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Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes — 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.42440#0027
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Seivelberger

Mittelstands-Zeitung

Unabhängiges KamMatt flir Sic Interessen »es deutschen Mittelstandes

MtteWndlerlsch-MirtschMiche Zeitung
Zeitung für gesunde Wirtschaftsinteressen des gewerblichen
Mittelstandes, des Handwerks, Handels, Haus- und Grund-
besitzes, der Landwirtschaft, freien Berufe und aller sich zum
Mittelstand rechnenden Kopf- und Handarbeiter.


MMWeuLsche Bürger-Zeitung
Bezugspreis monatlich 0,50 Reichsmark. Bei Postbezug vier-
teljährlich 1,50 Reichsmark. Für ausgefallene Nummern wird
kein Ersatz geleistet- Der Jnsertionspreis ist 10 Reichspfennig
für die achtgespaltene Millimeterzeile oder deren Raum.
Reklamen 0,40 RM pro mm-Zeile.


Zahrgang 1929

Gonrriag, 13. Oktober.

Nr. 2

1 zGrun-siückspolitik -er Gemeinden
und WohnheimstäLtengeseh.

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Heft 36 der bekannten Zeitschrift
„Bayerische Industrie", München, vom
1- September 1920 entnehmen wir nach-
stehende, sehr beachtliche Ausführungen,
die die Gefahren aufzeigen, die der In-
dustrie aus dem Damaschkeschen Wohn-
heimstättengesetzentwurf drohen.
Die Schriftleitung.

Grundstückspolitik der Gemeinden hat


iUl-I

» iD verworfen werden, wobei aber alle Streit-
^A^gen, insbesondere auch über Entschädigungs-



s

ur
1

Üe bayerische Industrie schon wiederholt be-
ichäftigt. Es sei hier an die Absicht der Stadt
Aftinchen erinnert, die Ausdehnung der beste-
henden Industriebetriebe auf dem Sendlinger

klUU Oberfeld zu unterbinden und- die Industrie zu
iNvIIt^ingen, sich an einer anderenStelle des Stadt-
»«»^^bietes anzusiedeln. Weiterhin wird noch im
8tLUl^
iitl. kB,

stLub^'-dächtnis sein, Last Würzburg einen General-
Mulinienplan aufstellte, der eine Straste vor-
vtl. k^neht, die teils durch bestehende Jndustriebe-
niebe durchgehen soll, teils lebenswichtige
YE Betrieben abtrennen wird. Ange-
Unte^Es dieser Vorgänge must die Industrie stets
kie Pläne argwöhnisch verfolgen, die darauf
88telWzielen, den Gemeinden auf dem Gebiete der
"Uundstückswirtschaft vermehrte Rechte einzu-
*aumen.
Eine derartige Gefahr besteht jetzt mit der
Anbringung des Entwurfes eines Wohnheim-
tüttengesetzes in den Reichstag. Dieses Gesetz,
^ssen Grundlage in den sogenannten Grund-
rechten der Reichsverfassung verankert ist, er-
steht die Schaffung vonWohnheimstätten durch
öffentliche Erundstückswirtschaft. Die Begrün-
ung des Entwurfes sagt zwar an einer Stelle
üst nur unbebautes Gelände für die Belange
ieses Gesetzes in Frage komme, das Gesetz selbst
all aber die bebauten Grundstücke nur inso-
weit ausschliesten, als ihreEinbeziehung für den
Zweck des Gesetzes nicht notwendig ist. Da hin-
^ichend bekannt ist, was aus derartigen Be-
stürmungen bei der Einstellung der Gemein-
en sich entwickeln kann und entwickelt, must
luch die Industrie dieser Frage ein besonderes
leit sUgsnmerk schenken.
! Die Beschäftigung mit diesem Gesetz seitens
_?r Industrie ist besonders deshalb nötig, weil
—dem „Ständigen Beirat für Heimstättenwe-
beim Roichsarbejitsministerium" lediglich
Zdenreformer, Vertreter der freien und christ-
chen Gewerkschaften, sowie eine Reihe Einzel-
stsonen sitzen, aber keine Landwirte und Jn-
istrielle, die von diesen Fragen besonders ge-
Uffen werden.
Der Gesetzentwurf will die Gemeinden ver-
stchten, in dem Umfange Bodenvorratswirt-
Uft zu treiben, als die Landbeschaffung für
^ahnheimstätten, Kleingärten, Turn-, Spiel-
öd Sportplätze, Verkehrs- und andere öffent-
lhe Anlagen sowie sonstige Zwecks der Woh-
chgswirtschaft aller Art es erfordern. Das
lyhnheimstättengesetz soll sich also nach der
slsicht des „Ständigen Beirates" nicht allein
den Wohnheimstätten, sondern mit der ge-
lten Wohnungswirtschaft befassen. Für diese
^wirtschaftung ist dis Feststellung eines Nut-
dgsplanes vorgesehen, der unserem jetzigen
cheralbaulinienplan entspricht. Die llmle-
der Flächen soll der Landesgesetzgebung

Prüche, durch eins zu schaffende Behörde un-
k Ausschlust des Rechtsweges entschieden wer-
sollen. Die Landbeschaffung soll durch die
igffung eines dinglichen Vorkaufsrechtes der
Feinden bei Veräusterung der Grundstücke,
Mr wenn sie an Verwandte bis zu bestimm-
>!> Grad oder an eine öffentliche Körperschaft
^lgt, durchgeführt werden, an dessen Seite
ein Enteignungsrecht tritt. Die Höhe der
Schädigung soll sich nach der Bewerbung auf
'lnd des Reichsbewertungsgesetzes richten.
k.och sollen zusätzliche Entschädigungen gs-
hrt werden, wenn durch die Inanspruch-

nahme eines Grundstückes eine Wertminderung
des llbrigbleibenden Teiles besteht. Gegebenen-
falls soll der Entschüdigungsberechtigte die
Uebernctzhmo des ganzen Grundstückes gegen
eine Entschädigung nach dem Werte auf Grund
des Reichsbewertungsgesetzes verlangen kön-
nen. Daneben ist vorgesehen, Entschädigungen
ganz oder teilweise in Land zu geben. Die Mit-
tel zur Durchführung des Gesetzes sollen in
erster Linie der Boden- und Wohnwirtschaft
entnommen werden: aus den Erträgen der
Zuwachssteuer lund etwaigen Gewinnen aus
Bodenpreissteigerungen. Ebenso soll der zur
Förderung des Wohnungsbaues bestimmte
Teil der Hauszinssteuer den Zwecken dieses
Gesetzes nutzbar gemacht werden.
Dieser kurze Ueberblick über den Gesetzent-
wurf zeigt, dast er den Bedürfnissen der Wirt-
schaft nicht gerecht wird, was angesichts der Zu-
sammensetzung des „Ständigen Beirates" nicht
wundernehmen kann. Der Zweck des- Gesetzes,
Wohnheimstätten zu schaffen, wird missbraucht,
um allmählich die ganze Wohnungszwangs-
wirtschaft an die öffentliche Hand zu bringen.
Schon heute treiben die Gemeinden bereits
eine umfangreiche Bodenvorratswirtschast. Im
Statistischen Jahrbuch deutscher StädteZ ist
festgestellt, dast die Fläche der innerhalb des
Stadtgebietes liegenden städtischen Grundstücke
und Stiftungsgrundstücke unter städtischer Ver-
waltung, ausschliestlich der.Flächen der Stra-
sten, Wege und Bahnen, in Hundertsätzen der
Gesamtfläche z. B. in Oberhausen 7,6, Herne
11,4, Barmen 15,9, Nürnberg 16,9, München
17,0, Ludwigshafen 20,4, Beuchen 23,5, Leipzig
34,9, Frankfurt a. M. 39,6 und- Rostock 75,6 be-
trägt. Wenn die Bod-envorrats-wirtschaft und
die Pflege des Heimstättenwesens zur Zwangs-
pflicht der Gemeinden gemacht werden dann
werden diese Sätze bald weit überschritten sein.
Dabei must man sich aber klar sein, dast auf
diesem Wege nichts erreicht werden kann. Bis-
her hat jeder, der im eigenen Hause wohnen
wollte, darauf sparen müssen und konnte dann
stolz auf seinen Besitz sein. Das soll künftig
Wegfällen. Die Gemeinden vermieten die
Heimstätten. Jeder hat Anspruch auf eine
Heimstätte, obwohl er selbst dazu nichts gelei-
stet hat. Der Begriff des Erworbenen fällt
weg, und damit wird die Verwurzelung mit
dem Boden, die erreicht werden soll, gerade
nicht erzielt.
Für die Industrie gefährlich ist das Gesetz
besonders insofern, als Industrieergänzungsge-
lände ohne weiteres enteignet werden kann,
sei es zur Anlage von Sportplätzen oder sei es
durch Schaffung von Grünflächen u. a. m. Ab-
gesehen davon können ja. wenn es notwendig
erscheint, auch bebaute Grundstücke enteignet
werden. Man komme nicht damit, dast die
Möglichkeit bestehe, in diesen Fällen ja anderes
Gelände zuzuweisen. Die Durchführung einer
derartigen Mastnahme ist als Verschleuderung
von Volksvermögen unbedingt zu verwerfen.
In die gleiche Reihe gehört auch die Möglich-
keit für die Gemeinden, in allen Fällen das
Vorkaufsrecht auszuüben. Man stelle sich vor,
ein Unternehmer braucht Erweiterungsgelände
schliesst einen «entsprechenden Kaufvertrag ab
und dann macht die Gemeinde von ihren be-
sonderen Rechten Gebrauch. Derartige Fälle
sind bei der Einstellung unserer Gemeinden zu
erwarten.
Ein sehr schlimmer Punkt ist die Ausschal-
tung des Rechtsweges. Riese Regelung ist un-
bedingt zu verwerfen. Gerade Lei uns in Bay-
ern dürften wir in dieser Hinsicht qewitzig sein.
Haben wir doch ein Vorbild bei den Holzver-
kaufsbedingungen der Staatsforstverwaltung.
Die Entschädigungsfrage, die ebenfalls unter

") 24. Jahrgang, Seite 247.

Ausschlust des Rechtsweges geregelt werden
soll, darf sich nicht nur auf den Steuerwert
stützen. Da spielen denn doch noch andere
Dinge mit herein, die mit dem Steusrwcrt des
Bodens nichts zu tun haben, wie z. B. die not-
wendig Anlage eines neuen Anschlustgleises,
Eeschäftserschwerung durch entferntere Lage
des Betriebes bezw. schlechtere Zufahrtswege.
Der Angelpunkt der ganzen Sache ist die
Finanzierung. Durch die Bestimmung, etwaige
Gewinne aus Bodenpreissteigerungen heranzu-
ziehen, werden die Gemeinden direkt auf den
Weg der Bodenspekulation verwiesen, sicherlich
keine Aufgabe der Gemeinden. Das, was beim
Privateigentum bekämpft wird, wird- den Ge-
meinden gewissermasten als Aufgabe zugewie-
sen. Was die Heranziehung der Hauszins-
steuer und der Zuwachssteuer zu den Zwecken
des Gesetzes angeht, so ist zu sagen, dast der
Zweck bestimmt besser «erreicht würde, wenn
man diese Steuer nicht mehr erhöbe und da-
durch den privaten Hausbesitzer in die Lage
brächte, mit seinem Kapital rentierltche Häuser
zu bauen. Dies brauchen durchaus keine Miet¬

kasernen zu sein. Es werden heute vielfach
kleine Häuser von den Vauunternehmungen
gebaut. Allerdings müssten die, die auf eine
Heimstätte Anspruch erheben, selbst etwas dazu
beitragen.
Alles in allem kann man sagen, Last die
Zwecke des Gesetzentwurfes auf privatwirt-
schaftlichem Wege in absehbarer Zeit erreicht
würden. Die Urheber des Gesetzes verwech-
seln Ursache und Wirkung. Sie gehen von der
Wohnungsnot aus und bemerken nicht, dast
diese gerade durch die Zwangsbewirtschaftung
und Sonderbelastung hervorgerufen ist. Ob
sich darüber auch die gesetzgebenden Körper-
schaften klar werden, lässt sich nicht Vorhersagen
Die Industrie must jedenfalls auf die Vor-
gänge, die man als Beginn der Sozialisierung
des Grund und Bodens ansehen must, ihr be-
sonderes Augenmerk wenden, um ihre Vertre-
ter in den öffentlichen Körperschaften recht-
zeitig zu unterrichten. Durch- Einflustnahme auf
die heutgie Erundstückspolitik der Gemeinden
must man künftigen Weiterungen vorbeugen.

Wie gemeinnützige Genossenschaften mit
den Metern umspringen.
Ein Beispiel aus der Praxis.

In Braunschweig besteht eine vom dortigen
Mieterverein ins Leben gerufene Mieterbau-
genossenschaft. Wir geben im nachstehenden dis
für die Mieter dieser Genossenschaft geltenden
Bestimmungen im Auszuge wieder. Welches
Geschrei erheben die Mietcrvereine seit Jahr
und Tag gegen den soliden Haus- und Grund-
besitz, und wie ist dieser vor dem Kriege ver-
lästert worden! Der „Hausagrarier" wurde
als der schlimmste Tyrann hingestellt, und nur
die sogenannten „gemeinnützigen" Genossen-
schaften sollten in Ser Lage sein, den Mieter
aus dieser „Knechtschaft" zu befreien. Welche
drakonischen Bestimmungen diese Genossen-
schaften aber in Wirklichkeit treffen, wenn sie
erst einmal zu diktieren imstande sind, dafür
sind die Vorschriften der Braunschweiger Mie-
terbaugenossenschaft ein treffendes Beispiel.
Ein gewöhnlicher Hausbesitzer Hütte sich einmal
solche Bestimmungen erlauben sollen: er wäre
gesteinigt worden. Es heisst in dem Formu-
lar, das dast die an den Segnungen Braun-
schweiger Gemeinnützigkeit Teilnehmenden un-
terschreiben müssen u. a.:
„. . . 3. Der Mieter ist verpflichtet, die
monatliche Miete postnumerando am 1. jeden
Monats bis spätestens 6 Uhr nachmittags an
den Beauftragte gegen dessen Quittung zu zah-
len.
Bei unpünktlicher oder unvollständiger
Mietzahlung ist der Vermieter (Vorstands be-
rechtigt, das Mietverhältnis ohne Kündi-
gungsfrist zu lösen, und ist die Wohnung nach
Ermessen des Vorstandes sofort zu räumen so-
wie der Rest der Miete voll zu zahlen. Für
Zahlung der Miete haften beide Eheleute soli-
darisch, und steht der Genossenschaft das Recht
zu, die Sachen solange zurückzubehalten, bis die
Miete vollständig bezahlt ist.
Der Vizewirt oder Beauftragte hat dem
Vorstande sofort Meldung zu erstatten, falls
ein Mieter etwa versuchen sollte, vor Bezah-
lung seiner Miete die Wohnung heimlich zu
verlassen. Auch soll der Vizewirt oder Beauf-
tragte berechtigt sein, in solchen Fällen bis zum
Eintreffen der Entscheidung des Vorstandes
das ganze Mobiliar des Mieters zurückzube-
halten unter Hinweis auf die gesetzlichen Fol-
gen des widerrechtlichen Verlassens der Woh-
nung.
Der Mieter erklärt ausdrücklich, dast das
in den Mieträumen eingebrachte Mobiliar sein
und seiner Ehefrau unbeschränktes Eigentum

und mit keinem Pfände belastet ist. Falls
Kiese Versicherung sich nachträglich als unrich-
tig Herausstellen sollte, kann der Vermieter
(Vorstand) zu jeder Zeit das Mietverhältnis
ohne Kündigungsfrist aufheben.
Der Mieter ist nicht befugt, wegen irgend-
welcher ihm etwa zustehenden eigenen Forde-
rungen oder wegen etwaiger Nichterfüllung
oder nicht gehöriger Erfüllung der Mietsbe-
dingungen die fällige Miete oder Nebenkosten
ganz oder teilweise zurückzuhalten, kann viel-
mehr die ihm etwa zustehenden Ansprüche nur
im Wege der selbständigen Klage, also -auch
nicht im Wege der Widerklage, der Aufrech-
nungs- oder einer sonstigen Einrede geltend
machen.
5. Der Mieter hat auf seine Kosten folgen-
des zu besorgen:
n) die Unterhalrung der Fensterscheiben,
Schlösser und Türglocken:
IZ den Anstrich und die Erhaltung der
Fustbö-den:
<) die Instandhaltung und Reinigung der
Oefen, Kochherde und Wasserhähne.
Falls das Wasser abgestellt werden oder
einfrieren sollte, so hat Mieter dieserhalb kei-
nen Anspruch auf Schadenersatz.
Mieter darf das Wasser der Wasserleitung
nur zu seinem eigenen Gebrauch verwenden.
Ergibt die jährliche Abrechnung über den
Wasserverbrauch, dast das Maximalquantum
überschritten ist, so sind die Mieter des betr.
Hauses verpflichtet, diesen Mehrverbrauch an
Wasser der Genossenschaft gemäst der Abrech^-
nung des Vorstandes zu ersetzen. Wasserent-
nahme zum Begiesten des Gartens ist ver-
boten . . .
6. Der Vorstand oder Beauftragte der Ge-
meinnützigen Mieter!- und Sparer-Baugenos-
senschaft haben das Recht, zu jeder Tageszeit
Einsicht von der Beschaffenheit der Wohnung
zu nehmen . . .
7. Untervermietung ist nur für jeden Ein-
zelfall nach vorher eingeholter schriftlicher
jederzeit widerruflicher Genehmigung zulässig
Hausordnung.
Aus dem Umstande, dast die Wohnungen
nur an Mitglieder der Genoffenschaft vermie-
tet werden, darf kein Mieter irgendwelches
Recht hcrleiten, nach eigenem Ermessen irgend-
welche Aenderung in seiner Wohnung vorzu-
nehmen, sei es an Wänden, Türen. Fenstern,
 
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