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Luise, Königin von Preussen,
nördlichen, aufnehmen. Dennoch war auch hier die Zersplitterung be-
reits so weit gediehen, dass der Rheinbundsprotektor sich dem Sächsi-
schen Churfürsten als Befreier und Schirmer der Souveränetät in Aufru-
fen und Handlungen darstellen konnte. „Sachsen! hiess es unter anderrn
am 10. October, die Preussen haben euer Land überfallen; ich betrete
dasselbe, euch zu befreien. — Ihr sollt euer Blut vergiessen, nicht nur
für ein fremdes, sondern sogar für ein euch entgegengesetztes Interesse.
-— — Doch, was sage ich? Haben sie (die Preussen) nicht alles ver-
langt? nicht schon längst versucht, euern Beherrscher zur Anerkennung
einer Oberherrschaft zu zwingen, die unmittelbar euch aufgelegt, euch
aus der Kette der Nationen reissen würde?“ u. s. w. Ferner ist ge-
schichtlich klar, dass Preussen, abgesehen von den militärisch - politi-
schen Gebrechen, hauptsächlich desshalb den Sieg verlor und die schmäh-
lichste Niederlage erndtete, weil es den nordischen Bund zu spät und
zu schlecht? einrichtete. Statt schon im Frühling in leichter Voraus-
sicht des Kommenden mit den Voranstalten fertig zu seyn, theilte es erst
gegen Ende des Augustmonats den vorläufigen Plan mit und liess sich
dabei trotz der bereits erhaltenen Einwilligung in neuen diplomatischen
Briefwechsel mit Napoleon ein,, dafür von diesem doppelt und drei-
fach betrogen. Es ist überhaupt ein halbes Wunder, dass ein Haug-
witz und Lombard den wahrscheinlich von Hardenberg und
Beyme, vielleicht auch Stein, entworfenen Plan des norddeutschen
Bundesstaats auch nur formell berücksichtigen konnten. Bei grösse-
rer Kraft und Umsicht war er allerdings ausführbar; wo Gründe nicht
genügten, da mussten handgreifliche Kräfte nachhelfen, ein leidiges Mit-
tel, dessen man bei dem guten Willen der meisten Theilnehmer wahr-
scheinlich nicht einmal bedurft hätte. Hannover bildete dabei richtig
behandelt keine erhebliche Schwierigkeiten; denn Preussen verfügte
ja provisorisch über dasselbe und konnte sich für den künftigen Bund
leicht mit England ins Einvernehmen setzen. In staatlicher Bezie-
hung enthält der Entwurf für unsere Gegenwart manchen beherzi-
gungswerthen Wink; sie kann von ihm lernen, dass Einheit (Centrali-
sation) und Staatenbund (Föderation) keinen unvereinbaren Gegen-
satz aufstellen, indem dort Kaiserthum, Direktorium und Con-
gress (Reichstag), hier Stetnd (Staat) und Kreis den Faktor bilden.
An ein Repräsentanten- oder Volks haus dachte man aber nicht,
weil damals für Teutschland ein politischer Begriff der Art fehlte,
die Gegenwart aber ihn allerdings, wenn auch bisher fruchtlos, zu fin-
den trachtet. Die Scheidung in Nord und Süd war damals durch den
Luise, Königin von Preussen,
nördlichen, aufnehmen. Dennoch war auch hier die Zersplitterung be-
reits so weit gediehen, dass der Rheinbundsprotektor sich dem Sächsi-
schen Churfürsten als Befreier und Schirmer der Souveränetät in Aufru-
fen und Handlungen darstellen konnte. „Sachsen! hiess es unter anderrn
am 10. October, die Preussen haben euer Land überfallen; ich betrete
dasselbe, euch zu befreien. — Ihr sollt euer Blut vergiessen, nicht nur
für ein fremdes, sondern sogar für ein euch entgegengesetztes Interesse.
-— — Doch, was sage ich? Haben sie (die Preussen) nicht alles ver-
langt? nicht schon längst versucht, euern Beherrscher zur Anerkennung
einer Oberherrschaft zu zwingen, die unmittelbar euch aufgelegt, euch
aus der Kette der Nationen reissen würde?“ u. s. w. Ferner ist ge-
schichtlich klar, dass Preussen, abgesehen von den militärisch - politi-
schen Gebrechen, hauptsächlich desshalb den Sieg verlor und die schmäh-
lichste Niederlage erndtete, weil es den nordischen Bund zu spät und
zu schlecht? einrichtete. Statt schon im Frühling in leichter Voraus-
sicht des Kommenden mit den Voranstalten fertig zu seyn, theilte es erst
gegen Ende des Augustmonats den vorläufigen Plan mit und liess sich
dabei trotz der bereits erhaltenen Einwilligung in neuen diplomatischen
Briefwechsel mit Napoleon ein,, dafür von diesem doppelt und drei-
fach betrogen. Es ist überhaupt ein halbes Wunder, dass ein Haug-
witz und Lombard den wahrscheinlich von Hardenberg und
Beyme, vielleicht auch Stein, entworfenen Plan des norddeutschen
Bundesstaats auch nur formell berücksichtigen konnten. Bei grösse-
rer Kraft und Umsicht war er allerdings ausführbar; wo Gründe nicht
genügten, da mussten handgreifliche Kräfte nachhelfen, ein leidiges Mit-
tel, dessen man bei dem guten Willen der meisten Theilnehmer wahr-
scheinlich nicht einmal bedurft hätte. Hannover bildete dabei richtig
behandelt keine erhebliche Schwierigkeiten; denn Preussen verfügte
ja provisorisch über dasselbe und konnte sich für den künftigen Bund
leicht mit England ins Einvernehmen setzen. In staatlicher Bezie-
hung enthält der Entwurf für unsere Gegenwart manchen beherzi-
gungswerthen Wink; sie kann von ihm lernen, dass Einheit (Centrali-
sation) und Staatenbund (Föderation) keinen unvereinbaren Gegen-
satz aufstellen, indem dort Kaiserthum, Direktorium und Con-
gress (Reichstag), hier Stetnd (Staat) und Kreis den Faktor bilden.
An ein Repräsentanten- oder Volks haus dachte man aber nicht,
weil damals für Teutschland ein politischer Begriff der Art fehlte,
die Gegenwart aber ihn allerdings, wenn auch bisher fruchtlos, zu fin-
den trachtet. Die Scheidung in Nord und Süd war damals durch den