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Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes — 1929

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Einzelpreis IS Pfg.

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Zeitung für gesunde Wirtschaftsmteresssn des gewerbliche«
Mittelstandes, des Handwerks, Handels, Haus- und Grund¬

besitzes, der Landwirtschaft, freien Berufe und aller sich zum

Mittelstand rechnenden Kopf- und Handarbeiter.
Jahrgang 1929


ZMMWMsche MUger-ZettMU
Bezugspreis monatlich 0,M Reichsmark. Bei Postbezug vier-
teljährlich 1,80 Reichsmark. Für ausgefallene Nummern wird
kein Ersatz geleistet. Der Jnsertionspreis ist 10 Reichspfennig
für die achtgefpaltene Millimeterzeile oder deren Raum.
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Sonntag, 22. Dezember.

Nr. 42

Beamlenwirtschaftsbunb,
ein Erwerbsunternehmen.
Eine Sünde am Beruf". - Deutscher Postverband gegen
Beamtenwirtschaft.

, Auf dem 42. Verdandstage des Deutschen
°stverbandes sBeamte der Gruppen Ober-
hetäre bis zum Amtmanns in Berlin führte
erste Verbandsvorsitzende. Oberpostinspek-
Schneider, aus:
, Der Bundestag des Deutschen Veamten-
hdes hat die Trennung vom Deutschen Be-
^teu-Wirtschaftsbunde vorgenommen. Die
^eidung ist von der. gesamten Beamtenschaft
Müßt worden. Für den Deutschen Beamten-
üb ist es gut, nicht mehr mit den Problemen
, o Erschwerungen belastet zu sein, die sich aus
Irr Verbindung mit dem Beamten-Wirt-
Istsdund ergaben. Mr den Verband als
Mnisation gilt, was wir in einem Rund-
shiben ausgesprochen haben, daß den Ver-
hdsinstanzen nicht das Recht zugesprochen
Iden kann, sich als solche am Bsamtcnwirt-
INsbund zu beteiligen, da die Instanzen des
hbandes standes-, organisations-, personal-
I besoldungspolitische Aufgaben haben,
At aber solche wirtschaftspraktischer Art in
hrbindung mit dem Beamtemvirtschafts-
hde. Dieser Grundsatz must um so genauer
hlgr urerden, als es sich bei einer Reihe von
,chmtenunternehmen nicht mehr um gemein-
nige Unternehmungen eigentlichen Charak-
h handelt, wie sie früher gedacht waren, son-
dasi es Erwerbsunternehmungen sind, wie
'dere auch. Sie haben allerdings den Vor-
vielfach ohne Entgelt die Veamtenkund-
^st zugeführt zu erhalten. Während viele
tverbsunternehmunaen — das musi man
tzlgcr- und gerechterweise zugestehen — alle
^'be haben, sich erst einmal einen Stamm
I Interessenten und dann von Kunden her-
öuziehen besitzen Wirtschaftsunternehmun-
die sich an Beamtenkreise wenden und sich
der nicht selten dabei ungerechtfertigt mit
I Mantel der Gemeinnützigkeit behängen,
grossen Vorteil, auf eine geschlossene, dem
^eren Wesen nach bekannte und wenn auch
kaufstarke, so doch zahlsichere Kundschaft
> gossen. Dieser Vorteil hat sich, das ist die
Irrung der beteiligten Kreise, wenigstens
Aer nicht genügend in billigeren Preisen
o Waren besserer Qualität ausgewirkt.
^Aber ein Nachteil ist entstanden, vor dein
ä Augen zu verschliessen eine Sünde am Bo
/ wäre, nämlich die sogenannten Beamten-
jchchaftsunternehmungen und gerade Viese-
rn, gie nicht nach gemeinnützigen Prinzi-
I betrieben werden, haben die Gegnerschaft
In das Berufsbeamtentum vermehrt und in
Jeg Kreisen Feindschaft gezüchtet. Gewiss
diejenigen nicht im Recht, die der Beam-
Ichaft die eigene Wirtschaft, handele es sich
welche Zweige auch immer, untersagen oder
Aränken wollen, denn weder liegt eine ge-
piche Handhabe dazu vor, noch darf der sitt-
I Kern des Genossenschaftswesens angeta-
werden. Aber worum es sich hier handelt,
.dies: Die realen Verhältnisse zeigen, dass
. Beamtenschaft auf einem Gebiete, das zur
wtigung ihr zweifelsfrei offensteht, wenig
Steile errungen, grosse Nachteile eingetauscht
o die eigene wirtschaftliche Lage durch
Irnahme vieler Schuldverbindlichkeiten
! n verbessert hat. Es ist nicht immer gut,
j Recht, das man hat, zu verfolgen, und
i,hegl cs nach meiner Auffassung hier. Die
I der scharfen Bedrohung des Berufsbeam-
isttims verlangt, sich Freunde zu schaffen und
I ' Zahl der Gegner zu vermindern. Das ist
j Jesonderc dann nötig, wenn es ohne grosse
l geschehen kann. Ich bin also der Mei-
dass der Expanfionsdrang der sogenann-
Beamtenwirtschaft im Interesse des Be

gange folgt, wenn durch irgendwelche Zufäl-
ligkeiten die Beamtenschaft durch Vermittlung
der Deutschen Veamten-Buchhandlung in der
Hauptsache Kinderschxiften besorgt hätte?
Würde dann der auswertende Statistiker zu
der Meinung kommen müssen, der geistige
Stand der Beamtenschaft sei der eines Kin-
des? Oder sollten aus der Anzahl der etwa
durch die Deutsche Beamten-Buchhandlung be-
stellten Kinderfiebeln bevölkerungspolitische
Schlüsse gezogen werden? An diejenigen unse-
rer Kollegen, die in der Veamten-Waren- und
-Eeldwirtschaft sich betätigen und die gewiss
ihre Arbeit unter Berücksichtigung aller Um-
stände leisten, erlaube ich mir die Mahnung
zu richten, des Eesamtinteresses stets eingedenk
zu sein. Wir haben erfreulicherweise in unse-
ren Reihen noch keine Klage darüber gehabt,
dass die Interessen der Organisation mit Be-
amtenwirtschaftsinteressen verknüpft worden
seien. Auch sind unsere aus diesen, Gebiete
führenden Kollegen mit so manchem peinlichen
Rückschlag, der eingstreten ist, nicht in Verbin-
dung gewesen.

rufsbeamtentums gut daran tut, sich Selbst-
beschränkung aufzuerlegen.
Zu welchen Irrwegen der wirtschaftliche
Betätigungsdrang der Beamten führt, dafür
ein Beispiel aus den letzten Tagen, das mir
auch Veranlassung gegeben hat, diese Ausfüh-
rungen zu machen Die „Deutsche Beamten-
Buchhandlung E. m. b. H." schreibt in einem
längeren Aufsatz folgendes nieder: „Es ist
Pflicht jedes Beamten, nunmehr mit der Deut-
schen Beamten-Buchhandlung in regen Ver-
kehr zu treten und ihre Angebote mit der
Sorgfalt zu beachten, auf die ein buchhändle-
risches Zentralinstitut der Beamtenschaft rech-
nen darf. Aus geringen Umsätzen bei der Deut-
schen Beamten-Buchhandlung könnten leicht
ungünstige Schlüsse aus Lar KultunckMau der
Beamten gezogen werden. Dieser Gefahr darf
die Beamtenschaft sich nicht aussetzen." Gegen
solche Methoden der Geschäftemachers; muss
auf das entschiedendste Verwahrung eingelegt
werden. Wie wäre es, möchte ich den Ver-
fasser fragen, wenn man seinem Gedanken-

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llmkehr oder nur - Wahlrede.

„Herr Adam Stegerwald, ehemaliger preu-
ssischer Ministerpräsident und ehemaliger erster
Vorsitzender der Christlichen Gewerkschaften,
hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten
vor dem Kriege, ganz besonders im Kriege und
nach dem Kriege zahlreiche Reden gehalten.
Oft hat er in die sozialpolitische Trompete ge-
stossen. Das musste er, denn die gewerkschaft-
lichen Nachbarn zur Linken stellten ja auch die
Sozialpolitik als Paradestück in den gewerk-
schaftlichen Laden.
Unsere Sozialpolitik ist nun allmählich
in ein Fahrwasser hineingesteuert, das Herrn
Stegerwald 'unheimlich zu werden beginnt.
„Die Geister, die ich rief. . .!" In einer
Zentrumsversammlung am Sonntag vor den
Wahlen in Preussen hat er in Bottrop inWest-
falen eine Rede gehalten, die allgemeines
Aufsehen erregte. In dieser Rede hat er den
sehr schönen und sehr richtigen Satz geprägt,
dass die künftigen Steuerreformen das Ziel
verfolgen müssen, dass diejenigen Stellen und
Instanzen, welche die Ausgaben beschliessen, im
wesentlichen auch die Einnahmen beschaffen
müssen!
Herr Stegerwald scheint allmählich einzu-
sehen, dass die Sozialversicherung statt zum
Segen, dem deutschen Volke immer mehr zum
llnsegen wird. An der Uebertreibung in der
Sozialpolitik hat er freilich auch seinen gerüt-
telten Anteil an Schuld. Aber immerhin, der
Himmel freut sich mehr über einen Sünder,
der Busse tut, denn über neunundneunzig Ge-
rechte. Stegerwald sagte unter anderem, dass

heute mehr als 15 Prozent der Löhne und Ge-
hälter auf die Sozialversicherung entfallen.
Dieser Prozentsatz lasse sich nicht mehr erhöhen,
denn schliesslich wollten auch die fleissigen Ar-
beiter noch einen Lohn nach Hause bringen?
Die Kosten der Sozialversicherung, führte er
weiter aus, sind praktisch vorenthaltener Lohn.
Interessant waren ferner Adam Stegerwalds
Angaben, dass gegenwärtig für Sozialversiche-
rung, für Wohlfahrtspflege, für Kriegsbeschä-
digtenrenten und Beamtenpenfionen jährlich
rund 11 Milliarden RM. ausgegeben werden?
Das ist etwa Vas Dreifache dessen, was der ge-
samte Reichshaushalt vor dem Kriege aus-
machte. Diese 11 Milliarden, führte Herr
Stegerwald weiter aus, sind praktisch mehr als
25 Prozent aller in Deuschland gezahlten
Löhne!
Die Sozialversicherung, erklärte Herr Ste-
gerwald ferner, muss in der Weise geändert
werden, dass sie nur die wirklichUnterstützungs-
bedürftigen betreut, dass aber nicht, wie bisher,
dem einzelnen die Verantwortung, für sich und
die Seinen zu sorgen, abgenommen wird.
Wenn diese Rede nicht bloss eine Wahlrede
war, um für das Zentrum in den Kreisen des
Mittelstandes und der Landwirtschaft Re-
klame zu machen, dann wird man die Aus-
führungen Stegerwalds als ein offenes Be-
kenntnis begangener Fehler begrüssen können.
Immerhin wird man gut tun, diese Rede für
später aufzubewahren und sie gelegentlich zur
Widerlegung unbegründeter sozialistischer For-
derungen hervorholen."

politische Parteien in -en
Rathäusern.

Von manchen Leuten, besonders von den-
jenigen, welche Grund zur Unzufriedenheit mit
der Kommunalpolitik ihrer politischen Partei
zu haben glauben, wird die These aufgestellt,
Politik gehöre überhaupt nicht in die Rat-
häuser. 95 Prozent aller Fragen, mit denen
sich die Stadtverordneten zu beschäftigen hät-
ten, hätten mir Politik nichts zu tun.
Sie würden höchstens künstlich mit politischen
Fragen in Verbindung gebracht. Ja, die Ver-
bindung mit Politik, worunter zumeist Partei-
politik zu verstehen sei, sei einer sachlichen, dem
Interesse der Gemeinde fördernden Arbeit ab-
träglich. Das Erfordernis parteipolitischer
Abstempelung halte manchen aus den Kom-
munalvertretungen fern, der nach seinen
Kenntnissen und Eigenschaften sich ganz beson-
ders zum Vertreter der Bürgerschaft eigne,
aber den Anschluss an eine politische Partei ab-
lehne oder nicht finden könne.
Andererseits suchen die politischen Parteien
ihre Anwesenheit in den kommunalen Parla-
menten mit Gründen zu rechtfertigen, die eine
fachliche Erörterung bedingen. Soweit sie ihre
Daseinsberechtigung als Konsequenz einer Ein-
heitlichkeit in Weltanschauungsfragen glauben
begründen zu können, ist es folgerichtig, wenn
sie auch die Betätigung in der Kommune für
sich in Anspruch nehmen. Der Umstand, dass
es in der Praxis oft ganz anders aussieht,
dass die Verbindung von Tagesfragen mit Re-
ligion oder Weltanschauung oft einen wenig
idealen Aspekt zeigt, wird keinen eingefleisch-
ten Anhänger davon überzeugen, dass die Rich-
tung eine falsche ist. Wenn aber die sogenann-
ten Weltanschauungsparteien ihr Auftreten in
den Kommunalparlamenten einigermassen zu
begründen in der Lage sind, so ist denjenigen
Parteien, bei welchen die Weltanschauungs-
fragen zurücktreten oder nur für den Gebrauch

an Feiertagen bereitgehalten werden, begreif-
licherweise der Verzicht auf Teilnahme an der
Kommunalpolitik unmöglich gemacht. Unsere
heutigen massgebenden Parteien bedeuten mit
Ausnahme der Wirtschaftspartei, von der in
diesem Zusammenhang abgesehen werden soll,
Fortbildungen der Parteien der Vorkriegszeit.
Nun sind deren Ziele entweder im Laufe der
Zeit erreicht worden oder sie haben an Inter-
esse verloren, weil sie von der Zeit überholt
sind, oder sie sind in wesentlichen Punkten All-
gemeingut geworden, so dass keine Partei sie
noch für sich reklamieren kann. Die Folge ist,
dass alle diese Parteien der belebenden Kräfte
entbehren, die sie in ihrer Jugendzeit beseelt
haben. Dies sind Alterserscheinungen, die auch
durch krampfhafteste Versuche der Wiederbele-
bung der Ideologie der Vergangenheit nicht
beseitigt werden können. Nun ist allen diesen
Parteien immanent, das Bestreben fortzube-
stehen. Auf die Macht, die die Einführung des
parlamentarischen Demokratismus ihnen mit
der Revolution in den Schoss geworfen hat,
wollen dis Parteien oder vielmehr die in ihnen
massgebenden Personenkreise nicht verzichten.
Nicht nur in dem Reiche und in den Ländern,
sondern auch in den Kommunaloerwaltungen,
ja in diesen am allerersten, sind gut bezahlte
und einflussreiche Stellen, auf die eine grosse
Zahl von Stellenjägern lauert, zu vergeben,
fassen sich Verbindungen herzustellen, um wich-
tigen Gruppen von Anhängern Vorteile zu ver-
schaffen und sie dadurch um so fester an die
Partei zu ketten. Man geht sogar nicht fehl,
wenn man annimmt, dass erst das in der Ge-
meinde hergestellte Netz von Beziehungen den
festen Unterbau für die Stellung der Partei
in den Ländern und im Reiche schafft und da
mit deren Fortexistenz sichert. Auch bietet die
Kommunalpolitik Gelegenheit, ehrgeizige Stre-
 
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