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Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes — 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.42440#0073
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Einzelpreis 15 Psg,

Seidelberger

Ar. 16

rgang 1929

Sonntag, IS. Dezember

Etappen znr Finanzreform?

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beiden Rechnungsjahren 1930 u. 1931 auf keü
nen Fall dis Einnahmen des Rechnungsjahre!
1929 überschreiten darf, ferner, dass die
gaben in den Ländern und Gemeinden
dem der beiden Rechnungsjahre

Etappe um den Betrag zu verkürzen seien, der
sich aus der uneingeschränkten Aufwendung
der tztj 4v und 41 des Reichsbesoldungsgesetzes
auf alle Länder und Gemeinden ergebe, daß
weiter die Sachausgaben der Länder und Ge-
meinden um 2 Prozent gegenüber den Ausga-
ben von 1929 zu senken seien. Länder und Ge-
meinden hnllßten Zuschlagsrecht zur Einkom-
mensteuer und dadurch die Möglichkeit zur er-
höhten Teilnahme an ihrem Aufkommen er-
halten.
Als Schlußfolgerungen der Ausführungen,
die Mosich zur zweiten Etappe seiner Finanz-
reform macht, ergibt sich ihm folgender Plan:
a) Senkung der Hauszinssteuer per 1. April
1932 um 380 Millionen RM. mit der Sicher-
heit, ihrer alljährlichen weiteren Senkung um
je etwa 160 Millionen RM. bis zur völligen
Aufhebung im Jahre 1940. Von 1940 ab kom-
munale Mietzinssteuer mit 300Millionen RM
Höchsterträgnis, b) Senkung der Einkommen-
steuer im Ausmaß von 320 Millionen RM.
Geht man dabei vom heutigen Gesamteinkom-
men aus, so würde der in der ersten Etappe
vorgeschlagenen allgemeinen Senkung um 10

Nach wie vor werden aus allen Kommunen
Kreditwünsche laut, die auch für denFall einer
nur teilweisen Erfüllung insgesamt Beträge
von Milliardenhöhe ausmachen. Allein Ber-
lin ist mit Einschluß der kommunalen Betriebe
mit 400 Millionen RM. kurzfristig verschuldet
bei einer Eesamkverschuldung von 1100 Milli-
onen RM. (gegenüber nur 180 Millionen
RM. 1924) und bei einer durchschnittlichen
jährlichen Schuldenvermehrung von rund 200
Millionen RM. seit 1924 und bei einer jähr-
lichen Zinslast von mindestens 100 Millionen
RM. Nach der allgemeinen Ansicht derjenigen
Institute, idie sich mit dem Kommunalkredit
befassen, stehen aber die kommunalen Kredit-
wünsche zum mindesten für die nächsten zwölf
Monate vor dem Nichts. Für Kommunalschuld-
verschreibungen ist überhaupt kein anlagewil-
liges Kapital mehr da: der Anleihemarkt hat
schon seit Monaten (von einigen besonders ge-
lagerten Ausnahmen abgesehen) vollständig
versagt: sofern die Kommunen überhaupt zu
12—13 Prozent Geld bekommen haben, war
das nur möglich in Form von kurzfristigen
Krediten. Auf dem Finanzgebiet sind die
Kommunen viel zu lange viel zu optimistisch
gewesen: dadurch haben sie mit die Kapital-
knappheit und die Zinsteuerung erzeugt, un-
ter der die Allgemeinheit jetzt so stark leidet
und unter deren Einwirkungen hauptsächlich
die Zusammenbrüche der letzten Zeit entstan-
den sind. Unter dem Einfluß der Kommunen
haben sich auch die Sparkassen stark übernom-
men: sie glaubten, mit einem alljährlich wach-
senden neuen Zugang rechnen zu können: statt
dessen trat ein Rückschlag ein: die Sparkassen
werden deshalb kaum in der Lage sein, die
von ihnen übernommenen eigenen Verpflich-
tungen einlösen, ohne auch noch den Kommu-
nen helfend beispringen zu können, wie es in
dem vor kurzem verkündeten kommunalen
Umschuldungsprogramm vorgesehen ist.

Damit ist ein für die finanzielle Weiter-
entwicklung der Kommunen besonders heikler
Punkt angeschnitten. Denn nach Mitteilungen
der Rheinischen Landesbank „droht die hohe
kurzfristige kommunale Verschuldung zu einer
Katastrophe für Kommunen und Sparkassen
auszuwachsen: eine einzige Katastrophe bei ir¬

gend einer deutschen Kommunalverwaltung
könne bewirken, daß das bisher noch unge-
trübte Vertrauen in die Sicherheit und Li-
guidität aller deutschen Sparkassen zerstört
werde." Diese Ausführungen sind durchaus
richtig: sie finden ihre Bestätigung in den Be-
obachtungen, die man in den letzten Wochen
bei den zahlreichen Zusammenbrüchen von
Banken (insgesamt rund 100 seit Beginn die-
ses Jahres) hat machen können. Im Gedenken
an die Inflation ist die Sorge um das noch
vorhandene bzw. bereits wieder erworbene
Vermögen gerade bei kleinen Einlegern so
groß, daß jeder an sich unbedeutende Zwischen-
fall sofort zu Gerüchten, Verallgemeinerungen
usw. Anlaß gibt, die sich auf die Gesamtheit
der betroffenen Institute übertragen. So ent-
steht aus dem Einzelfall der Eesamtfall. Die
Kommunen und die Sparkassen werden den-
selben Gerüchten, damit aber auch denselben
Zusammenbrüchen, ausgesetzt sein, wenn sich —
wie jetzt bei den Banken — eine offenkundige
Zahlungsunfähigkeit auch nur einer Stelle er-
gibt. Hier sind folgenschwerste Möglichkeiten
vorhanden, über deren Bedeutung man sich
rechtzeitig selbst volle Klarheit geben sollte.
Ob die Wiederherstellung einer günstigeren
Finanzlage Sei den Kommunen ohne entspre-
chende Abstoßung der in den letzten Jahren in
teilweise recht beträchtlicher Höhe erworbenen
bzw. ausgcbauten Kommunalanlagen (im Ge-
samtwert von 8—1V Milliarden RM.) möglich
ist, bleibt fraglich. Eine Finanzierung des
Kommunalbedarfs auf dem Steuerwege ist
ausgeschlossen, nachdem bereits in der kurzen
Zeit von 1925/26 bis 1927/28 allein das Auf-
kommen an Grund- und Eebäudesteuern um
ein Drittel gestiegen ist. Die kommunale
Finanznot kann vielmehr ihre endgültige Be-
reinigung erst nach einer wirklich grundsätzli-
chen Kommunalreform finden, die an das
Kernübel der ibischerigen Ausgabenwirtschaft
(zu komplizierte und kostspielige Verwaltung
und die Verantwortungslosigkeit vieler Aus-
gaben bewilligender Stellen) geht. Vor allem
ist auch notwendig eine viel genauere als die
jetzige gegenseitige Kontrolle der Kommunen
untereinander: es geht nicht an, daß finan-
ziell gut verwaltete Kommunen für die Sün-
den von Leichtsinnigen mitbüßen.

Prozent hier eine nochmalige Senkung von et-
wa 15 Prozent folgen.
Soweit Mosich. Seine Vorschläge sind in
hohem Maße beachtenswert, und vor allen
Dingen ihre grundsätzlichen Fundamente be-
dürfen der ernsthaftesten Prüfung auf ihre
praktische Anwendbarkeit auf die Finanzre-
form. Die in den nächsten Tagen erscheinende
Denkschrift des Reichsverbandes wird Gelegen-
heit geben, sich ein Bild darüber zu machen,
welche Gemeinsamkeiten in der Erundanschau-
ung und in den vorgeschlagenen Maßnahmen
bei den einzelnen Vorschlagenden sich ergeben,
und wo und aus welchen Gründen sie sich un-
terscheiden Die Tat der Finanzreform ist da-
mit mehr als ausgiebig theoretisch vorbereitet,
und die Frage, wie weit ihre praktische Durch-
führung nunmehr beschleunigt in Angriff ge-
nommen wird, wird wahrscheinlich unserem
heutigen Regierungssystem die letzte und ent-
scheidende Bewährungsmöglichkeit bieten. Di«
finanzpolitisch trockene Schwüle hat lange ge-
nug gedauert, das Wetterleuchten ebenfalls.
Es wird Zeit, daß es endlich einmal erfri-
schend donnert und regnet.

MUMMleMch-MMMM JeiLmg
Zeitung für gesunde Wirtschaftsinteressen des gewerblichen
Mittelstandes, des Handwerks, Handels, Haus- und Grund-
besitzes, der Landwirtschaft, freien Berufe und aller sich zum
Mittelstand rechnenden Kopf- und Handarbeiter.

Möglichkeit der gesteigerten Verbrauchssteuern
in die Konsumkraft der großen Verbraucher-
massen in einem genügenden Ausmaß für
nicht gegeben und befürchtet die Abwälzung
derartiger Verbrauchssteuererhöhung auf den
Lohnfonds der Wirtschaft. Bis 1914 hätte der
Ueberwälzungsprozeß beim Preis des letzten
Konsumenten 'Halt gemacht. Heute dagegen
dehne er sich mit Hilfe der gegenwärtigen
Schlichtungspraxis auf den Lohnfonds der
Wirtschaft in vielfacher Erweiterung und Ver-
allgemeinerung aus. Die Pläne Hilferdings,
der ja bekanntlich so viel ha: wissen lassen,
daß er eine Verbrauchssteusrerhöhung durch
eine weitere Hinaufsetzung der Steuerfrei-
grenze im Rahmen der Einkommen- undLohn-
steuer kompensieren will, bezeichnet Mosich als
taktisch bedingt und weist ihre Unwirksamkeit
hinsichtlich ihres Entlastungszweckes bei klei-
neren Einkommen nach. Nur die höheren
Lohnschichten, etwa ab 3000 RM. würden eine
geringeEntlastung erfahren, während alle ,on-
stigen Lohnsteuer- und Veranlagungspflichti-
gen sich eine zusätzliche Belastung gefallen las-
ser: müßten. Ein Versagen der Finanzreform
auf dieser Ebene bereite einen neuen Sieg des
Fiskalismus über die wirtschaftliche Vernunft
vor insofern, als in der Fortdauer der alten
wirtschaftlichen Schwierigkeiten ein Beweis
für die Unfähigkeit der Privatwirtschaft zur
Meisterung der hier gestellten Aufgaben trotz
allen Entgegenkommens der Finanzpolitik er-
blickt werden könnte.
Mosich denkt sich die Durchführung der Fi-
nanzreform in zwei Etappen, von denen die
erste vom 1. April 1930 an und die zweit? vom
1. April 1932 an durchgeführt werden solle.
Als Ergebnis bringen Mosichs Reformvor-
schläge eine größere Steuersenkung als die
Vorschläge von Stolper und Reinhold. An
steuerlichen Gesamtsenkungsmöglichkeiten erge-
ben sich ihm. soweit diese den Rsichshaushall
betreffen, 1,3 Milliarden RM. für die erste
Erappe, die sich zusammenjetzen aus dem
Huushaltsanteil von 400 Millionen RM. an
der Reparationserleichterung, dem Abbau der
inneren Vorbelastungen in Höhe von 600
Millionen RM., aus der einmaligen Verwen-
dung des Reservefonds der Bank für deutsche
Jvdustrieobligationen in Höhe von 100 Milli-
onen RM. und der Steigerung des Erträg-
nisses der Einkommen- und Körperschaftssteu-
ern aus der Aufhebung der Gewerbesteuern
und der Jndustriebelastung in Höhe von 200
Millionen RM. Auf dieier Basis schlägt Mo-
sich die Aufhebung der Gewerbesteuern mit
ernem Ertrage von 850 Millionen RM. vor,
ferner die Aufhebung der Kapitalertrags-
steuern mit 40 Millionen NM., die Aufhebung
der Zuckersteuern mit 150 Millionen NM. und
die Auseinanderziehuna des Einkommensteuer-
tarifes mit 260 Millionen RM.. also mit
einem Gesamtertrag von 1,3 Milliarden RM.
Dazu kommen noch die Entlastungen in Höhe
non 385 Millionen RM., die sich aus der Auf-
hebung der Jndustriebelastung und der Ren-
tenbankzinsen für die Landwirtschaft ergeben.
Hinsichtlich des Finanzausgleichs spricht sich
Mosich für einstweilige Beibehaltung des heu-
tigen Ueberweisungsshstems aus. Das Reich
habe den Ländern und Gemeinden den Ein-
nahmeausfall in Höhe des Gewerbesteuerauf-
kommens von 850 Millionen RM, aus eige-
nen Mitteln im Rechnungsjahr zu ersetzen. Da-
bei verlangt Mosich aber gesetzliche Garantien
dafür, daß die Gesamtausgabe des einzelnen
Landes oder der einzelnen Gemeinde in den
.
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Aus-
in je-
ersten

Das Ende des Kommnnalkredits?
Zu kostspielige Verwaltung. - Liebertriebene Kommunalanlagen in SSHe
von 8-10 Millionen RM.

MmeWeutsche Mrger-Zeitmg
Bezugspreis monatlich 0,50 Reichsmark. Bei Postbezug vier-
teljährlich' 1,50 Reichsmark. Für ausgefallene Nummern wird
kein Ersatz geleistet. Der Änscrtionspreis ist 10 Reichspfennig
für die achtgespaltene Millimeterzeile oder deren Raum.
Reklamen 0,40 RM pro mm-Zeile.


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'äufiges Wetterleuchten kündigt oft das
dde Gewitter an. Auf finanzpolitischem
ete wetterleuchtet es in Deutschland schon
geraumer Zeit. Aber donnern will es
- Wir haben nun eine ganze Anzahl si-
»politischer Reformpläne, Programm-
llen und Anregungen, von denen nur der
rmzplan Stolpers, die Finanzwirtschaft
,^kof. Mann und das Finanzprogramm
Sholds genannt seien. In diesen Tagen
' ^breitet der Hansabund mit den „Materi-
Lur Finanzreform" von Ernst Mosich
"effentlichkeit einen neuen Beitrag zu
^großen Thema der Stunde. Für den An-
i Dezember hat bekanntlich außerdem der
./^verband der deutschen Industrie gleich-
eine Denkschrift unter dem klaren, die
^native der gegenwärtigen Lage treffend
Zeichnenden Titel „Aufstieg oder Nieder-
in Aussicht gestellt. Es wetterleuchtet
rmmer noch, und es wetterleuchtet wei-
» Rur derjenige, der es donnern lassen
te, hex Reichsfinanzminister, schweigt sich
.Er läßt von seinen schamhaft verhiill-
: "icht mehr erkennen, als der an-
^Mdias von seiner Eitelkeit.
Ee Pläne Mosichs sind insofern umfassen-
Stolpers, mit denen er sich vor-
ulend auseinandersetzt, als Mosich den Er-
h-^ner gründlichen Finanzreform nur dann
Yrleistet sieht, wenn sie von der breiten
ge einer im Kurs herumqeworfenen Wirt-
Mspolitik getragen wird. Während Stol-
- davon ausgeht, daß der Aufgabenkreis
7 damit im wesentlichen der Finanzbedarf
' Reiches stabilisiert sei und so von dieser
Misse aus zu seinen grundlegenden Vor-
agen bezüglich des Finanzausgleichs und
...Erteilung der Steuerquellen kommt, geht
mit Recht über diese Voraussetzung
»Nichts wäre gefahrvoller, als wenn
l ^0" einem entscheidenden Funktionswan-
der Finanzpolitik (Tatbestand der politi-
„is Zweckbestimmung von 50 Prozent des
seinkommens) ausgehend, nur in einer
"nzreform im engeren Sinne die Aufgabe
u stunde erblickte. Ganze Arbeit tut not!
engung des wirtschaftlichen Vetätigungs-
überhaupt der Aufgaben der öf-
Mchen Hand, Rationalisierung des eigent-
, " Verwaltungsapparates und Auswei-
der privatwirtschaftlichen Betätigungs-
chMeiten sind zu sichern. Wir müssen uns
.ich von einer Finanzpolitik frei machen, die
. der fälschenden Fassade eines vermeintli-
wirtschaftlichen Wohlstandes den Tatbe-
, ?d unserer wirklichen wirtschaftlichen und
/ niep Nöte verschleiert." Also Reichs- und
, AAtungsreform, Einengung der wirt-
Michen Betätigung der öffentlichen Hand,
Oelstandsschutz durch ein Ausführungsgesetz
Artikel 164 R. B., kurzum Ausgabcnsen-
„das Kardinalproblem aller künftigen
* ichey Finanzpolitik" — auf allen Gebieten
„ öffentlichen Verwaltung und Betätigung
in» das wirtschaftspolitische Fundament der
"Nzrcform sein. Damit dürfte Mosich auch
j wesentlichen auf der vom Reichsvsrband
deutschen Industrie verfolgten Linie lie-
- der ja ebenfalls sein Programm als auf
völlige Umstellung unserer gesamten Wirt-
' Uspolitik abgestellt ankündigt.
Der zweite grundsätzliche und sachlich sehr
? ^Utungsvolle Gegensatz zu Stolper liegt Lei
Aich in der Ablehnung einer forcierten tu-
nkten Besteuerung und der damit verbun-
Umschaltung des Steuerdrucks. Mosich
die Argumentation der Vorkriegszeit
der Verlagerung des direkten Steu-
A"cks auf die Verbrauchssteuer!: mit sehr
Mchiigen und überdenkenswerten Gründen.
A allen Dingen hält er die Einordnungs-

«Hvvrl
 
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