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Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes — 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.42440#0043
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Heidelberger

Mittelstands -Zeitung
AmWngiges Kmnpsblatt sördie MereAen des deutschenAtttteWndes

MveWndlechih-wirtschaMiKe Ikitun«
Zeitung für gesunde Wirtfchastsinteressen des gewerblichen
Mittelstandes, des Handwerks, Handels, Haus- und Grimd-
besttzes, der Landwirtschaft, freien Beruft und aller sich zum
Mittelstand rechnenden Kopf- und Handarbeiter.


MweftVeuWe Bürger-Zeitung
Bezugspreis monatlich 0,50 Reichsmark. Bei Postbezug vier-
teljährlich 1,50 Reichsmark. Für ausgefallene Nummern wird
kein Ersatz geleistet. Der Jnsertionspreis ist 10 Reichspfermig
für die achtgespaltene Millimeterzeile oder deren Raum.
Reklamen 0,40 RM pro mm-Zeile.

Rückblick - Ausblick.

Immer wieder mutz man sich wundern über
den Mangel an Psychologie bei den mannig-
faltigen Versuchen der Regierung, Eroberun-
gen für die Republik zu machen. Diele hundert-
tausende in Deutschland denken garnicht an
Wiederkehr einer Monarchie, können aber
trotzdem mit der Republik nicht ihren Frieden
machen, weil die Art, wie diese Republik re-
giert und verwaltet wird, unter aller Kritik
ist. Da verbietet man der, Universitäten,
Trauerfeiern aus Anlatz der zehnjährigen Wie-
derkehr von Versailles abzuhalten. Nachdem
man den unseligen Flaggenstreit geschaffen
hat, glaubt man mit Gewalt etwas gegen die
Gefühlswelt ausrichten zu können, die mit den
schwarz-weitz-roten Farben nun einmal ver-
bunden ist. Statt auf Aussöhnung hinzuar-
beiten, vertieft man die Gegensätze.
Durch ein ganz besonders grotzes Matz von
Kurzsichtigkeit zeichnet sich dabei der preussische
Kultusminister Becker aus. Eben erst hat er
der Stadt Goslar eine schwere wirtschaftliche
Schädigung zugefügt, indem er zwei höheren
Lehranstalten das Recht der Abhaltung der
Reifeprüfung entzogen hat, weil einige Schü-
ler Unfug mit schwarz-rot-goldenen Schleifen
getrieben haben. Die Schüler sind von der
Schule dafür bestraft worden, wie sich das ge-
hörte: aber auch ein im Sinne Beckers hundert-
prozentig republikanischer Lehrkörper wird der-
artige Vorkommnisse nicht verbinden können.
Wir erinnern uns, datz Direktoren von Privat-
schulen im besetzten Gebiet von den Franzosen
schikaniert wurden, indem man sie zur Verant-
wortung zog für Unklugheiten ihrer Schüler
gegenüber der Besatzung, die unmöglich zu
machen garnicht in ihrer Macht stand. Nach
dem gleichen Rezept verfährt der preussische
Kultusminister. Wie aber hat die Sozialdemo-
kratie früher gegen den preussischen Kommiss
gehetzt, wenn er sich wirklich oder angeblich
entsprechender „Erziehungsmethoden" bediente.
Das ist ja überhaupt das Erschütternde und
Tragikomische, dass die Herren Sozialisten,
nachdem sie in Amt und Würden gelangt find,
genau die gleichen Mittel anwenden, die sie
früher bekämpft haben. Wenn man heute einen
Kommunisten im Reichstag oder Landtag spre-
chen hört, wie er für alles, sogar für das
schlechte Wetter, die „kapitalistische Wirtschaft"
verantwortlich macht, mit welcher der rote
Zwillingsbruder im Bunde sei, so kann man
nur feststellen: Er hat von der Sozialdemokra-
tie gelernt, wie man es machen muss, um das
Volk aufzuwiegeln. Sozialdemokraten, die
heute Minister sind, bekämpften früher die Po-
lizei als solche, beklagten sich über Unterdrük-
kung, versprechen absolute Freiheit, wenn sie
erst am Ruder wären. Sie sind am Ruder und
machen es nun nicht anders als frühere Regie-
rungen, ja übertrumpfen diese. Wie haben sie
das Sozialistengesetz an den Pranger gestellt,
und wie gehen sie jetzt selbst gegen ihre inner-
politischen Gegner vor!
* i
Im kaiserlichen Deutschland hat die Gesin-
nungstüchtigkeit gewiss auch eine Rolle gespielt.
Sehr viele Kaisersgeburtstagsreden waren
nicht echt, und man brauchte kein geübtes Ohr
zu haben, um die falschen Töne herauszuhören.
Aber wenn Gesinnungstüchtigkeit ein Weg ist,
um zu Amt und Einkommen zu gelangen und
sich darin zu halten, wieviele benutzen gerade
heute diesen Weg! Man muss „stramm repu-
blikanisch" sein, dann bringt man es zu was!
Natürlich soll damit nicht gesagt sein, dass es
kein berechtigtes llmlernen gibt. Man hat
z. B. dem preussischen Kultusminister zum Vor-
wurf gemacht, dass er noch 1916 eine glühende
Kaiserrede gehalten habe. Dass er heute repu-
blikanisch denkt, kann ihm trotzdem niemand
übel nehmen. Aber der Kontrast, in dem seine
einstige Leidenschaft für die Monarchie zu dem
jetzt für die Republik entwickelten Eifer steht,

wirkt immerhin peinlich. Man sollte, wenn
man sich noch vor ein paar Jahren für die
Monarchie begeisterte, sich doch jetzt lieber in
der Leidenschaft für die Republik noch etwas
Mass auferlegen. Das wäre klüger, wirksamer
und überzeugender. Auf den Ton kommt es
an.
Als ausserordentlich gesinnungstüchtiger Re-
publikaner hat sich der — darf man schon
sagen frühere? — Oberbürgermeister von Ber-
lin, Herr Doess, von jeher bewährt! Keiner
kämpfte so wie er für Schwarz-Rot-Gold und
duldete auch nicht den kleinsten Schatten eines
Verstosses gegen die patentrepublikanische Ge-
sinnung! - Sogar gegen einen Backfisch trat er
mannhaft in die Schranken, weil der ahnungs-
los bei einem Sportereignis ein schwarz-wetss-
rotes Fähnlein schwenkte: mit diesem Kampf
gegen die Olympiasiegerin Helene Mayer, die
Tochter eines waschechten Demokraten, hat er
sich unsagbar lächerlich gemacht.
Er hätte aber jedenfalls der ihm anver-
trauten Stadt entschieden mehr genützt und da-
mit auch der Republik, wenn er für Ordnung
und Sauberkeit in der Verwaltung gesorgt
hätte. Seine Gesinnungstüchtigkeit erscheint
nach allem, was der Fall Sklarek enthüllt hat,
in sehr merkwürdigem Lichte. Die Korruption,
die in Berlin unter dem Regime Doess ins
Kraut geschossen ist, hat der Republik gewiss
mehr Abbruch getan als ein paar schwarz-weitz-
rote Fähnchen. Deutschland, vor dem Kriege
berühmt in der Welt ob seiner untadeligen
Verwaltung, seines unbestechlichen Beamten-
körpers, kommt allmählich in einen Ruf, wie
ihn das zaristische Russland früher bei uns ge-
noss. Glauben die Patentrepublikaner vom
Schlage des Herrn Boess, dass die Republik
durch diese nicht endenwollenden Affären an
Anziehungskraft gewinnt? Wie fremdartig
diese Namen klingen: Barmat, Kutisker, Skla-
rek usw. Wann kommt der nächste Skandal?
Mit einer Lammesschuld sondergleichen lässt
sich das Volk scheren und setzt mit Hilfe des
Stimmzettels selbst jene Leute in den Sattel,
die den Zukunftsstaat für sich persönlich so
vorzüglich zu verwirklichen wissen. Der Ober-
bürgermeister der Hauptstadt des Reiches lässt
sich von einem galizischen Schieber einen Pelz
schenken und erleichtert sein Gewissen durch
Zahlung von 1000 Mark an die Armenkasse:
der Pelz ist dann noch sehr Lillig. Was an An-
sehen. an Kredit Berlins und des Reiches in
der Welt durch diesen Skandal verlorengegan-
gen ist. kann durch hundert kostspielige Reprä-
sentationsreisen nach Amerika nicht wieder gut-
gemacht werden.
Welche Perspektiven aber eröffnen sich, wenn
man bedenkt, dass dieser Sklarek-Geist, dieser
Geist des Fünfe-gerade-sein-lassens, der Berei-
cherung sich doch überall geltend machen muss,
wenn er einmal in einer Verwaltung drinfitzt,
im kleinen und im grossen. Es ist wahrlich an
der Zeit, dass eine Front der anständigen
Leute gebildet wird gegen diesen überwuchern-
den Kommunalsozialismus, der den Boden
schafft, für ein ekelerregendes Schmarotzertum,
das sich an den Stcuergroschen der schwer rin-
genden freien Wirtschaft mästet. So sieht das
Paradies der Sozialisten aus!
Es ist bedauerlich, dass es in Deutschland an
einer realpolitisch eingestellten Rechten fehlt,
welche die Hebel da zuerst ansetzr, wo Wir-
kunflsmöglichkeiten für eine gesunde Opposi-
tion vorhanden sind, auf dem Gebiete der
Wirtschaft, im Kampf gegen den Sozialismus.
Aber die Fanatiker der Republik andererseits
sollen nicht glauben, dass sie die innerlich ab-
seits stehenden Millionen gewinnen können, so-
lange sie nicht in der Wirtschaft von Reich,
Ländern und Gemeinden für die Rückkehr zu
den primitivsten Begriffen von Anstand. Ord-
nung und Sauberkeit Sorge getragen haben.
An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!

Zahrgang 1929

Gonniag, 3. November.

Versichern oder Sparen?

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Was in der Vorkriegszeit in einem ar-
itsreichen Leben und vielfach unter Verzicht
f jeden unnötigen Aufwand, mitunter durch
ngen gespart und für das Alter zu-
gelegt worden ist, wurde durch die Jnfla-
on nahezu restlos vernichtet oder doch minde-
stark dezimiert. Besonders schwer getrog-
en wurde von diesen Verhältnissen der werk-
tige und hausbesitzende Mittelstand. Für
N gibt es keine Fürsorge seitens des Staates,
^Nh seine Angehörigen erhalten, auch wenn sie
Arbeitsunfähig werden, keine Pension. So
Mt heute der Mittelstand vor einer düsteren
Ankunft, vielfach vor einem Nichts. Das stellt
M vor die Notwendigkeit, neu aufzubauen,
is Kriegs- und Inflationszeiten zerstörten,
s stellt ihn vor die Aufgabe, aufs neue Vor-
ige zu treffen für die Existenzficherung der
ssninilie. Zuzugeben ist, dass dies sehr er-
ist durch den schweren Existenzkampf,
der Mittelstand heute zu führen gezwun-
ist, und durch den gewaltigen Steuerdruck,
kaum das Notwendigste zum Leben lässt.
: aber die Sorgen des mit jedem Tage
^iherrückenden Alters und damit der Arbeits
Unfähigkeit bannen will, mutz sich wieder
Waffen, das zu ersetzen, was ihm das
dahrzehnt vernichtet hat.
Damit wird der Mittelständler vor
«trage gestellt: Versichern oder sparen?
. Der Wert einer Lebensversicherung
rchaus nicht verkannt werden, obwohl
auen in diese Art der Altersversorgung
er erschüttert wurde. Zweifellos wurden
ch die Lebensverficherungsgesellschaften von
V schwer getroffen und auch die
Kapitalanlagen dieser Gesellschaften. Aber
oie winzigen Aufwertungsquoten aus bezahl-
en Lebensversicherungsprämien und die über-
aus günstigen Auszahlungsbedingungen der-
elben haben nicht ohne Grund zu einer Ab-
neigung gegen die Lebensversicherung bei den-
Aigen geführt, die hiervon ungünstig betrof-
A wurden. Der Abschluss einer Lebensver-
7 pcherung auf einen einigermassen ins Gewicht
ei. ballenden Betrag verbietet sich für weite Kreise
i oes Mittelstandes im Hinblick auf das vorge-
e, Drittens Alter und die dadurch bedingten be-
l n Nächtlichen Jahresleistungen. Abschreckend
ßt Nsirkt auch die Möglichkeit des Eintritts ver-
buk' ter Verhältnisse, die die Weiterzahlung
ibe^ex Prämien in Frage stellen und unter Um-
zch, änden unmöglich machen. Zwar besteht in
lchen Fällen die Möglichkeit, die Versicherung
— ^hter Einstellung der Prämienzahlungen in
dek^de sogenannte prämienfreie Versicherung um-
ng. ^wandeln: die Bedingungen für Auszahlung
ieNz?t> Verzinsung der bis dahin eingezahlten
ek-^träge sind aber für die Versicherten keines-
ltek^s günstig.
yaS^ Diese Umstände erfordern, eine andere
itek Altersversorgung ernsthafter als ehedem in
Erwägung zu ziehen: das Sparen. Es wird
^stimmt seit Stabilisierung der Währung
er linder gespart. Der Sparer muss sich aber
.„fi.M die Frage vorlegen, ob er mit der von
Mr betätigten Sparsamkeit auch richtig und
' 1 der für ihn zweckmässigsten Form spart. Ob
,Aland zweckmässig und systematisch spart oder
O"Aicht, ist leicht zu beurteilen, wenn er sich das
„Zentralverband Deutscher Haus- und
"" ^rundbesitzervsreine" durch seine Kreditanstal-
ö" A ins Leben gerufene Sparsystem genauer be-
unS'rachtet, die
Altersversorgung des hausbesitzenden
Mittelstandes.
leses System ist speziell aus die Verhältnisse
werktätigen und bodenständigen Mittel-
s zugeschnitten. Es will unter Dermei-
Ng eines starren Systems den Bedürfnissen
. weitesten Kreise tunlichst Rechnung tragen
vermeidet auch alle entbehrlichen Bindun-
so dass dem Sparer bei veränderten Ver¬







hältnissen -die Möglichkeit der Einschränkung
oder Ausdehnung des Sparens gegeben ist.
Mit 10 M. Rücklage pro Monat ist selbst
bei bescheidenen Verhältnissen Gelegenheit ge-
boten, von der „Altersversorgung" Gebrauch
zu machen. Wer 10 Jahre lang auf diese Weise
spart, hat nach Ablauf dieser Frist 1200 M.
einbezahlt und erhalt'dafür unter Zurech-
nung von Zins und Zinseszins 1633 M. zurück.
Wer monatlich 30 M. zurückzulegen in der
Lage ist, zahlt in 10 Jahren 3600 M. ein und
erhält dafstr 4899 M. zurück. Wer hingegen
in der Lage ist, monatlich 50 M. auf die hohe
Kante zu legen — also immer noch bedeutend
weniger als eine Lebensversicherung auf 10 000
Mark in einem vorgeschrittenen Lebensalter
kostet —, der zahlt in 10 Jahren 6000 Mark
ein und bekommt nach dieser Frist 8165 M. zu-
rück. Bei einer 15jährigen Sparerlaufzeit
zahlt er 9000 M. ein und erhält als Gegen-
leistung 14 415 M. ausbezahlt.
Treten beim Sparer Verhältnisse ein, welche
die Weiterzahlung in der bisherigen Höhe nicht
mehr gestatten, oder können die Einzahlungen
überhaupt nicht mehr geleistet werden, so wird
diesen veränderten Verhältnissen auf Antrag
in entgegenkommendster Weise Rechnung ge-
tragen. Jedenfalls geht kein Pfennig am Ka-
pital und den bis zur Einstellung der Sparein-
lagen ausgelaufenen Zinsen und Zinseszinsen
verloren!.


Idnterstütrt keine Leitungen durch
Abonnement oder /lnreiAen, die
Lure Interessen schädigen und Luck
bekämpfen. Tretet ein für Lure eigene
presse und keilt sie weiter verbreiten,
de mekr Abonnenten unsere presse
gewinnt, je mekr Parteifreunde sick
uns bekennen.


Die Altersversorgung sieht aber noch die
Möglichkeit der Rentenzahlung an Stelle der
Auszahlung des Sparbeitrages vor. Die Ren-
tenzahlung bedingt jedoch, dass monatlich
mindestens 30 M. zurückgelegt werden. Wer
15 Jahre lang monatlich 30 M. einbezahlt,
hat damit 5400 M. geleistet und kann ent-
weder Barauszahlung von 8649 M. fordern
oder nach seinem Wunsch auf die Dauer von
14 Jahren und drei Monaten eine monatliche
Rente von 75 M. erhalten, was einet Gesamt-
auszahlung von 12 825 M. entspricht.
Wer in der Lage ist, 10 Jahre lang mo-
natlich 50 M. zu sparen, der zahlt insgesamt
6000 M. ein und hat nach Umfluss dieser Zeit
die Wahl: entweder 8165 M. bar oder auf die
Dauer von 13 Jahren sine monatliche Rente
von 75 M., d. i. eine Gesamtleistung von 11700
M. zu verlangen.
Auf diese Weise wird rationell gespart und
diese Art der Spartätigkeit verdient gewiss
auch gegenüber der Lebensversicherung den un-
bedingten Vorzug. Kein Hausbesitzer sollte
die Gelegenheit, sich und seine Familienange-
hörigen für die Zeit des Alters und der Ver-
dienstlosigkeit zu sichern, ungenutzt vorüber-
gehen lassen. Regelmässige und auf die per-
sönlichen Verhältnisse des Sparers eingestellte
monatliche Teilzahlungen genügen, um den
Sorgen des brechenden Alters zu begegnen
oder diese doch wenigstens erheblich zu vermin-
dern.

7kr 40
 
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