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Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes — 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.42440#0031
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Zeitung für gesunde Wirtschaftsinteressen des gewerblichen
Mittelstandes, des Handwerks, Handels, Haus- und Grund-
besitzes, der Landwirtschaft, freien Berufe und aller sich zum
Mittelstand rechnenden Kopf- und Handarbeiter.
Jahrgang 1929
— - - —


Gorrniag, 20. Qkio-er.

Mweftdeutsche Bürger-Zeitung
Bezugspreis monatlich 0,80 Reichsmark. Bei Postbezug vier-
teljährlich 1,50 Reichsmark. Für ausgefallene Nummern wird
kein Ersatz geleistet. Der Jnsertionspreis ist 10 Reichspfennig
für die achtgespaltene Millimeterzeile oder deren Raum.
Reklamen 0,40 RM pro mm-Zeile.

Ar.S

Sie Bedeutung des Privateigentums für die internationale
Wirtschaft sowie für die Staaten und Gemeinden.

Am Schluß des 6. Internationalen Haus-
md Grundbesitz erkongresses, der vom 25. bis
, - September d. I. in Berlin stattfand, hielt
^ichstagsabgeordneter D. Dr. Bredt (Wirt-
^ftspartei) die folgende bedeutsame Rede:

, Meine verehrten Damen und Herren! Nach
glänzenden Ausführungen von Herrn Pro-
iwr Mestre, von denen ich wünschen möchte,
sie wörtlich ins Deutsche übersetzt würden
^eifM), und nach den, wie man wohl sagen
ebenso glänzenden Ilebersetzungsleistun-
unseres verehrten Herrn Dr. Bak (lebhaf-
I Beifall) erlauben Sie mir, daß ich zum
Muß unserer Tagung noch kurz und in etwas
Sterner, wir sagen deutscherer Weise — wir
j o ja nüchterner als die Franzosen — noch
jMal auf die große Bedeutung unserer
jMion Internationale de la PropriötS Fon-
Vatie" und die ganze Bewegung zurück-
°^Me.
- Meine verehrten Damen und Herren! Es
.ein hochbedeutsames Zeichen unserer Zeit,
^8 die Vertreter des organisierten Hausbesit-
der ganzen Welt sich in unserer Reichs-
^iptstadt Berlin zusammengefunden haben,
!u die Fragen zu beraten, die uns heute aus
tiefste berühren. Ein Krieg von nie ge-
Mtem Umfang hat die Völker der ganzen
Mt entzweit, und es bedarf der größten An-
^engnng der besten Männer in allen Staa-
u, um langsam die Folgen dieser Katastrophe
)eder zu beseitigen. Wir haben alle die
Überzeugung, daß die Erfahrungen des Welt-
weges dazu beitragen werden, das gegenseitige
^rständnis unter den Völkern zu fördern und
n gedeihliches Zusammenleben und Zusam-
Marbeiten zu ermöglichen, ohne daß noch
llinal ein solches Unglück wie der Krieg über
hereinbricht. (Starker Beifall). Es gibt
^Ner noch große und schwerwiegende Fragen,
^lche die Völker entzweien und welche noch
endgültigen Lösung harren. Es gibt aber
^te schon Fragen, welche nicht die einzelnen
^Uer und Staaten als solche betreffen, son-
vielmehr einzelne Klassen in denStänden
llerhalb aller Völker und aller Staaten.

Die Arbeiter haben sich schon lange zu
^er Internationale zusammengefunden,
^Iche gemeinsam die Lage der Arbeiter in al-
Staaten berät. Das Großkapital hat sich
Abfalls zu großen Vereinigungen zusammen-
schlossen, welche keine Staatsgrenzen mehr
^Nen. Der Mittelstand, insbesondere der
''and der Haus- und Grundbesitzer, hat bisher
^bier nur an das eigene Vaterland gedacht,
er hat recht daran getan. Die Hausbesitzer
mit ihrem Vaterlande und ihrerGemeinde
Untrennbar verbunden, daß Lei ihnen der
chanke an eine internationale Organisation
^her kaum Platz zu greifen vermochte.
Menn nun dennoch heute hier in Berlin
M der 6. JnternationaleHausbesitzerkongreß
ist, so muß es ein sehr schwerwiegendes Jn-
^esse sein, das den Hausbesitz über die Kren-
" der eigenen Staaten hinaus zu solcher Or-
chjsation auf internationaler Grundlage zu-
'HMengeführt hat. (Sehr richtig). Dieses ge-
^usame Interesse ist die
^kteidigung des Privateigentums und insbe-
ddere des privaten Hausbesitzes gegenüber
den Gefahren, die heute drohen.
Mir haben im Weltkriege die plötzliche Um-
^Udlung des russischen Kaiserreichs in eine
Mmunistische Republik gesehen, mit einem
ch.le änderte sich nicht nur das ganze innere
^sen dieses gewaltigen Reiches, sondern auch
^e äußere Stellung. Rußland kannte plötz-
h keine Verbündeten und keine Feinde mehr,
^dern nur noch Staaten, auf die es seine
Station erstrecken konnte. Wir Deutschen ha-

ben die erste große Welle des Bolschewismus
auszuhalten gehabt, und wir wissen, welche
Anstrengungen es uns gekostet hat, uns zu be-
haupten. Auch unsere alten Freunde in Un-
garn haben schwerste Zeiten durchgemacht, bis
sie wieder Herr im eigenen Lande waren. Jetzt
scheint die Gefahr äußerlich abgewendet, aber
um so größer ist die stille Gefahr, daß die Ge-
danken des Bolschewismus, des Komnrunismus
allmählich weitere Kreise ergreifen.
Meine Damen und Herren! Uns Deutschen
läge es näher, nicht vom Kommunismus zu
reden, sondern vom Sozialismus. Ich möchte
aber „Sozialismus" hier vermeiden, weil in
andern Ländern, namentlich in Frankreich und
England, dieses Wort völlig anderes bedeutet
als bei uns (fehl richtig), was gerade aus den
Morten des verehrten Herrn Vorredners her-
vorgegangen ist. Wir find uns aber einig über
das, was wir meinen, nämlich, die Bestrebun-
gen, die darauf abzielen, das alte Privateigen-
tum allmählich in ein allgemeines Eigentum
zu überführen.
Sozialismus und Kommunismus unterscheiden
sich nur dem Grade nach, und aller Sozialismus
muß folgerichtig schließlich im Kommunismus
enden.
(Sehr richtig.) Wenn wir daher auf diesem
Internationalen Kongreß vom Kommunis-
mus reden, dann meinen wir alle jene eigen-
tumsfeindlichen Bestrebungen, die nach dem
Weltkriege ihr Haupt erhoben haben.
Es gibt heute in fast allen Ländern Kreise
und Parteien, die es weit ablehnen, mit dem
Kommunismus irgend etwas zu tun zu haben,
die aber dennoch eine Politik gutheißen, die in
letzter Linie zu einer Verwirklichung der kom-
munstischen Ideen führen muß. (Lebhafte Zu-
stimmung!. Es ist gewiß richtig, daß unsere
heutige Zeit niemals den sozialen Gedanken
außer acht lassen darf, und das ist die Anpas-
sung des Eigentumsbegrisfes an den Geist der
Zeit, von dem Herr Professor Mestre so mei-
sterlich gesprochen hat. Es braucht der soziale
Gedanke nicht so weit überstanden zu werden,
daß schließlich eine Unterhöhlung des Privat-
eigentums dabei herauskommt. Es scheint fast,
als ob die Erkenntnis, welche Bedeutung das
Privateigentum für Staat und Gesellschaft hat,
allmählich im Schwinden ist. Deshalb müssen
alle Kreise, die grundsätzlich noch den Gedan-
ken des Privateigentums vertreten, sich zusam-
menfinden und ihre Schlüsse ziehen.
Dieser Gedanke ist es auch, welcher die Haus-
und Grundbesitzer zu dieser Internationalen
Tagung zusammengeführt hat. Die Fragen,
mit denen wir uns befassen wollen, betreffen
nicht einen einzelnen Staat oder eine Mehr-
heit von Staaten, sondern sie betreffen die bür-
gerliche Gesellschaft als solche.
Es geht um die Frage, ob die bürgerliche Ge-
sellschaftsordnung ihre Bedeutung auf der
ganzen Welt behält oder allmählich zerrieben
wird, wie in Rußland.
Es ist auch nicht gleichgültig für den einen
Staat, ob der andere sich in. dieser Beziehung
behauptet oder picht. Wenn der Kommunisinus
überhaupt Fortschritte macht, ist nicht abzuse-
hen. wie weit er seine Folgen auszudenken ver-
mag, es können auch Tatsachen von großer
Bedeutung eintreten, die die Nation bewegen.
In China und Indien hat man nach kurzem
Schwanken den russischen Kommunismus eine
glatte Absage erteilt. Aber trotzdem können
wir uns auch nicht vor der großen Gefahr ver-
schließen, die uns immer noch bedroht.
Wir sehen nirgends eine verfassungsmäßige
Einführung der kommunistischen Wirtschafts-

form, wohl aber Maßnahmen, die im Grunde
nur kommunistisch bezeichnet werden können,
dahin gehört die Zwangswirtschaft im Woh-
nungswesen, die die Hausbesitzer mehr und
mehr entrechtet. Sie mag ihre Berechtigung
gehabt haben in Zeiten des Krieges, als es
galt, die Kriegerfrau von ungerechter Kündi-
gung zu schützen, sie mußte aber verschwinden
nach Friedensschluß, weil jetzt alle ihr Ein-
kommen hatten, die Bautätigkeit war auf pri-
vater Grundlage in Fluß zu bringen. (Sehr
richtig).
Wir sehen allenthalben heute deutlich, daß die
Staaten und Gemeinden nicht in der Lage find,
das zu leisten, was die private Bautätigkeit vor
dem Kriege geleistet hat und auch heute noch
leisten könnte, wenn sie nicht durch die Fesseln
der Zwangswirtschaft gehemmt wäre.
Heute geht es um die Frage, ob wir diese
Zwangswirtschaft da, wo sie besteht, wieder
aufheben wollen, ob wir sie weiter ausbauen
und womöglich verewigen wollen dadurch, daß
wir keine Bestimmungen in die allgemeine Zi-
vilgesetzgebung der einzelnen Länder überneh-
men. Tun wir das letztere, dann legen wir die
Axt an die Wurzel des Privateigentums. Ich
lasse es dahingestellt, ob diejenigen, dis eine
solche Gesetzgebung befürworten, sich alle zum
Kommunismus benennen oder nicht. Das ist
gleichgültig. Die Tatsache bleibt bestehen, daß
sie dem Kommunismus Vorschub leisten, und
das ist eine Gefahr. Daher ist ein erfreuliches
Ergebnis unseres Kongresses, daß er entschie-
den Stellung dagegen genommen hat.
Neben der Zwangswirtschaft gibt es noch
weitere Komplexe von Maßnahmen, die in
gleicher Richtung weitersühren: Die Verfü-
gungsbercchtigung des Eigentums wird aufge-
hoben: durch steigende Steuern wird der Er-
trag der Häuser für den Staat eingezogen.
Beide Maßnahmen zusammen bedeuten eine
Konfiskation, wirken sie zusammen, dann bleibt
rom bisherigen Eigentumsbegriff nur noch
der Name übrig. Diese Gefahr muß man se-
hen, und wir alle haben darauf hinzuweisen,
daß der Hausbesitz in seinem Bestände geschützt
werden muß. Das ist die Hauptaufgabe unse-
res internationalen Verbandes. Es muß da-
bei nicht nur die Rechtsprechung, auch die Ver-
waltung im Auge behalten werden. Es muß
nach Möglichkeit verhindert werden, daß haus-
besitzerfeindliche Gesetze erlassen werden oder
bestehen bleiben, und es muß ferner darauf ge-
achtet werden, ob nicht die Gesetze durch Ver-
waltungsauslegung eine Anwendung erfahren,
die zum Nachteile desHausbesitzers ausschlagen.
Die Gesetzgebung in den einzelnen Ländern
ist zu verschieden, als daß wir daran gehen kön-
nen, jetzt zu ihnen im einzelnen Stellung zu
nehmen. Es ist außerdem ausgeschlossen, daß
wir als internationale Organisation die beson-
deren Gesetze und Maßnahmen eines Staates
beurteilen und kritisieren. Es kann nur dar-
auf ankommen, große Leitgedanken auszuarbei-
ten, die sich gleichmäßig auf die Gesetzgebung
aller Staaten beziehen. Weiter ist von großem
Wert, daß es uns gelungen ist, hier auf dem
Kongreß unsere Erfahrungen auf diesem Ge-
biete auszutäuschen. In dieser Beziehung ist
die 6. Tagung der Union in Berlin zweifellos
ein großer Erfolg von bleibendem Werte ge-
wesen. Wir find uns einig, was unser Kon-
greß bedeutet und was er soll.
Nun, meine verehrten Damen und Herren,
gestatten Sie mir, ganz kurz auf Französisch
das zu wiederholen, was ich gesagt habe. (Dies
geschieht. — Professor Bredt fährt sodann
deutsch fort).

Meine hochverehrten Damen und Herren!
Wenn wir in der eben geschilderten Weise di«
Aufgaben der Hausbesitzerorganisation! erken-
nen, sowohl die internationalen wie die einzel-
nen nationalen, dann sind wir uns bewußt, daß
es sich nicht etwa nur um eine egoistische Inter-
essenvertretung, sondern um eine große, emi-
nent politische Angelegenheit handelt. Bürger-
liche Gesellschaftsordnung und Kommunismus
find in ihren letzten Linien Fragen der Welt-
anschauung, Niemals „werden wir uns mit
dem Kommunismus über unsere Grundlage
und unser Ziel einigen. Es kann sich nur dar-
um handeln, ob die eine oder die andere Rich-
tung sich behauptet und durchsetzt, was sie selbst
als das richtigste anfieht. Wir Hausbesitzer
sind der Ansicht, daß ein wahrer Fortschritt
von Kultur und Zivilisation sich nur vollziehen
kann im Rahmen der bürgerlchen Gesellschafts-
ordnung. (Sehr richtig). In ihr erblicken wir
die Fortführung von Sitte, Religion und Fa-
milie. Es ist aber auch kein Zweifel möglich,
daß die bürgerlicheEesellschaftsordnung sich nur
aufbauen kann auf dem Eigentum und beson-
ders dein iGrundeigentum. Eiü Mann, der
an sich der chürgerlichen Gesellschaftsordnung
feindlich war, Jean Jacques Rousseau, hat ein
Wort zum Ausdruck gebracht, das zu verschie-
densten Zwecken zitiert zu werden pflegt: „Der
erste Mann, der sich ein Grundstück einzäunte
und sich erkühnte, zu sagen, das gehört mir,
und derMenschen fand, die einfältig bereit wa-
ren, das zu glauben, war der wahre Gründer
der bürgerlichen Gesellschaft." Rosseau war
alles andere als Kommunist, er hat auch keine
Folgerungen aus diesem Wort gezogen. Seine
Worte haben nur die eine große historische Be-
deutung, daß zum ersten Male der untrenn-
bare Begriff zwischen Gesellschaftsordnung und
Privateigentum betont worden ist.
Wir wollen auch nicht vergessen, welche
große Bedeutung unsere Voreltern der Frei-
heit des Grundbesitzes beigelegt haben. Im
Mittelalter ging die Feudalbildung des Grund-
besitzes Hand in Hand mit der Untertänigkeit
der Menschen. Erst die Freiheit und das Bür-
gerrecht der französischen Revolution vom 26.
August 1789 erklärte sowohl die Menschen wie
auch das Grundeigentum für frei. In Deutsch-
land war es der große Staatsmann Freiherr
vom Stein, der diesen Gedanken für Preußen
und damit für Deutschland anwendbar machte.
Das erste große Parlament in der Frankfurter
Paulskirche von 1848 stellte diesen Grundsatz
nochmals mit aller Entschiedenheit fest, und
seither machte dieser Gedanke seinen Sieges-
zug in die anderen Länder.
In den andern Ländern war die Entwick-
lung im wesentlichen die gleiche, überall galt
die Befreiung des Grundeigentums aus allen
feudalen Fesseln als der größte kulturelle Fort-
schritt der Zeit. Heute handelt es sich nicht
mehr um feudale Fesseln, sondern um soziale.
Es handelt sich aber doch darum, ob die Grund-
sätze der Errungenschaft der Freiheit des
Grundbesitzes erhalten werden sollen oder nicht.
Hier gilt es, auf dem Posten zu sein und das
Eigentum zu verteidigen sowohl gegen die Be-
gehrlichkeit der Massen wie gegen die Lehren
einzelner Volksbeglücker und Ideologen. Wir
sind überzeugt, für eine gute Sache zu kämpfen,
wenn wir die Grundlage der bürgerlichen Ge-
sellschaft, gleichzeitig aber auch die Grundlage
aller wahren Kultur und Zivilisation erhalten
wollen. Wir erkennen es klar, daß die Frei-
heit des Menschen selbst bedroht ist, wenn die
Freiheit des Eigentums angegriffen wird.
Das Zeitalter der Technik hat die Entfer-
nungen auf der ganzen Welt verkleinert und
die Menschen einander näher gebracht. Der
 
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