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Hoffmeister: Briefe aus Indien.

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in die zuletzt durchzogenen Gegenden. Beinahe die ganze Gebirgsrei^e,
wenigstens einhundert und achtzig deutsche Meilen, wurde zü Fuss zu-
rückgelegt, und dabei kamen Erhebungen von 15,000 Fuss vor, also
mehr wie Montblanc-Höhe. Viele Mühseligkeiten waren zu überstehen,
ganze Tage hindurch musste man im halbgeschmolzenen Schnee, oder bis
an die Knie im eiskalten Wasser badend, mit steifgefrornen Händen
Brücken über reissende Bergströme bauen, schwindelnde Abhänge erklim-
men, und dabei von zähem Bocksfleisch und von hartem Schiffszwieback
leben. — Von Tschini führt der Verf. seine Leser in diesem Briefe bis
Namdja. you wo aus es endlich glückte, die Grenze Tübets zu über-
schreiten. Unter den, diesen Abschnitt der Reise betreffenden, Mitthei-
lungen heben wir folgende hervor. Im Dorfe Pangi haben die Häuser
das Eigenthümliche, dass sie mit einer Hälfte im Berge stecken; es wird
nicht schwer, auf die platten Dächer derselben zu gelangen und, von
einem zum andern springend, eine Uebersicht des Ortes und des Thaies
zu gewinnen. Letztere ist entzückend: schwarze Cedernwälder, hohe
Granitmauern, Schneeberge und der wildbrausende Sutledsch, der unter-
halb Pangi in grausenhafter Tiefe eine starke Krümmung macht. Hin und
wieder schweben kleine Dörfer mit grünen Terrassen umgeben; man be-
greift nicht, wie Menschen in solchen Höhen ihr Geschäft treiben kön-
nen, eine Lawine, ein Schneesturz, ja ein heftiger Regenguss müsste die
Wohnungen der Tiefe zuführen. Nicht fern von Pangi sind die wunder-
baren Manneh paddehungs, die Gebetsteine, regelmässig zusammengesetzte
Steinhaufen, wie lange schmale Altäre gestaltet, die obere Fläche ganz
mit glatten Schieferstücken bedeckt, welche alte Inschriften in tübetischen
Charakteren tragen, wovon einzelne als wahrhafte Musterstücke der Sculptur
dienen können. Die Lamadiener sehen diese Gebetsteine mit wahrer Ehr-
furcht an, um so mehr, je grösser der Haufe ist. Unfern des Weilers
Jengere, wo man in einer Einöde das Lager aufgeschlagen hatte, er-
reichten Abgesandte des Rajah von Ghurwal die Karawane. Sie begrüss-
ten den Prinzen im Namen ihres Gebieters und überbrachten Geschenke,
hauptsächlich bestehend in schönen nepaulesischen Dolchen und Krumm-
säbeln, in Moschusbeuteln, Nerbissi-Wurzeln fein sehr hochgeschätztes
Arcanum, das alle Krankheiten heilen soll), kostbare Shawls u. s. w.
Auf der Höhe des Passes, welcher den Namen Errengkhal trägt, bietet
sich ein herrlicher Blick dar auf die Gebirge des chinesischen Gebietes,
des Purgeul. Wie gewöhnlich fanden sich auch auf dieser Höhe Denk-
steine, oder Steinhaufen, am Wege errichtet, zu denen jeder Reisende
seinen Beitrag liefert. Eines der grössten Dörfer im Gebirge dürfte Ka-
 
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