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Hülsen, Julius; Wiegand, Theodor [Hrsg.]
Milet: Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen seit dem Jahre 1899 (Band 1,5,Text): Das Nymphaeum — Berlin, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.3617#0037
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-,q I. Baubesckreibung.

Flügelbauten hervor, als auch ein Wechsel innerhalb der senkrecht durch die Stockwerke gehenden
Achsen. Die vorspringenden Tabernakel sind nicht jedesmal senkrecht übereinanderstehend vereinigt
und zu beiden Seiten von je drei übereinanderliegenden offenen Nischen flankiert, sondern es sitzt von
unten auf über jeder freiliegenden Nische ein geschlossenes Tabernakel. Es ist also die Reihe der
Tabernakel in jedem der beiden oberen Geschosse gegen das darunterliegende um eine Achsenbreite
verschoben (vergl. Tafel 53). Diese Anordnung war vielleicht nicht allein aus dem Gedanken an die
Verwertung einer besonderen architektonischen Wirkung hervorgegangen, vielmehr können auch tech-
nische Gründe der Sicherung gegen Erschütterung durch Erdstöße hierfür maßgebend gewesen sein,
vor allem im Hinblick auf den gänzlich durchbrochenen, von keiner Rückwand gestützten Aufbau der
Seitenflügel. Gerade an den letzteren hätte bei einer strengen Übereinandersetzung der Tabernakel-
decken die Verbindung der dadurch entstehenden schmalen und hohen, zweigeschossigen Gehäuse nur
aus den freilaufenden Gebälkstücken bestanden. Durch die Verschiebung der Tabernakel sind aber
diese Gehäuse nicht wie in jenem gedachten Falle isoliert, sondern miteinander verkettet, wodurch
zweifellos eine größere Standfestigkeit und gleichmäßigere Belastung des Unterbaues erzielt wird. Dieser
künstlerisch und technisch so wirksame Rhythmus der Tabernakel überzieht den ganzen Bau wie das
Netz eines regelmäßigen, einfachen Flechtwerkes.

Längs der Nischenfront stehen die Tabernakel der unteren und der oberen Ordnung senkrecht
übereinander. Den Beweis hierfür liefern der oben mitgeteilte Befund des Architraves Nr. 79, der nur
der Mittelnische der oberen Ordnung angehört haben kann, die Anzahl seiner benachbarten Architrave
und das Vorhandensein , der beiden Flügelarchitrave in dieser Ordnung. Daß die Tabernakelreihe des
mittleren Geschosses zwischen derjenigen des oberen und unteren verschoben ist, geht zunächst aus
den durch die Architrave Nr. 47 und 66 gesicherten Ecklösungen der mittleren Ordnung hervor und
daran anschließend auch aus denjenigen der unteren Ordnung durch die Architrave Nr. 5, 45 und 78,
ferner durch den weiter unten zu besprechenden Befund und die Verteilung und Auszählung der Kranz-
gesimse, sowie der Dreieck- und Volutengiebel, wobei die senkrechte Pfeilerachse der inneren Ecke
am Zusammenstoß der Nischenfront und der Flügelbauten als Symmetrie-Achse zur Geltung kommt
(vergl. unten S. 37 ff). Zu dieser letzteren stehen auch die auf dem Schichtplane der unteren Ordnung
(Tafel 43) punktiert eingezeichneten, freistehenden Flügelarchitrave an dem vorderen Ende der Flügel-
bauten in Beziehung. Trotzdem von ihnen kein Stück mehr gefunden wurde, so ist ihr Vorhandensein
durch den Umstand, daß die freilaufenden und die zu Tabernakeln gehörenden Längsarchitrave der
Außenseiten der Flügelbauten vollzählig durch die Ausgrabung geliefert wurden, sicher bewiesen. Auch
die Anzahl von je neun Nischen in den beiden oberen Geschossen gleich dem unteren kann ohne weiteres
aus der Gruppierung der Tabernakel auf Grund der Architrave abgeleitet werden.

6. DIE KRANZGESIMSE,
a. Allgemeines.

Die große Anzahl der ausgegrabenen Kranzgesimsblöcke ermöglicht in allen Fällen sichere Rück-
schlüsse auf das System des Bauwerkes und ergänzt die aus der Anordnung der Architrave hervor-
gegangenen Grundzüge, ohne den letzteren in irgendeinem Falle zu widersprechen. Durch die zahl-
reichen Standspuren ihrer Oberflächen werden wichtige Hinweise auf die Lage der daraufsitzenden
Sockel und Volutengiebel gewonnen. Die Untersuchung hat jedoch mit mannigfachen Hindernissen zu
kämpfen, da infolge der sehr großen Ähnlichkeit der Konsolengesimse der mittleren und oberen Ord-
 
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