Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes — 1929

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42440#0057
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Heidelberger

Nr. 12

Sonniag, II. November

Das lernt -er Mittelstand aus -em

Sklarek-Gkan-al?

die Konjunktur rückläufig wird, wenn

die paar Pfennig abqenommen werden,

2.

3.

Stadtverordnetensitzung ja auch gar

w
n,
ei
en
el
en

An
es
vor
Versammlung in den 4 größten Sälen, in de-
nen die Lebensmitlelkaufleute und Handwer-
ker gegen die Bevorzugung der Warenhäuser
durch die Stadt Berlin protestierten und an
die Massenversammlung des Berliner Einzel-
handels aus Anlaß des Sklarek-Skandals.
Trotz allem kauft aber auch heute noch die Frau
des Handwerkers ihr Fleisch und die sonstigen
Lebensmittel im Warenhaus, anstatt beim
Fleischermeister, beim Kolonialwarenhändler
oder im benachbarten Obst- und Gemüseladen.
Ja. es soll sogar Handwerker- und Kaufleute-
Frauen geben, die ihre Hüte, Kleider. Haus-
haltungsgegenstände und andere Artikel im
Warenhaus kaufen, weil sie dort doch so schön
ungeniert und lange kaufen können, die Sachen
frei ins Haus geliefert bekommen und auch
noch ungeniert umtauschen können", obwohl
sie für diese Sachen nachgewiesenermaßen dort
oft mehr bezahlen müssen, wie beim kleinen
Einzelhändler, von der Qualität erst gar nicht
zu sprechen. Auch das Berliner Kartell des
selbständigen Mittelstandes hat vor kurzem be-
schlossen, die Aufklärungsarbeit am Berliner
kaufmännischen und gewerblichen Mittelstand
noch eifriger als bisher zu betreiben. Hoffent-
lich wird das Reich auf diesem Gebiet nicht
nachstehen. Jetzt erkennt man auch erst so rich-
tig, wie gut es war, daß die Wirtschaftspartei
vor einiger Zeit den Beschluß faßte, zu den

töA ..
iese"»Iso'o

er
'S
>n
)N
Ke

Stadtverordnetnwahlen möglichst eigene Li-
sten aufzustellen. Bleibt nur noch übrig, daß
bei den Stadtverordnetenwahlen jeder, aber
auch wirklich jeder, seine Pflicht tut. Diese be-
steht nicht nur darin, daß er selbst wählt, son-
dern, daß auch seine Frau und seine wahlbe-
rechtigten Kinder und Familienangehörigen
zur Wahl zugunsten der Mittelstands-Liste an-
hält.
Das sind die Lehren, die der Mittelstand
aus dem Sklarek-Skandal zu ziehen hat und
hoffentlich auch ziehen wird.
Otto Broschar-Berlin.
*

In einem beachtenswerten Artikel
schreib Theodor Wolff im „Berliner Ta-
geblatt": Die drei Brüder Sklarek, um
die der Skandal sich rankt, wie der Rosen-
flor um die drei Grazien, kannten, wie in
einem späten Augenblick Wilhelm II.
keine Parteien mehr. Oder, um es rich-
tiger zu sagen, sie kannten alle und zo-
gen vorurteilslos jeden Parteimenschen,
der sich ihnen näherte, an ihre Tafel,
ihr Paletotlager und ihr Herz. Es wurde
bei ihnen republikanisch soupiert, deutsch-
national und völkisch gesoffen, kommuni-
stisch mit Knallbonbons geknallt.

Stadtparlament lieferte dafür ein Schauspiel,
wie es kläglicher und erbärmlicher nicht gedacht
werden kann.
Die Sklareks fitzen im Untersuchungsgefäng-
nis und die Debatte über sie muß daher prak-
tisch vorläufig beschlossen bleiben. Das Wort
hat hier zunächst der Richter. Darauf kam es
bei dieser " '
nicht an. Auf der Anklagebank vor diesem
Tribunal saß vielmehr das System der neu-
zeitlichen. sozialistisch beeinflußten Kommunal-
politik — dieses Systeni, auf dessen Giftboden
die Sklarekgaunereien wuchsen, dieses System,
das unsere ganze öffentliche Kommunalverwal-
tung diskreditiert hat, ein System also, das
die Stadt Berlin in einen Sumpf der Kor-
ruption und der Bestechlichkeit, der Gaunereien
und Betrügereien, der Durchstechereien verwan-
delt hat.
Diejenigen Kreise des deutschen Volkes, die
sich noch einen Sinn für gesunde Wirtschaft,
für Ehrlichkeit und Lauterkeit in der öffent-
lichen Verwaltung gewehrt haben, waren mit
Recht neugierig darauf, welche Beschlüsse und
Entschlüsse das Tribunal der Berliner Stadt-
verordnetenversammlung fassen würde. Diese
Kreise sind enttäuscht worden, wenn sie glaub-
ten. daß der gesunde bürgerliche Sinn sich
schließlich doch durchsetzen müßte. Er hat sich
nicht durchgesetzt. Die Berliner Linksparteien,
die im Berliner Rathaus regieren, wollen von
ihren korrupten Methoden nicht lassen. Par-
teigeist hat über die Vernunft triumphiert

Zu der gleichen Frage führte Oberbürger-
meister Dr. Lehr, Düsseldorf, auf einem parla-
mentarischen Abend, den die Stadt gab, aus:
„Vor einigen Tagen hat der Deutsche Städ-
tetag eine Konsolidierung der kurzfristigen
Schulden beschlossen. Geht man an diese Auf-
gabe nur von dem Gesichtspunkt heran, den
Einlagenzuwachs der Sparkassen in den gesetz-
lich zulässigen Grenzen zu verwenden, so bleibt
das Ganze eine unzureichende, rein finanztech-
nische Maßnahme. Die Anleihepolitik der
Städte kann nicht losgelöst betrachtet wetden
von der großen Finanzreform, auf die wir alle
warten. Ein wichtiger Teil der kurzfristigen
Schulden der Städte stammt nicht aus dem
außerordentlichen, sondern aus dem ordentli-
chen Etat. Laufende Unterhaltungsarbeiten
und laufende Ausgaben gehören nicht in das
Extraordinarium. Für das Anleiheprogramm
muß der alte gesunde Grundsatz wieder Gel-
tung bekommen, daß Anleihen nur für wer-
bende Zwecke ausgenommen werden dürfen.
Dazu bedarf es der klaren Trennung der Steu-
erquellen, der Zuständigkeiten und der auf der
Selbstverantwortung beruhenden Finanzauto-
nomie."

> Weil die Wirtschaftspartei in dieser Skan-
slangelegenheit mit einer wirklich reinen
e dastehl, hat sie als Nutzanwendung da-
zur Klärung der Situation einen Vor-
gemacht. Sie hat im Preußischen Landtag
^en Antrag eingebracht, in dem sie darauf

der verfassungsmäßig gewährleistete Schutz
des Mittelstandes in Handwerk. Handel
und Gewerbe gegenüber den staatssozialisti-
schen und privat-monopolistischen Bestre-
bungen wirksam durchgeführt wird:
die staatlichen und kommunalen Regiebe-
triebe zunächst auf die sogenannten „lebens-
wichigen" Wirtschaftszweige, wie Gas-,
Wasser- und Elektrizitätsversorgung gesetz-
mäßig beschränkt, Nebenbetriebe nicht un-
terhalten werden und schärfste Kontrolle
der Betriebe, insbesondere auf finanziellem
Gebiet, durchgeführt wird:
umgehend ein Ausschuß von Sachverständi-
gen eingesetzt wird, der alsbald dem Land-
tag Vorschläge zur Einschränkung und Ver-
billigung des übermäßig aufgeblähten Ver-
waltungsapparates auf allen Gebieten im
Rahmen einer grundlegendenVerwaltungs-
reform unterbreitet.
Es hat wirklich nicht viel Zweck, wenn auch
wir in das Lamento der schuldigen Parteien
— und nach dem eingangs erwähnten Artikel
im Berliner Tageblatt find alle Parteien
schuld — und ihrer Organe einstimmen. Diel
wichtiger scheint uns die Frage:
Wird der kaufmännische und der ge-
werbliche Mittelstand aus dieser Skan-
dalgeschichte nun einmal etwas lernen?
Aufklärungsarbeit in seinen Reihen fehlt
wirklich nicht. Erinnert sei nur an die
kurzem in Berlin stattgefundene Massen-

hinweist, daß dieKorruptionsajfären, Betrugs-
skandale und Veruntreuungen in der letzten
Zeit geradezu in beängstigender Weise auf al-
len Gebieten der staatlichen und kommunalen
Derwltung sich mehrten. Verantwortlich für
diese, das Ansehen des Staates und der Kom-
munen aufs schwerste schädigenden Entartung
des öffentlichen Verwaltungsapparates, sei in
erster Linie das Eindringen der öffentlichen
Hand in alle Zweige der Privatwirtschaft. Diese
wirtschaftliche Betätigung des Staates und
insbesondere der Kommunen habe den selb-
ständigen Mittelstand, Handwerk und Gewerbe
auf schwerstes geschädigt änd seiner Existenz-
möglichkeit beraubt. — Nach einem Hinweis
auf den Sklarek-Skandal wird das Staatsmi-
nisterium ersucht, dafür zu sorgen, daß

MttelMdlerisch-VWchMiche Zeitung
Zeitung für gesunde Wirtschaftsinteressen des gewerblichen
Mittelstandes, des Handwerks, Handels, Haus- und Grund-
besitzes, der Landwirtschaft, freien Berufe und aller sich zürn
Mittelstand rechnenden Kopf- und Handarbeiter.

Kommunalverwaltung zu bestimmen haben,
welche auch die Lasten tragen und die Steuern
aufbringen!" Dazu aber reicht der Mut nicht
aus. Und die Zahl der aufrechten Männer
in der Gesetzgebung ist zu klein, um hier Reme-
dur zu schaffen.
Die kommunale Finanzmißwirtschaft wird
eben weiter fortgesetzt. Man wird auf den
Sparkassen jeden verfügbaren Groschen „erfas-
sen", so lange diese Quelle eben noch fließt.
Die Herren Oberbürgermeister find heute in
der Kommune vielfach nicht mehr die Schie-
benden, sondern die Geschobenen. Und zwar
werden sie vorwärts geschoben und gestoßen
durch die Politik de, Straße. So lange die
Herren Vodenreformer, Sozialisten. Staatsso-
zialisten usw. am Ruder find, wird weiter fort-
gewurstelt. Um am Ruder zu bleiben und die
zum Teil fetten gewerkschaftlichen und sonstigen
Pfründen nicht zu verlieren, muß man weiter-
hin bewilligen, bewilligen, bewilligen....!"

Mweftdeutsche Mrger-zeituug
Bezugspreis monatlich 0,50 Reichsmark. Bei Postbezug vier-
teljährlich 1H0 Reichsmark. Für ausgefallene Nummern wird
kein Ersatz geleistet. Der Jnsertionspreis ist 10 Reichspfennig
für die achtgespaltene Millimeterzeile oder deren Ramn.
Reklamen 0,40 RM pro mm-Zeile.

"-sie kannten alle...." Leider liegt
: diesen drei Wörtern eine bitterernste Wahr-

lft
ig'
Mi


Varteigeist triumphiert.
Berliner Linksparteien sanktionieren
Sklarek-Skandal.
Die Berliner Stadtverordnetenversamm-
lung hatte in ihrer letzten Sitzung Gelegenheit
zu einer historischen Tat: diese Sitzung sollte
ein Tribunal sein — ein Tribunal über den
Sklarekgeist der Berliner Verwaltung, über
den Geist der Korruption und der Bestechung,
über den Geist der Versumpfung unserer öf-
fentlichen Verwaltung! Sie ist alles andere
als ein Tribunal geworden, sie wurde zu einer
kläglichen Fratze unseres heutigen kommunal-
politischen Systems. Die Oeffentlichkeit hatte
mit Recht eine Tat erwartet, das Berliner

Aus unserem Leserkreise wird uns geschrie-
ben:
„Die Großbanken pumpen den sozialistisch
verseuchten Kommunen nichts mehr, die Aus-
landsbanken auch nicht. Jetzt will man also
zur ultima ratio, zu den Spargroschen des klei-
nen Mannes aus dem Mittelstände seine Zu-
flucht nehmen. Also 50 Prozent der Mehrein-
lagen der Sparkassen sollen es schaffen. Und
wenn
ferner die Steuern anziehen und dem kleinen
Mann
die er bisher noch auf die hohe Kante legen
konnte, die Leute also nichts mehr sparen kön-
nen, und die Mehreinlagen ganz oder zum
größten Teil ausbleiben! Was dann? Oder
wenn die kleinen Leute, die zu der hohen Kom-
munal-„Politik" unserer Kommunalparlamente
kein Vertrauen angesichts dieserZwangsanleihe
es für ratsamer halten, ihr Geld nicht mehr
zur Sparkasse zu bringen, sondern es bei ir-
gend einer soliden Bank zu deponieren! Ge-
branntes Kind scheut das Feuer! Was dann?
Die Kommunalverwaltungen legen selbst-
verständlich zehn heilige Eide darauf ab, daß
nun aber auch an allen Ecken und Enden ge-
spart, oder, wie der moderne Terminus tech-
nicus lautet, „gedrosselt" werden soll. „Die
Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der
Glaube!" Wie oft schon sind wir mit derarti-
gen Versprechungen abgefüttert worden! Rich-
tiger wäre es wohl gewesen, wenn man zunächst
einmal ein Sparprogramm entwickelt und es
in die Wirklichkeit umgesetzt hätte, um dem
Volke zu beweisen, daß hinter dem Worte auch
die Tat steht. Aber nichts von alledem. Von
der Vorlegung eines brauchbaren, durchführ-
baren Sparprogramms hat man auf der Ber-
liner Tagung nichts gehört. Uebrigens. was
nützt uns auch ein Sparprogramm? Die be-
sten Absichten würden durch die Beschlüsse be-
willigungssreudigcr Kommunalvertreter, die
nichts zu verlieren haben, sondern sich nur nach
unten beliebt machen wollen, über den Haufen
geworfen.
Als einzig wirksames Rezept wäre zu nen-
nen: „Aenderungen des kommunalen Wahl-
rechts in der Richtung, daß diejenigen in der

»Ad
dabe man damals auf
ina^n Volke" nicht geachtet.
__

Und gerade deshalb müssen sie ergänzt
rden. Es gibt eine Partei, die, wie in al-
ähnlichen Fällen, so auch hier, mit einer
ollig reinen Weste dasteht. Und das ist, um
toE lllejch vorweg zu sagen, die Reichspartei des
Mittelstandes (Wirtschaftspartei). Es
lAressant, zu beobachten, wie die einzel-
Parteien in ihren Parteiblättern sich be-
reGo die Schuld an diesem Skandal entweder
dch ad- und auf andere zu wälzen, oder
ganze Angelegenheit als noch nicht spruch-
bezeichnen, man müsse vielmehr erst das
' btersuchungsergebnis des Staatsanwaltes ab-
. Een. Es soll an dieser Stelle nicht unter-
bracht werden, wie weit die einzelnen Parteien
wd^iv. Parteimitglieder an diesem letzten Endes
iart^dzig und allein den kaufmännischen und ge-
tttte! .Eichen Mittelstand treffenden Skandal be-
>nn/H'Kt find. Bei den täglich viele Zeitungs-
WxMlten füllenden Veröffentlichungen find ja
allerlei Namen genannt worden und neue
Melken vielleicht noch hinzu kommen. Im Ee-
^Eatz zu den anderen Parteien hat aber —
- das soll hier ausdrücklich festgestellt wer-
. k — die Wirtschaftspartei bezw. ein Führer
nnb Partei nicht etwa in gewundenen Redens-
ds^kn versucht, sich rein zu waschen und die
sei^Ault» auf andere abzuwälzen, sondern klipp
nzgi bd klar erklärt, daß von dieser Seite schon
" or Jahren diese Mißwirtschaft durchschaut und
^Aen sie Stellung genommen worden sei, lei-
habe man damals auf diese „Stimme aus
, . Der Obermeister
* Berliner Schneiderinnung, Stadtverordne-
r Max Hake, schilderte in einem Artikel in
Glitter und anderen Zeitungen „Ich klage
* - - !", daß er bereits am 3. November 1927,
- vor zwei Jahren, zum ersten Mal in der
Einer Stadtverordnetenversammlung auf
skandalösen Zu stände aufmerksam gemacht
'" Aber da schon damals „oben auf den
ken der Stdträte zum Teil gute Freunde
«Nlareks saßen, die ihnen durch billige An-
und sonst allerlei verpflichtet waren, und
Meinem Angriff so wenig Beachtung schenk-
> daß sie nicht einmal eine Untersuchung
r nötig hielten.Was so ein Handwerks-
ster doch schon erzählte" (so klagt wörtlich
verweister Hake in seinem Artikel) blieben
Ne damaligen Warnungen leider ungehört,
s wäre besser gewesen, man hätte damals in
Berliner Stadtverordnetenversammlung
der Mahnung Wagners im „Meistersinger
Nürnberg" erinnert:
Verachtet mir Vie Meister nicht!
n bis zwölf Millionen und die Bloßstel-
^Ng wären der Stadt Berlin erspart geblie-

Mittelstands-Zeitung
Unabhängiges KaniMatt Br die Snteressen le« deutschen Mittelstand«

kN
n-
lz^hfgang 1929
en""
ch
 
Annotationen