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Nr. 50. HEIDELBERGER 1849.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Kurze Anzeigen.
(Schluss.)
Geht man in diese Ansicht ein, so wird damit ein grosser Theil
dessen, was zu der Annahme einer doppelten Recension oder namhaf-
ter Interpolationen von Seiten späterer Grammatiker dienen sollte, sich
weit leichter beseitigen lassen, ohne ein besonderes Befremden zu erregen.
Wenn in dieser Hinsicht insbesondere die öfters in dem Werke des Lucretius
vorkommenden Wiederholungen nicht blos einzelner Verse oder Phrasen, sondern
ganzer Sippschaften von Versen Schwierigkeiten und Bedenken erregen, indem
diese ederholuns en in einer Weise stattfinden, die zu auffallend ist, um als
ein bloses W erk des Zufalls zu erscheinen, wie z. B. die fünf und zwanzig
Verse Buch I, 925, seqq. die sich zu Anfang des vierten Buchs wiederholen, so
zeigt der Verfasser, wie wenig damit geholfen, und wie wenig überhaupt die
Schwierigkeit dadurch gelöst wird, dass man an der einen oder andern Stelle
diese Verse auswirft, und damit meist nur den Zusammenhang stört, in dem
diese Verse mit den übrigen Versen, sowohl denen, die vorangehen, als denen,
welche nachfolgen, stehen. Was die eben genannten Verse des 1. und 4. Buchs
betrifft, so war von dem Verf. schon früher gezeigt worden, wie sie im ersten
Buche gar nicht entbehrt werden können, ohne Verletzung des Zusammenhangs
und des ganzen Ideengangs, den der Dichter genommen hat, jetzt zeigt er aber
auch in dieser Schrift, wie diese Verse eben so wenig im vierten Buch,
wie unlängst ein anderer Gelehrter vorschlug, zu entbehren sind, und wie selbst
äussere Zeugnisse — ein viermaliges Citat dieser Verse bei Nonius — für ihre
Beibehaltung an dieser Stelle sprechen. Man wird daher auch nicht mit der
Annahme sich helfen können, dass, da der Dichter selbst doch unmöglich in
einer so grellen Weise sich wiederholt haben könne, ein Leser entsprechende Stellen
des Buehs an verschiedenen Orten am Rande sich bemerkt habe, die dann ein
ungeschickter Abschreiber in den Text mit aufgenommen! Dies wäre immerhin
eine Interpolation, wenn auch keine absichtliche, sondern absichtslose, und diese
Interpolation wäre am Anfang des vierten Buchs wahrhaftig eben so auffallend,
wie in dem ersten Buch, da an beiden Orten diese Verse nicht zu entbehren
sind. Und nicht anders steht es mit so manchen andern Wiederholungen. „Die
einzelnen Verse, sagt der Verf. S. 8, welche an verschiedenen Stellen und in
verschiedenen Büchern oft drei bis viermal, entweder gar nicht oder wenig
verändert, wiederkehren, sind bestimmt, mit wenigen, leicht erkennbaren Aus-
nahmen, an jeder Stelle ursprüngliche, integrirende Theile des Gedichts“;
hiernach also sind diese Verse, die sich wiederholen, nicht durch Zufall, nicht
durch Abschreiber oder Grammatiker mit oder ohne Absicht in den Text ge-
XLII, Jahrg. 5, Doppelheft. 50
 
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