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Die Illustrirte Welt.

seines Interesses für italienische Malerei, sein Naturell hinzog.
Schriften über Perspective öffneten ihm den Sinn für
Architektur, und eine Abhandlung über Malerei von
Richardson begeisterte ihn für Raphael. Erst im 18. Jahre
schickten ihn die Eltern nach London zu einem Portrait-
maler Namens Hudson, der ihm jedoch nur die Technik der
Kunst lehren konnte. Er kehrte 1743 wieder in die Pro-
vinz zurück, wo er sich mit Portraitmalen seine» Unter-
halt erwarb. Ein zweiter Aufenthalt in London befreite
ihn von der Manier Hudsons. 1749 nahm ihn Admiral
Keppel nach Lissabon, Gibraltar, Algier und Minorka mit,
und nachdem er sich wegen Schiffbruchs hatte drei Mo-
nate auf dieser Insel anfhalten müssen, gelang es ihm
endlich, auch Rom zu sehen, wo er sich hauptsächlich von
Michel Angelos Werken angezogen fand, den er in seinem
„Gespräch über Malerei" in den Himmel erhob. Der
Schüler Hudsons war ein bürgerlicher Maler: es fehlte
ihm die Phantasie, die den düstern Träumer der sirtinischen
Kapelle auszeichnet. Er verdankte deßhalb auch weit mehr
den Werken Leonardos, Fra Bartolomeos, Tizians und De-
lasguez'. Später besuchte er Bologna, Genua, Parma und
Florenz, und kehrte nach dreijährigem Aufenthalte in Italien
nach England zurück. Sein nach italienischen Mustern ge-
bildeter Styl erregte nun noch größer» Widerspruch , als
früher seine Hudsonmanier die Kenner kalt gelassen.
Zwei Portraits — das des Herzogs von Devonshire und
des Admirals Keppel — wandten ihm die allgemeine
Aufmerksamkeit zu. Man drängte sich um ihn und er
richtete sich prachtvoll ein. Seine Portraits zeichneten
sich durch treffende Ähnlichkeit, glühendes Colorit und
Mannigfaltigkeit malerischer Stellungen aus. Sein
Ruhm stieg mit jedem Tage — und 1769 wurde er zum
Direktor der Kunstacademie in London ernannt. Zwanzig
Jahre später erblindete er und starb 1792 zu Leicesterfields.
Er hinterließ ein Vermögen von 100,000 Pfd. Sterling
und seine Bilder stehen noch heute in ungeheurem Preise.
Eines seiner hübschesten Genrebilder theilen wir oben mit:
den Schüler. Seine literarischen Arbeiten sind gesammelt
London 1797 in drei Quartbänden erschienen.

Pie Schelde.
Ein Flußbild von M. Lchmann.
I.
Wenn von den wichtigsten Küstenflüssen der Erde
die Rede ist, so darf die Schelde gewiß nicht verges-
sen werden. Sie hat die nämliche Bedeutung wie die
Themse bei London, die Tiber bei Rom, der
Skamander bei Troja oder der Jordan bei Jeru-
salem. Es kommt bei einem Flusse nicht auf seine Größe
und Stärke an; seine Wichtigkeit ist nicht durch die Länge
seines Laufes bestimmt. Wenn es hierauf ankäme, so
dürste der Schelde kaum gedacht werden. Das
Gebiet, welches die Schelde durchströmt, ist höchstens
so groß, als eine deutsche Provinz am Rheine.
Wie die Schelde im Vergleiche mit dem deutschen Rheine
gar zwergartig sich ausnimmt, eben so klein erscheint auch
das Stromgebiet der Schelde im Verhältntß zu der be-
trächtlichen Ländermasse, die der Rhein von seinem Ur-
sprünge auf dem Sanct Gotthard an bis zu seiner
Mündung in die Nordsee in langen Krümmungen durch-
strömt. Und doch ist die Schelde einer der wichtigsten
Müsse des europäischen Continents und wetteifert mit der

Donau, der Elbe, dem Rheine und andern großen
Strömen unseres vielgestaltigen Erdthetls.
Wem aber verdankt die Schelde ihre Berühmtheit?
Warum zählt man sie zu den wichtigsten Flüssen der Erde?
Vor Allem ist hier der großen Fruchtbarkeit des Lan-
des zu gedenken, das die Schelde bewässert. Betrachten
wir die benachbarte Maas, die sich der deutschen Grenze
entlang hinauf bis zum Rhein zieht! Sie kommt aus
Frankreich, wo sie das malerische Gebirgsland der Ar-
dennen in den mannigfaltigsten und schönsten Krüm-
mungen bewässert und der Landschaft allüberall Leben und
Reiz verleiht; viele Zweigflüsse senden der Maas ihre
zischenden und sprudelnden Wasser zu, so daß sie zu einem
beträchtlichen Strome anwächst, der seine fluchenden Wel-
len in gemessenem Laufe dem Meere zuführt: allein ist die
Maas deßhalb wichtiger als die Schelde? Der Lauf der
Schelde ist einförmig und matt; fast von ihrem Ursprünge
an bewegt sie sich durch eine Ebene oder durch ein un-
scheinbares , reizloses Hügelland; man kann behaupten,
daß mehr als die Hälfte des Ländergebietes, das sie durch-
fließt, angeschwemmtes Land ist — ein Punkt, der wohl
zu beachten ist. .— Die Schelde durchschneidet fast
durchweg das fruchtbarste und ergiebigste Marsch-
land. Der fruchtbare Boden des Scheldegebietes lockte
deßhalb schon früh ein thätiges, arbeitsliebendes Volk
herbei: die energische, muthige und tharkräftige Nation
der Vlamänder, die sich durch regen Gewerbsfleiß und
als tüchtige Ackerbauer auszeichnen, während der minder
begabte Volksstamm der Wallonen sich in das Gebiet
der Maas theilte. Die Vlamänder haben das Schelde-
gebiet zu einem der gewerbreichsten Landstriche der Erde
gemacht; das Volk der Wallonen blieb hinter ihnen zu-
rück. Es darf uns also gar nicht auffallen, daß alle wichtig-
sten Städte des belgischen Königreiches im Scheldegcbiet
liegen — es ist dies eine Naturnothwendigkeit.
Wo die Bodencultur voranschreitet und die Cultur der Ge-
werbe und die Hebung der Industrie mit ihr Hand in Hand
gehen, da muß sich die Landschaft mit reichen Städten und
unternehmenden Einwohnern bedecken. In dem Gebiete der
Schelde liegen Löwen, Mecheln, Brüssel, Gent,
Antwerpen, Mons, Kortryk, — die benach-
barten französischen Städte Chambray, Arras,
Douay, Lille und Valenciennes nicht zu erwähnen.
Indem sich die Landschaft mit gewerbtreibenden Einwohnern
anfüllte und allerorts Handel und Industrie sich entwickel-
ten, mußte auch consequentermaßen jeder kleine Zweig des
Scheldegebietes wichtig werden. Und so kommt es denn,
daß die Fluthen, welche in diesem kleinen Länderraum cir-
kuliren, zu Entfaltung des mannigfaltigsten Lebens beitra-
gen. Sie dienen der Reinlichkeit in vielen hunderttausend Fa-
milien; Tausende erquicken sich und stillen ihren Durst
mit den kühlen Wassern, welche die Schelde den Städten
zuführt; zahlreiche Canäle verbinden die einzelnen Städte
im weitverzweigten handelspolitischen Interesse; die blü-
hendsten Fluren ziehen sich an den Ufern hin — voll rei-
chen Segens und voll der köstlichsten Ertragsfähigkeit; an den
Ufern erheben sich Fabriken, Werkstätten und Manufakturen.
Von höchster Bedeutung ist indessen das Scheldegebiet
in der Nähe der Strommündung. Bekanntermaßen er-
weitert sich das Flußbeet der Schelde mehr und mehr, st
näher man der Küste znkommt. Schon bei der gewerb-
samen reichen Stadt Antwerpen erlangt die Schelde
eine so beträchtliche Tiefe und Breite, wie sie in der Regel
nur den größten Flüssen des Continents eigen ist — ein
 
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