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Chronik der Universität Heidelberg für das Jahr 1870.

Am 22. November feierte die Universität in herkömmlicher
Weise das Fest der Geburt ihres erlauchten Restaurators, des
höchstseligen Grossherzogs Karl Friedrich. Die von dem zeitigen
Prorector, Geheimenrath und Professor Dr. J. C. Bluntschli
gehaltene, seitdem im Druck erschienene Rede*) behandelt in
ihrem wissenschaftlichen Theil das moderne Völkerrecht in
dem Kriege 1870.
Die Rede knüpfte an die Störung der Studien an, welche durch
den Ausbruch des Krieges mit Frankreich verursacht worden und er-
innert an den Zusammenhang der Frequenz der Universität mit
den Bewegungen des politischen Lebens. Sie hebt sodann den
Gegensatz hervor zwischen deutscher Wahrhaftigkeit, welche durch
die Universitäten gepflegt werde, und der französischen Befangen-
heit in dem künstlichen Lügennetze nicht bloss des Kaiserthums,
sondern ebenso der republicanischen Regierung. Sie bespricht vor-
züglich die Erlebnisse des Krieges aus dem Standpunkte des
modernen Völkerrechts. Der Krieg wurde angeblich wegen
eines »Hintergedankens« der Dynastie Hohenzollern unternommen,
d. h. ohne einen Rechtsgrund. Der wirkliche politische Grund
wurde nicht offen bekannt, war aber ebenso wenig völkerrechtlich
zu rechtfertigen, nämlich die Behinderung der deutschen Nation
in der Neugestaltung ihres Staatswesens, die Bewahrung des fran-
zösischen Uebergewichts in Europa und die Eroberung. Missglückt
sind die beiden Versuche, die von deutscher Seite gemacht worden,
das Völkerrecht zu verbessern, fürs erste die Sicherstellung des
Seehandels von der Kaperei der Kriegsmarine, fürs zweite die
scharfe Trennung zwischen Soldat und Bürger und die Schonung
des letztem. Frankreich verzichtete nicht ebenso auf die Prisen
und der Krieg, welcher auch die wilden Leidenschaften entfesselte,
wurde roher und gewaltsamer auch gegen die Bürger, welche sich
wie Feinde benahmen. Grosse Schwierigkeiten ergaben sich gegen
diese Durchführung des Princips in den Städten, welche zugleich
Festungen waren. Das Völkerrecht bedarf hier einer Ergänzung.
Als eine barbarische Massregel, geeignet den Hass der Rassen zu
entzünden, wird die Austreibung der Deutschen, friedlicher Privaten
aus Frankreich besprochen, während die Franzosen in Deutschland
unangefochten blieben. Ferner wird die unzulässige Verwendung
afrikanischer Truppen von unchristlichen Sitten in einem europäi-
schen Kriege getadelt. Die Verhältnisse der Franctireurs im Unter-
*) Rede zum Geburtsfeste des höchstseligen Grossherzogs Karl Friedrich
von Baden und zur akademischen Preisvertheüung am 22. November 1870
von Dr. J. C. Bluntschli, Grossh. Geheime Rath und ordentl. Professor an
der juristischen Facultät, dermaligem Prorector. Das moderne Völkerrecht
in dem Kriege 1870. ■ Heidelberg 1870. Buchdruckerei von Georg Mohr.
32 S. in 4to.
LXIII. Jahrg. 12. Heft.

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