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Nr. 48.

HEIDELBERGER

1849

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

laiise, Königin von Preussen«

(Schluss.)
„Nach alle dem dürfen Sie jetzt nicht mehr fragen; Sie finden nichts
als ein viereckiges Bassin von Baumstrünken umgeben. Alle die prächti-
gen Linden sind vor wenigen Wochen (1804) abgehauen worden. Wer
hat das befohlen? rief ich empört. Die kurfürstliche Hofkammer,
w£ir die Antwort. Die dicken Bäume geben schönes Holz und — die
Forellen im Brunnen konnten den allzukühlen Schatten nicht ver-
tragen.“ —- Wendet man sich von diesen örtlichen, den Reisenden je-
doch nicht gleichgültigen Kleinigkeiten nach Berlin, so wurde hier die
Kronprinzessin mit ihrer Schwester Friederike, der Braut des
Prinzen Ludwig, in einem wirklich freiwilligen Prunk- und Freudenzuge
von der Bürgerschaft empfangen, bald darnach am 24. Dezember 1793
dem Preussischen Kronprinzen und künftigen Könige Friedrich Wil-
helm III. vermählt. Als bei dem Anlass die dichten Volkshaufen im
Schloss den Weg so zu sagen sperrten, rief der etw as wohlbeleibte Brautvater
gemüthlich den Leuten zu: „Braucht euch nicht zu geniren, Kinder!
Der Brautvater darf sich heut nicht breiter machen, als die Brautleute“
(S. 71). — Fortan gewährten die helle, lebensfrohe Gemüthsstimmung
der Frau und der in sich gekehrte Ernst des von Natur milden Mannes
Bedingungen und Mittel eines wahrhaft glücklichen Familienlebens, aus wel-
chem viele, zum Theil weniger bekannte Züge von dem Verfasser her-
vorgehoben werden. Die Thronbesteigung (1797) änderte darin nichts.
„Ich bin Königin, schrieb Luise ihrer Grossmutter, und was mich dabei
am meisten freut, ist die Hoffnung, dass ich nun meine Wohlthaten nicht
mehr so ängstlich werde zu zählen brauchen!“ (S. 87). — Diess ge-
schah auch in der That; viele Bedrängte fanden Hülfe, viele gemein-
schädliche Vorurtheile offene Rüge; das bescheidene Verdienst wurde er-
muntert, die anmassliche Eitelkeit abgewiesen; der offene und liebenswürdige
Tadel liess dabei keinen Stachel der Empfindlickeit und des Hasses zu-
rück. So tanzte auf einem Balle der König mit einer Dame, welche
die adeligen Herren wegen der bürgerlichen Geburt nicht zum Tanze auf -
gefordert hatten, so nahm sich die Königin bei einer grossen Cour in
LXII, Jahrg. 5. Doppelheft, 48
 
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