Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
864

Stephani: Ueber die Laokoongrüppe,

und in Folge dessen in der Praxis auch wirklich weit häufiger als in
irgend einer anderen Kunst. Ein Künstler legt seinen Freunden eine
Skizze zur Berathung und Begutachtung vor, der eine ändert dies, der
andere jenes, inzwischen ist unversehens aus jenem vorläufigen ersten
Entwürfe ein ganz anderes Werk geworden. Wie es jezt dasteht, ge-
bührt nicht blos dem Erfinder jener Skizze, sondern ihnen Allen gemein-
sam der Ruhm der Erfindung. Wie vollends in der alten Plastik? In dieser
beschränkte sich unendlich oft Komposition und Erfindung, nur an einen von
älteren Meistern überkommenen Typus gradwegs anzuknüpfen und die
in diesem schlummernden Ideen und Motive sprechender und zwingender her-
auszugestalten. Wie musste da gerade das gemeinsame Beschauen jenes
älteren Ideals diß Phantasie zünden, wie ganz von selbst zu gemeinsamem
Erfinden umschlagen! Wir müssen nur immer bedenken, dass die alte Kunst-
sprache durch typischen Stil gebunden war und der zufälligen Eigenheit
und Laune der subjektiven Künstlerphantasie wenig oder gar keinen
Raum liess.
Wir bleiben dabei, nach altüblicher Weise jenes „consilii sen-
tentia“ als gemeinsame Berathung zu fassen. Und wenn, wie wir
oben sahen, Stephani zur Widerlegung dieser Auffassung hervorhebt,
es finde sich in ähnlichen Stellen, die von gemeinsamer Schöpfung meh-
rerer Künstler sprechen, bei Plinius nie wieder dieser oder ein ähnlicher
Zusatz, so möchte ich dies keineswegs als eine vollgiltige Widerlegung
gelten lassen. Im Gegentheil. Dass Plinius hier einen solchen Zusatz
einschiebt, dies spricht nur dafür, den Laokoon unmittelbar unter
Plinius’ Augen entstanden zu denken. In der römischen Zeit, da die
stetig fortschreitende Typik der alten Plastik und die instinktive Gemein-
samkeit ihres Stiles schon zum grossen Theil entschwunden und einem
mehr willkürlichen, zufälligen, subjektiven Schaffen gewichen war, da
mochte allerdings ein solch gemeinsames Erfinden und Schaffen Vielen
gar wunderbar und unbegreiflich dünken. Nun hatte Plinius bereits von
mehreren Werken dieser Art gesprochen. Hier also, dachte er, ist der
Ort, meinen Lesern das scheinbar Unbegreifliche begreiflich zu machen.
Ich brauche ihnen ja nur das Verfahren zu schildern, wie ich es selbst
bei der Entstehung der Laokoonsgruppe gesehen und kennen gelernt
habe. Daher hier jene ausdrückliche Bemerkung: de consilii sententia.
Es war dies ein technischer Fingerzeig für den römischen Leser.
(Schluss folgt.)
 
Annotationen