Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
536

Venedey: Die deutschen Republikaner u. s. w.

aber hiess Anna Maria Müller, sondern weil der Brief drei und
ein halbes Jahr nach Schneider’s Hinrichtung geschrieben ist, wo
Niemand mehr an denselben dachte, insbesondere aber weil diese
Frau, die ich selbst kannte, durchaus nicht einen solchen Brief
schreiben konnte noch wollte, wie auch ihre Tochter, die noch in
Mainz lebt, mich versichert. So wie aber dieser Brief dazu dienen
soll, Schneider durch seine Schwester zu vertheidigen, so versucht
der Verfasser Schneider’s Handlungsweise auf jede Art zu ent-
schuldigen oder sogar zu loben, worin er freilich einige Vorgänger
hat. Ich kann aber an Schneider Vieles nur tadeln; um Früheres
zu übergehen, ist er schon nicht zu loben wegen der Gedichte, dio
er als Professor in Bonn edirte, indem sich hier manche nicht für
einen Lehrer der Aesthetik und der Jugend und viele für einen
katholischen Theologen gar nicht schicken ; dass er in 40 Tagen
über 30 Personen hinrichtete, halte ich für ein Zeichen seiner
Grausamkeit und entschuldige es nicht, weil er öffentlicher An-
kläger war und etwas weniger tödtete als in Paris oder Nantes
hingerichtet wurden und um Einzelnes noch anzuführen, dass er
an seinem Brauttage auf einem Wagen mit sieben Pferden in
Strassburg einfuhr, sehe ich als Beweis seines Hochmuths und des
Mangels an demokratischer Gesinnung an und entschuldige es nicht,
weil er einigen Hausrath u. ä. mitnahm. Wenn auch Robespierre
und St. Just ihn stürzen wollten: er hat es verdient. Uebrigens
webt der Verfasser in Schneider’s Leben die Geschichte der Revo-
lution in Strassburg ein, wobei wir nur wünschten, dass etwas
mehr chronologische Ordnung beobachtet worden wäre. Am Schluss
möchte der Verfasser für die damaligen Leiden Strassburgs die
Nemesis erkennen, »welche jeder Volkstheil auf sich ladet, wenn
er nicht treu und fest bis zum letzten Atliemzuge und bis zum
letzten Groschen am Vaterlande hängt«; was wir von Herzen
unterschreiben.
Das dritte Buch »Mainz« möchten wir eigentlich ausführlich
besprechen, indem wir da sehr Vieles zu bemerken finden; allein
wir wollen uns einhalten und nur das Nothwendigste andeuten·
Der Verfasser beginnt die Geschichte der Mainzer Republikaner
fast romanhaft, wie Königs Klubisten, was sich für einen Histo-
riker nicht passt, indem er erzählt, wie der »altersschwache Prie-
ster« umgeben von Herrn und Damen sich Heinse’s Ardinghello
vorlesen lies und am andern Tage (?) dem Dichter 40 Dukaten
zum Geschenke gab. Hierauf hebt der Verfasser aus der Mainzer
Revolutionsgeschichte die Hauptsachen heraus, besonders um die
hiesigen Republikaner zu schildern. Gleich anfangs zählt er die
meisten derselben auf, verfehlt sich aber mehrfach bei der Bezeich-
nung derselben z. B. Vogt war kein Mediciner, Forster war nicht
Professor, Stumme und Hartmann waren nicht Kaufleute, Dorsch
war damals nicht mehr in Mainz. Der Verfassei' gibt zu, dass
Custine in Mainz Einverständnisse hatte, macht aber bei dem Na-
 
Annotationen