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Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes — 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.42440#0061
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1. Dezember. Nr. 14.

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ll!

Zeitung für gesunde Wirtschaftsinteressen des gewerblichen
Mittelstandes, des Handwerks, Handels, Haus- und Grund-
besitzes, der Landwirtschaft, freien Berufe und aller sich zum
Mittelstand rechnenden Kopf- und Handarbeiter.
!-—----..-N—

Zahpgang ^929


ZUWLMMtschL BUger-ZMmm
Bezugspreis monatlich 0,M Reichsmark. Bei Postbezug vier-
teljährlich 1,50 Reichsmark. Für ausgefallene Nummern wird
kein Ersatz geleistet. Der Ansertionspreis ist 10 Reichspfennig
Ur die achtgespaltene Millimeterzeile oder deren Raum.
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Rr.
-

Aus der Tätigkeit unserer Abgeordneten.
Rede des Abgeordneten Ladendorff. — Gklarek-Gkandal im preußischen Landtag.

Im Preußischen Landtag führte

Abgeord-
folgendes

preußische
in seiner

!>eter Ladendorff (Wirtschaftspartei)
ms:

. Meine Damen und Herren, der
perr Minister des Innern hat ja
Eigenschaft als Vertreter der Preußischen
vtaatsegierung hier im preußischen Landtag
hon häufige sogenannte schlechte Tage gehabt.
t>ber den schletesten Tag von allen, glaube ich,
iar er gestern gehabt oder zwangsläufig er-
eben muten, nämlich bei seiner Verteidigungs-
ede gegenüber seinen Maßnahmen einerseits
^'geir den Stahlhelm und das Recht der Ve-
iten und seinem Eintreten andererseits für
ie Stadtverwaltung Berlin bezw. zugunsten
ks Falles Älarek (Zuruf). — Ja, Herr Kol-
plle Falk, dann lesen Sie doch bitte die betref-
^nden Ausführungen durch! Sie sind in der
ganzen Presse übereinstimmend in der Fassung
leergegoben, daß der Minister meinte, dreier
sich bedauerliche Fall Sklerek sei lediglich zu
^er großen politischen Sensation und Agi-
"lion ausgenutzt worden. (Zuruf).— War-
en einen Augenblick! — Die Staasregie-
'^g würde, wie auch immer das Ergebnis
Untersuchung auslaufen würde, es ableh-
diesem Einzelfall grundlegende Bedeu-
^^g für die Frage der —(Zuruf links).
. Gott, Herrschaften, seid Ihr denn schon so
T^rvös, daß Ihr nicht mehr anhören könnt,
sb«s Euer eigener Minister gesagt hat! — Er
Mte also: daß er es ablehnen müsse, diesem
Finzelfall grundsätzliche Bedeutung für die
'trage der Selbstverwaltung und Selbstverant-
kortung beizulegen. Ja, verehrter Herr Mi-
nister Grzesinski. von einer Selbstverwaltung
Und noch weniger von einer Selbstvterantwor-
'Ung können Sie im neuen Deutschland, soweit
°'e Kommunalvertretung in Betracht kam int,
°och überhaupt nicht mehr reden. (Sehr richtig!
ei der Wirtsch.-P.) Nein, meine Herren, seit-
em wir die Weimarer angeblich freieste Ver-
gasung haben, ist den Gemeindeverwaltungen,
en städtischen Verwaltungen ja die eigentliche
Selbstverwaltung genommen. Sie sind ledig-
M Geldempfänger beim Reich: und wer am
schnellsten das Geld ausgibt, also am schlech-
tsten wirtschaftet, der hat am ehesten auch
Wieder Aussicht, sofern in der Reichskasse noch
^d>as vorhanden ist — augenblicklich ist ja der
Falles ziemli groß, aber es gibt ja immer noch
Zwangsmittel, sie wieder aufzufüllen —, wie-
einen kleinen Nachschuß zu bekommen. Und
^Un die Selbstverantwortung! Ja, die Selbst-
^rantwortung. die Trägerin des Prinzips der
Individualwirtschaft, die Voraussetzung des
Erfolges jedes wirtschaftlichen Unternehmens,
P ja längst zugunsten der Fiirsorgepflicht des
Maates fürf ast jedermann abgelöst. Gerade
°tse Ertötung der Selbstverantwortunq zu-
ödsten eines falsch verstandenen Solidaritäts-
frankens ist ja unser Unglück. (Sehr gut! bei
fr Wirtsch.-P.) Also, Herr Minister Grze-
frski. lassen Sie bitte in Ihrer Verteidgung
are schönen Worte von Selbstverantwortung
!'Nd Selbstverwaltung weg! Der Fall Sklarek
f zu einer großen oder wüsten Agitation —
meinte der Herr Minister — ausgenutzt,
frr Minister, dann empfehle ich ihnen aber
ferboi. nicht unsere Presse, sondern die Ihnen
Nahestehende demokratische Presse, vor allen
Fingen die Voß., das Berliner Tageblatt, die
Frankfurter Zeitung, nicht einmal eine Der-
lllrer Zeitung, und die große Zahl der übrigen
Demokratischen Blätter zu lesen. Da finden Sic
Ausdrücke wie Korruptionssumpf, Schieberge-
fiifts. Saustall, Schweinewirtschaft, das Räu-
frwesen muß aufhören usw. Ich habe bisher
dicht gefunden, daß in der Rechtspresse in die-
Fr schmeichelhaften Weise eine Beurteilung des
Falles Sklarek zu lesen gewesen ist. Ein ganz

radikal demokratisch, vielleicht schon 99lk- Proz.
sozialistisch eingestelltes Blatt schreibt:
Böß ist das größte Hemmnis einer geord-
neten Stadtverwaltung, seine stärkste Eigen-
schaft ist seine Neigung zur Fassadenprotzerei.
Einen Saustall wie in der Berliner Stadtver-
waltung, in der er selber allerdings mit rei-
nem Herzen aber mit Sklarekkschen Pelzen fitzt,
auszumisten, ist er nicht geeignet (Hört, hört!
bei der Wirtsch.-P.)
Auch meine politischen Freunde meinen, daß
diese Korrruptionszustände nicht zur Förde-
rung des Ansehens der Reichshauptstadt ge-
eignet sind. Aber daran können wir nichts
ändern, und ich hätte keine Veranlassung ge-
nommen, heute darüber zu sprechen, wenn nicht
ausgerechnet, Herr Erezesinski diese ganze Ge-
schichte mehr oder weniger als eine Harmlosig-
keit hinstellt. Nein, Sklarek ist nur ein Glied
in der Kette von gleichen Geschäften, die heute
noch nicht aufgedeckt sind. Unser Unglück ist
die Einführung der sozialistischen Wirtschafts-
theorie bei einer bereits größeren Zahl von
Gemeinden. Niemals wäre es auch nur denk-
bar gewesen, daß bei Vergebung von Aufträ-
gen an das unter persönlicher Verantwortung
des Unternehmens stehende selbständige Ge-
werbe eine solche Korrupttonswirtschaft mög-
lich geworden wäre. Ein immerhin wohl von
allen Parteien sehr ernst zu nehmender Jour-
nalist, Herr Theodor Wolff vom Berliner
Tageblatt schreibt:
Es ist zu untersuchen, ob jene Unsauberkeit
aufkam, die immer entsteht, wenn manus ma-
num lavat — Also wenn eine Hand die andere
wäscht. — Und diese Untersuchungen dürfen
sich nicht nur aus die Affäre Sklarek beschrän-
ken. sondern der ganze geschäftliche Betrieb der
Stadt Berlin, auch die vielen Monopols und
Lieferungsverträge. die die Stadt Berlin ab-
geschlossen hat, müssen einer gründlichen Nach-
prüfung unterzogen werden: denn wenn ein-
mal an einer Stelle die Korruption aufgedeckt
ist, könnte zu leicht der Verdacht entstehen, daß
sie sich auch auf andere Terrains erstreckt. Be-
sonders recht hat Herr Wolff, wenn er weiter
sagt: Ja, ganz besonders oder doch nicht zu-
letzt auf die Terrains wird zu achten sein, auf
den Handel mit Baugrund, auf die Verwer-
tung des städtischen Hausbesttzes, auf die An-
käufe vmr Gütern usw. sHört, hört! bei der
Wirtsch.-P.)
Wir befinden uns also mit unserer Forde-
rung, daß eine gründliche Nachprüfung dieses
Korruptionsherdes vorgenommen wird, in sehr
angenehmer Begleitung. (Sehr richtig! (bei
der Wirtsch.-P.)
Braucht man überhaupt noch darüber nach-
zudenkcn') Wer das tut, der hat wahrschein-
lich die Berliner Hafenaeschichte im „Tempo"
nicht gelesen. Ein größeres Wirtschaftsverbre-
chen, eine größere Schädigung der städti-
schen Bevölkerung kann, glaube ich. der unge-
schickteste Mensch nicht begehen, als die Vertre-
ter ,der Reichshauptstadt Berlin begangen
Haben, indem sie u. a. die wertvollen städti-
schen Häfen auf einen Zeitraum von 56 Jah-
ren für 350 000 Mark vermieten bei einem
normalen Pachtwert von 250 Millionen Mark.
(Hört, hört! rechts.) Wenn das ein Privat-
mann gemacht hätte, verlöre er sein Geld und
ging pleite: aber den Schaden hätte er dann
ganz allein zu tragen. Wenn solche Ge-
schäfte aber eine Kommune macht, dann hat
die Kosten dieser kommunalen Mißwirtschaft
das Volk zu tragen, das Sie, meine Herren,
doch besonders von Schaden angeblich schützen
wollen. (Sehr richtig bei der Wirtsch.-P.)
Diese Mißstände beschränken sich aber nicht
auf Berlin. Man braucht ja herzte mir die

Zeitungen aufzuschlagen und kann ähnliche
Vorfälle bald bei dieser, bald bei jener Ver-
waltung feststellen. Vorgestern wird gemeldet,
daß ein Amtmann 50 000 oder 53 000 Mark
für sich anstatt für seine Wohlfahrtsempfänger
verwendet hat. sDie Wohnungsämter mar-
schieren in dieser Beziehung nicht an letzter
Stelle. Auch die Geschäfte der Reichsbahn sind
Gegenstand öffentlicher Diskussion.
Nicht ganz uninteressant ist auch das Urteil
über einen Lieferanten in Wiesbaden, der,
weil er die Stadt Wiesbaden um 70 000 Mark
geschädigt hat, zu 8 Monaten Gefängnis ver-
urteilt worden ist. Wenn der Mann für 70 000
Mark 8 Monate bekommt, dann müßten die
Sklareks für die etwa 15 Millionen je 150
Jahre Gefängnis bekommen. (Heiterkeit —
Zurufe bei der Soz.-Dem. P.: Einverstanden!)
Mir wollen einmal abwarten, Herr Kollege,
iob nicht mit Unterstützung einer gewissen
Presse die Richter wieder solange bombardiere
werden, bis die Herren Schieber nach berühm-
tem Muster trotz und alledem mit Bewäh-
rungsfrist begnadigt werden. (Sehr richtig!
bei der Wirtsch.-P.)
Aber, meine Damen und Herren, es kann
einem wirklich angst und bange werden, wenn
man angesichts dieser Unsauberkeit, dieses Nie-
derganges geschäftlicher Moral in öffentlichen
Betrieben sich einmal das Kommunalpro-
gramm der Sozialdemokratie vor Augen hält
und überlegt, wohin wir kommen würden,
wenn diese Programmforderunaen immer wei-
ter in dis Tat umgesetzt werden sollten. In
den sozialdemokratischen Richtlinien für das
Eemeindeprogramm wird gefordert: Schaffung
eines Reichskommunalisierungsgesetzes, das
eine Erweiterung des Rechts der Gemeinden
zur Kommunalisierung durch Begründung des
Rechts auf ausschließlichen Betrieb des Gewer-
bes bringt. (Hört, hört! bei der Wirtsch.-P.)
Durch Enteignung von einzelnen Betrieben
und Lieferung aller Bedarfsrvaren des täg-
lichen Lebens soll allmählich die ganze Wirt-
schaft in die öffentliche Hand überführt wer-
den. (Hört, hört! bei der Wirtsch.-P.) Das
ist aber noch nicht alles' Diese Kommunali-
sierung soll sich besonders erstrecken auf die
Regelung der örtlichen Vedarfsversorgung:
außer Wasser, Gas, Elektrizität auch Brenn-
ftoffoersorgung, Verkehrsmittel,Anschlagwesen,
Jnseratenwesen, Baustoffwesen, Apotheken,
Reinigungswesen. Bestattungswejen urrd Bil-
dungsrvesen. (Hört, hört! rechts.) Gott schütze
uns vor der Verwirklichung dieses sozialen
Programms! Meine Damen und Herein, es
wird Ihnen natürlich außerordenrl-ch peinlich
und unbequem sein, daß Sie ausgerechnet
einige Wochen vor den Wahlen diesen Reinfall
erleben müssen. Aber nehmen Sie die Ver-
sicherung entgegen: wir werden die Situation
bestens ausnutzen, um dem Volke an Hand die-
ser Vorgänge zu beweisen, daß der Sozialis-
mus nicht nur unfähig ist, Wirtschaftsbetriebe
zu führen, sondern das Volk ins Unglück führt,
wenn er noch weiter in die Verwaltung ein-
dringt. (Sehr richtig! bei Wirtsch.-P. — Zu-
ruf links.) — Oeffentliche Verwaltung, Herr
Kollege Kuttner und Wirtschaftsbetrieb find
zwei grundverschiedene Dinge. Sie z. B. find
— das Zeugnis gebe ich Ihnen — ein gewand-
ter Journalist, der andere ist ein sehr tüchtiger
Verwaltungsbeamter: aber beide können —
meistens sind sie es auch — ebenso schlechteWirt-
schaftsführer sein, und umgekehrt. Daher,
meine Damen und Herren: nicht jedem das-
selbe, sondern jedem das Seine, jeder an den
Platz, wofür ihm der liebe Gott die Eignung
gegeben hat!
Run, ich will mich nicht noch weiter auf
Zeitungsnachrichten berufen. Aber es ist

immerhin interessant, gerade in dieser Bezie-
hung noch einige Urteile der demokratischen
Presse wiederzugeben, z. B. des „8-llhr-Abend-
blatts". Dieses jagt: „Der Fall Sklarek ist,
neben anderem, eine vollständige Niederlage
des kommunal-sozialistischen Systems". Dem
haben wir nichts entgegenzuhalten. Am näch-
sten Tage schreibt das „8-llhri-ALendblatt":
„Es ist viel leichter, ein brauchbarer Bürokrat
zu sein, als ein wirtschaftlicher Chef. Deshalb
Umwandlung des Prinzips der Sozialisierung
und Schematisierung der wirtschaftlichen Ar-
beit und den Unternehmern gegenüber in das-
jenige der sozialen Privatisierung unter An-
wendung einer würtschaftsfrsundlichen Gesin-
nung seitens der Beamtenschaft."
Nun, meine Damen und Herren, ich glaube,
aus alledem sind wir uns wenigstens in der
Mehrheit in der Forderung einig, daß Schluß
gemacht werden muß mit der Methode, daß
Mandatsträger, ob Stadtverordnete oder Ab-
geordnete, stimmberechtigt in Ausschüssen oder
in Kommissionen sitzen, wo die Geschäfte ver-
geben, wo die Gelder — sieh z. V. die Haus-
zinssteuer — verteilt werden, an denen sie
selbst interessiert sind. (Sehr richtig! rechts!)
Die Fraktion der Wirtschaftspartei der Ber-
liner Stadtverordnetenversammlung hak be-
reits im Jahre 1927 eine Revision der kommu-
nalen Wirtschaftsbetriebe beantragt. Dieser
Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt wor-
den. Aber wie dem auch sei: wenn die Re-
publik nicht den letzten Rest von Ansehen ver-
lieren will, dann müssen auch die Herren oder
die Parteien, die jetzt die Regierung vertreten,
unbedingt dafür eintreten, daß eine Säube-
rung des öffentlichen Lebens von jenen Ele-
menten, ja, ich wage sogar zu sagen, von sol-
chen Schmarotzern erfolgt, die aus der Politik
ibre Geschäfte machen, und die sich an den
Opfern, die die Allgemeinheit aufzubringen
hat, die Hände reiben und große Gewinne
einstecken, (Bravo! bei der Wirtschv-P.)
*
Anfrage im Landtag.
Berlin. 22. Oktober. In einer Kleinen
Anfrage im preußischen Landtag zum Falle
Sklarek wurde das Staatsministerium gefragt,
ob es lereit sei, baldigst einen Gesetzentwurf
vorzulegen, der die Beteiligung der Städte an
privatwirtschaftlichen Unternehmungen gene-
rell verbietet oder für den Fall der Vernei-
nung dieser Frage baldigst einen Gesetzentwurf
einzubringen, der den Städten verbietet, Steu-
ermittel aller Art für Stammeinlagen, Ge-
schäftsanteile, Aktienkapitalien oder sonstige
Anlagen zu verwenden. Wie der Amtliche
Preußische Pressedienst auf Grund der Ant-
wort des Ministers des Innern mitteilt, be-
zwecken beide Fragen eine Einschränkung der
Freiheit und Selbstverantwortung der Selbst-
verwaltung, die die Statsregierung grundsätz-
lich ebenso ablehnt, wie sie bereit ist. im Rah-
men der gesetzlichen Möglichkeiten Mißständen
entgegenzutreten. Die Staatsregierung könne
sich in dieser Stellungnahme durch Einzelfälle
nicht beirren lassen.

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