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Hülsen, Julius; Wiegand, Theodor [Hrsg.]
Milet: Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen seit dem Jahre 1899 (Band 1,5,Text): Das Nymphaeum — Berlin, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.3617#0036
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J. Baubeschreibung

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nung Nr. 6). Die Blattnervaturen sind größtenteils gänzlich vernachlässigt und nur in seltneren Fällen
durch eingetiefte Rillen hervorgehoben. Die Blattränder zeigen spitzere uud stumpfere Auszackungen
durcheinander gemischt. Der Friesgrund ist im Profil meistens gerade, in wenigen Fällen aber ganz
flach gewölbt oder schräg nach der Unterkante zu vorgezogen. Auch die Ausführung der Eierstäbe
ist eine durchgängig rohe und erscheint im ganzen mehr wie eine linienmäßige als wie eine plastische
Aufteilung dieses Profiles.

Sowohl bei den längsseitig stumpf aneinander stoßenden Architraven der Flügelbauten als bei
allen frei vorspringenden Architravecken bestehen die Ecklösungen der Friese zur Verdeckung der
Stoßfugen aus akanthusartigen Kelchbildungen, die ebenfalls zum Teil ziemlich roh ausgefallen sind
(vergl. untere Ordnung Nr. 9 und mittlere Ordnung Nr. 21 und 73). Nur der Architrav Nr. 34 der
unteren Ordnung besitzt, wie oben schon bemerkt, keine solche Fugendeckung. Diese Unregelmäßig-
keit kann, wie sie auch entstanden sein mag, für das System der Architrave ebensowenig von Belang
sein, wie der Umstand, daß bei keinem der in Längsrichtung stumpf aneinander stoßenden Architrave
der Flügelbauten die Rankenzüge der Friese richtig ineinander übergehen, wie ein sorgfältiges Anpassen
und Kombinieren, zugleich mit Ergänzen der Bruchstellen, gelehrt hat; das gleiche ist mit den Profil-
höhen, namentlich den Eierstäben der Fall (Tafel 54). Ähnliche Ungleichheiten herrschen in der
Achsenaufteilung der Friese und der Soffitten. So zeigen von den vier Kassettenstücken der äußeren
Langseiten der unteren Ordnung der Flügelbauten zwei Blöcke, Nr. 29 und 43, eine aus der Mittelachse
stark verschobene Mittelbildung im Friese, während dieselbe bei Nr. 30 und 34 richtig sitzt. Auch die
vielfache Verschiebung der Soffitten-Mittelbildungen, z. B. bei der unteren Ordnung Nr. 3 und 29 und
bei Nr. 15 der oberen Ordnung, ist auf nachlässige Aufteilung zurückzuführen. Die Fugen in den ein-
springenden Ecken zwischen den Tabernakeln und Wandarchitraven und freilaufenden Architraven der
Flügelbauten sind nicht durch einen symmetrischen Akanthuskelch überdekt, sondern es stoßen hier
lediglich die spiralig auslaufenden Rankenzüge, von zwei Seiten kommend, zusammen. An den Seiten-
balken aller Tabernakel tritt keine Mittelbildung auf, ausgenommen an den Stirnseiten der vorderen
Flügeltabernakel, wie Nr. 66 der mittleren Ordnung beweist.

Die Rankenbänder und Blätterstäbe der Soffitten stimmen hinsichtlich der ornamentalen Behand-
lung durchaus mit dem oben über die Friese Gesagten überein; ihre abwechslungsreiche, zierlichere oder
plumpere Durchbildung läßt sich auf den Tabellen der Unterseiten der Architrave leicht überblicken.
In der oberen Ordnung sind lediglich schuppenartig gefügte Blätterstäbe verschiedener Breite, Dichte,
Blattform und Reliefhöhe verwandt. Das letzte Kriterium gilt auch von den gleichartigen Füllungen
der anderen Ordnungen und deren anders als schuppenartig geformten Blätterstäben, so z. B. den mit
eichenblätterähnlichen Formen gefüllten Soffitten der unteren (Nr. 29 und 43) und der mittleren (Nr. 31,
33, 55, 73) Ordnung, die teilweise in den Blattpaaren schon köcherartig zusammgewachsene Bildungen
aufweisen. Große Mannigfaltigkeit herrscht in den Mittelbildungen der Rankenbänder, namentlich in
der unteren Ordnung. Viele dieser Lösungen sind aber gezwungen und außerhalb des dem ganzen
Bande innewohnenden Rhythmus. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß diese Soffittenornamente
und ebenso die Friese weniger in den Einzelheiten als in ihrer dekorativen Gesamtwirkung zur Geltung
kommen, und dies gilt auch von allen übrigen ornamentalen Teilen des Bauwerkes.

f. Ergebnis der Architravverteilung.
Aus den Architrav-Schichtplänen der drei Ordnungen geht sowohl ein Wechsel von Tabernakeln
und von freiliegenden Nischen in wagerechter Richtung auf jedem Stockwerke längs der Front und der
 
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