Nr. 31.
HEIDELBERGER
1870.
_··
d
1 -
Verhandlungen des naturhistorisch - medizinischen
Vereins zu Heidelberg.
Vor trag des Herrn Prof. Wundt: »fieber die Erreg-
barkeits-Veränderungen im Elektrotonus und die
f'ortpflanzungsgeschwindigkeitder Nervenerregung.«
am 10. Juni 1870.
(Das Manuscrlpt wurde sofort eingereicht.)
1. Entstehung der elektrischen Erregbarkeitsver-
ändern ngen.
Während der Dauer des constanten Stroms ist, wie wir aus
Pflüger’s Versuchen wissen, die Erregbarkeit des Nerven auf der
Seite der Kathode erhöht und auf der Seite der Anode erniedrigt.
Die Art des Eintritts dieser Veränderungen unmittelbar nach der
Schliessung des Stroms ist aber bis jetzt noch unbekannt. Zeit-
messende Versuche an den peripherischen Nerven liessen mich ver-
mutben, dass auf gewisse Erscheinungen, die hierbei zur Beobach-
tung kommen, Erregbarkeitsveränderungen bei Entstehung des Stro-
mes von Einfluss seien. Ich habe daher den Verlauf der elektro-
tonischen Erregbarkeitsänderungen unmittelbar nach der Schliessung
des constanten Stromes zu bestimmen gesucht, indem durch die
zeitmessende Vorrichtung, auf- welche der Muskel seine Zuckung
zeichnete, in genau messbaren Zeiträumen die beliebig variirt wer-
den konnten, successiv die Schliessung eines polarisirenden Stro-
mes und die Auslösung eines reizenden Stromstosses bewirkt wurde.
Die so ausgeführten Messungen ergeben, dass eine verschwindend
kurze Zeit nach Schliessung des polarisirenden Stromes in der gan-
zen Länge des Nerven die Erregbarkeit zu steigen beginnt. Diese
Zunahme der Erregbarkeit wächst auf der Seite der Kathode con-
tinuirlich, bis sie in die bleibende Erregbarkeitszunahme des Kat-
elektrotonus übergeht. Auf der Seite der Anode steigt sie zu einem
Maximum und sinkt dann wieder, um allmählig der bleibenden Er-
regbarkeitsabnahme des Anelektrotonus Platz zu machen. Während
einer gewissen Zeit nach Schliessung des constanten Stromes findet
man daher den ganzen Nerven entlang die Reizbarkeit gesteigert.
Dieses Stadium der in beiden Phasen des Elektrotonus gesteiger-
ten Reizbarkeit übertrifft den Verlauf einer Muskelzuckung beträcht-
lich an Dauer. Wenn die negative Elektrode 15 Mm. von der ihr
LXHI. Jahrg. 7. Heft. 81
HEIDELBERGER
1870.
_··
d
1 -
Verhandlungen des naturhistorisch - medizinischen
Vereins zu Heidelberg.
Vor trag des Herrn Prof. Wundt: »fieber die Erreg-
barkeits-Veränderungen im Elektrotonus und die
f'ortpflanzungsgeschwindigkeitder Nervenerregung.«
am 10. Juni 1870.
(Das Manuscrlpt wurde sofort eingereicht.)
1. Entstehung der elektrischen Erregbarkeitsver-
ändern ngen.
Während der Dauer des constanten Stroms ist, wie wir aus
Pflüger’s Versuchen wissen, die Erregbarkeit des Nerven auf der
Seite der Kathode erhöht und auf der Seite der Anode erniedrigt.
Die Art des Eintritts dieser Veränderungen unmittelbar nach der
Schliessung des Stroms ist aber bis jetzt noch unbekannt. Zeit-
messende Versuche an den peripherischen Nerven liessen mich ver-
mutben, dass auf gewisse Erscheinungen, die hierbei zur Beobach-
tung kommen, Erregbarkeitsveränderungen bei Entstehung des Stro-
mes von Einfluss seien. Ich habe daher den Verlauf der elektro-
tonischen Erregbarkeitsänderungen unmittelbar nach der Schliessung
des constanten Stromes zu bestimmen gesucht, indem durch die
zeitmessende Vorrichtung, auf- welche der Muskel seine Zuckung
zeichnete, in genau messbaren Zeiträumen die beliebig variirt wer-
den konnten, successiv die Schliessung eines polarisirenden Stro-
mes und die Auslösung eines reizenden Stromstosses bewirkt wurde.
Die so ausgeführten Messungen ergeben, dass eine verschwindend
kurze Zeit nach Schliessung des polarisirenden Stromes in der gan-
zen Länge des Nerven die Erregbarkeit zu steigen beginnt. Diese
Zunahme der Erregbarkeit wächst auf der Seite der Kathode con-
tinuirlich, bis sie in die bleibende Erregbarkeitszunahme des Kat-
elektrotonus übergeht. Auf der Seite der Anode steigt sie zu einem
Maximum und sinkt dann wieder, um allmählig der bleibenden Er-
regbarkeitsabnahme des Anelektrotonus Platz zu machen. Während
einer gewissen Zeit nach Schliessung des constanten Stromes findet
man daher den ganzen Nerven entlang die Reizbarkeit gesteigert.
Dieses Stadium der in beiden Phasen des Elektrotonus gesteiger-
ten Reizbarkeit übertrifft den Verlauf einer Muskelzuckung beträcht-
lich an Dauer. Wenn die negative Elektrode 15 Mm. von der ihr
LXHI. Jahrg. 7. Heft. 81