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Nr. 44.

HEIDELBERGER

1870.

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Geschichte der deutschen Literatur von der ältesten bis auf die neuere
Z^eit mit Beispielen aus den bestell Werken der Poesie und
Prosa. Zum Gebrauch für Schulen und zum Selbstunterricht
von Klotilde v. d. Horst. Detmold, Verlag von C. Hel-
wing. 1869 und 1870. Erster Theil. XI1 S. und 274 S.
Zweiter Theil. Xll S. und 339 S. Dritter Theil. XII S. und
647 S. gr. 8.
Die Frauenliteratur ist in der Regel nicht die beste. Die ge-
lungeren Erzeugnisse derselben sind meist Romane; aber auch bei
diesen verräth ein genauerer Anblick leicht den weiblichen Ur-
sprung. Die Phantasie ist zwar feurig; es fehlt ihr nicht an leben-
digen Vorstellungen, an klarer und deutlicher Vorstellungsgabe,
desto mehr aber an Reichthum der schaffenden und combinirenden
Einbildungskraft. Sie ist mehr reproduktiv als produktiv, sie ver-
liert sich in Detailschilderungen und übersieht die hohem, allge-
meinem Standpunkte. Von dieser Regel macht das gegenwärtige
Werk eine rühmliche Ausnahme. Es ist mit genauer Sachkennt-
niss, vorurteilslosem Blick, vielem Geschick und Geschmack aus-
gearbeitet und entspricht durchaus seinem Zwecke, dem Unter-
richte der Jugend in der Schule und dem Selbstunterrichte zu
dienen. Es verdient diese Empfehlung nicht, weil, sondern ob-
schon jedem Theile des Buches auf dem Umschlag eine Empfeh-
lung des Consistorialraths und Professors Dr. Vilmar beigedruckt
ist. Es herrscht in ihm nämlich nicht jener pietistische Geist der
Hyperorthodoxie, durch welche sich dieser sonst gründliche Kenner
der deutschen Literatur als Theologe bemerkbar gemacht hat. Das
vorliegende Buch zeichnet sich im Gegentheile durch einen ernsten
sittlich religiösen, aber überall dem Fortschritte zugewendeten
Charakter aus. Es hat vielfach die bessern neuern Werke der
Literatur von Gervinus, Kurz, Pischon, Geizer und besonders von
Vilmar ohne die Annahme seiner theologischen Grundsätze benützt
und enthält von allen bedeutenderen Schriftstellern nicht nur ge-
naue biographische Notizen, sondern auch meist treffende Charak-
teristiken ihrer Schriften und, was für Schulen von besonderem
Werthe ist, von den einzelnen bedeutenderen Werken sehr brauch-
bare Beispiele theils nach eigener Auswahl, theils aus den bessern
Anthologieen und Literaturgeschichten. Von der Literatur gibt
die Verfasserin Th. I, S. 1 folgende Definition: „Unter Literatur
versteht man im Allgemeinen alle Erscheinungen des geistigen
Lebens eines Volkes, insofern sie sich in Sprache und Schrift dar»
LXIII. Jnhrg. 9. lieft. 44
 
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