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Hülsen, Julius; Wiegand, Theodor [Hrsg.]
Milet: Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen seit dem Jahre 1899 (Band 1,5,Text): Das Nymphaeum — Berlin, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.3617#0076
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III. Der figürliche Schmuck.

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2. VERMUTUNGEN ÜBER DE VERTEILUNG DER STATUEN AN DER FASSADE.

Die Verteilung der Statuen kann natürlich nur in ganz hypothetischer Weise versucht werden;
besonders für die oberen Stockwerke.

Da die meisten der Statuen im Hauptbassin lagen, so ist ohne weiteres klar, daß sie zur Schmuck-
wand gehörten; die mehrfach erkennbaren Einarbeitungen für Wasserröhren zeigen, daß einige zur
Maskierung der Leitungsmündungen dienten. Die gegebenen Plätze für die Statuen sind Nischen und
Tabernakel der Frontschmuckwand. In oder zwischen den Tabernakeln der Seitenwangen Statuen
anzunehmen, ist bedenklich wegen der häßlichen Wirkung von Bildwerken, die dem von Norden und
Süden herankommenden den Rücken kehrten und frontal überhaupt nicht zur Geltung kommen konnten.
Somit befanden sich im Untergeschoß neun Statuen in den fünf Tabernakeln und vier Nischen der Vorder-
wand, ebensoviele im zweiten und dritten Geschoß. Also waren im ganzen 27 Figuren vorhanden, eine
Zahl, welche die vorhandenen Reste zulassen.

Versucht man eine Verteilung auf die Geschosse, so sind zunächst dem unteren mit Gewißheit
die Stücke zuzuweisen, welche Einarbeitungen für Röhren haben: Nr. I und 7, vielleicht 2. Ferner
standen im Untergeschoß alle Sitzfiguren, zu denen I und 2 ja zählen; denn in der Höhe würden sie
zu klein gewirkt haben. Ausgenommen werden darf die besonders große Sitzfigur, zu der das Fragment
Nr. 19 gehörte.

Ferner finden wir unter den Figuren Anzeichen einer Einteilung nach Paaren: Zwei Frauen mit
tiefer Gürtung (Nr. 4 und 8), zwei von sehr ähnlicher Bewegung und Gewandung, Nr. 6 (Artemis) und
Nr. 5 (Athena?), zwei ruhig stehende nackte Männer. Es wäre möglich, daß diese Paare sich auf beiden
Flügeln des Baues entsprachen, während die größeren Mitteltabernakel besonders hervortretende Stand-
bilder einnahmen.

Für das untere Geschoß hat man ein solches in Nr--18, das als Poseidon sehr passend diese Stelle
des Nymphäums einnahm. Den folgenden Tabernakeln möchte man dann, um mit weiblichen und
männlichen Typen zu wechseln, die sitzende Nymphe Nr. _l und eine anzunehmende zweite weibliche
Sitzfigur zuweisen, die vielleicht zu Quadern verarbeitet sein mag, wie man es mit Nr. 19 versucht und
mit dem unteren Teile von Nr. 18 wahrscheinlich ausgeführt hat. Es leuchtet ein, daß solche kompakten
Blöcke am ehesten zur Bearbeitung einluden. Zwei männliche Sitzfiguren (der Silen Nr. 2 und eine nicht
mehr nachweisbare) füllten dann die äußersten Tabernakel dieser Reihe. In den Nischen rechts und
links des Wassergottes mögen Nr. 3 und 7 gestanden haben: die Vertreterin des Meeres und seiner
Arbeit im kurzen Gewand mit dem Ruder und die der Quellen und Flüsse mit dem strömenden
Gefäß. Die beiden folgenden Nischen könnten dann Nr. 4 und 8 eingenommen haben in ihrer gleichen
Tracht. Sicher deuten können wir sie nicht; vielleicht trugen sie Füllhörner und wiesen auf Reichtum
und Segen, wie ähnliche Figuren in römischer Zeit ja beliebt waren. Nicht in Betracht kommen hier
die Artemis Nr. 6 und ihr Gegenstück Nr. 5, weil diese Statue bei ihrer starken Bewegung keinen
Wasserausfluß maskieren konnten.

Die Reste zweier nackter Männer Nr. 14, 15 stechen eigentümlich gegen die übrigen Gruppen ab
und laden nur zu einer Deutung ein: sie seien Porträts heroisierter Personen gewesen. Porträtstatuen
gab es am Brunnen, wie wir aus den Inschriften wissen, und sie mußten natürlich möglichst vorn stehen,
damit man ihre Züge erkennen und die Dedikation lesen konnte.

Für das Mittelgeschoß würde man in der Mitte vielleicht einen thronenden Zeus (Fragment 19 ?)
vermuten können, ihm zur Seite in den zwei Nischen rechts wäre Hera zu ergänzen und Athena (Nr. 5)
 
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