und als Mensch“ zu vollenden und dem Publicum mitzutbei-
len. Besonders auf den zweiten sind wir gespannt und hoffen.
 
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