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290 Die Illustri rte Welt.

„Warte," versetzte daS junge Mädchen, den Arm auf
den Besenstiel stützend nnd sich an der Stirne reibend . . .
„Es ist die kleine Marguerite?"
„Die ist ja mit dem Müller verlobt."
„Dann ist's Catharine."
„Nein, die ist ihm zu eitel."
„Dann — Claire Barrois."
„Pfui!" sagte Jsabeau, „glaubst du, unser Herr
werde in eine verrufene Familie hinein heirathen?"
„Warte! jetzt hab' ich's," unterbrach Franzel sich, in
die Hände schlagend; „Ursula ist's, die Tochter des Glöck-
ners von Luvigny."
Jsabeau antwortete nicht.
„Ist es wahr?" fragte Lotte, deren Augen glühten,
während ihre Lippen zitterten.
„Warum nicht?" sagte Jsabeau, die Augen auf die
Schwester Huberts geheftet; „ist Ursula nicht ein ehrbares
Mädchen?"
„Gott bewahre... daß ich das Gegentheil sagen
möchte," stotterte Lotte.
„Ist sie nicht hübsch und angenehm?"
„Gewiß."
„Ungezählt, daß ihr der Vater ein hübsches Heiraths-
gut mitgibt."
„So habe ich also Recht," fuhr Franzel fort, „es ist
Ursula . . ."
„Mir scheint, Lotte könnte dir sagen, was richtig ist,"
antwortete Jsabeau boshaft.
„Ich!" rief das junge Mädchen, die ihrer Verlegen-
heit nicht Herr war . . . „ich weiß nicht, was ihr sagen
wollt."
„Unser Herr spricht ja so gerne mit euch," versetzte
die Schwester Wilhelms; „gesteht, daß er euch etwas an-
venraut hat."
„Nichts! ich schwöre es cucb . . . unser..." stotterte
Lotte, dem Weinen nahe.
„Nein, ihr dürft euch darüber nicht grämen," warf
die große Jsabeau ein; „man könnte sonst meinen, ihr
strebtet so hoch hinaus ..."
„Ihr seid toll.... Jsabeau . . . ." murmelte die
Schwester Huberts. „Und ich . . ich . . verliere meine
Zeit . . . indem ich euch zuhöre."
lind ohne sich weiter um sie zu kümmern, verließ sie sie
und trat in den Stall.
Franzel sah ihr erstaunt nach.
„Nun, nun! was hat sie denn beleidigt?"
Jsabeau lachte.
„Du hast nichts gemerkt, große Unschuld?" rief sie;
„meiue Heirathsgeschichte hat sie geärgert."
„Ah! bah!" erwtederte Franzel.
„Ich wollte sie nur dazu bringen, ihre Neigung zu
unserem Herrn zu zeigen," versetzte Jsabeau; „aber nach
ihrem Kummer scheint die Sache nicht so ausgemacht zu
sein. Ich muß die Sache gleich mal Wilhelm erzählen."
Die jungen Mädchen trennten sich. Die Klänge der
Violine und der Klarinette forderten zum Tanze auf; Beide
eilten, sich noch etwas herauszuputzen und dann mit den
Uebrigen in der Scheuer sich einzufinden. (Schluß folgt.)
Wer .junge Jude von Tunis.
Erzählung.
Die meisten Menschen hören es gerne, wenn man sie
versichern kann, daß eine interessante Erzählung wahr ist.

! Nachstehende Geschichte wurde dem Verfasser von einem
Freunde erzählt, der sich im Oriente aufhält und welcher
sie vom französischen Consul selbst hat. Sie erinnert an
Tausend und Eine Nacht.
Im Jahre 1836 wurde eine jüdische Familie, welche
in Algier wohnte, durch des Vaters Tod in das tiefste
Elend gestürzt. Ein Sohn, drei Töchter und die Mutter
waren durch dieses Unglück beinahe von Allem entblößt.
Nach dem Begräbniß verkaufte der Sohn, welcher Ibrahim
hieß, das kleine Besttzthum, das zu Geld gemacht werden
konnte, und gab es seiner Mutter und seinen Schwestern,
worauf er, nachdem er sic noch der Barmherzigkeit eines
entfernten Verwandten anempfohlen, Algier verließ und
sich in der Hoffnung nach Tunis begab, daß, wenn er auch
nicht gerade sein Glück dort machen, er doch wenigstens
seinen Lebensunterhalt zu gewinnen im Stande sein würde.
Er stellte sich dem französischen Consul mit seinen
Papieren vor und bat um die Erlaubniß, Mauleseltreiber
zu werden. Dies wurde ihm gestattet, und Ibrahim trat
in die Dienste eines Mannes, der Maulesel zum Wasser-
tragen nnd zu anderm Gebrauche verlieh.
Ibrahim war außerordentlich hübsch und hatte ein
sehr angenehmes Wesen; aber er war so arm, seine Kleider
waren so dürftig, daß er nur zu den geringsten Arbeiten
in abgelegenen Straßen verwendet wurde. Er pflegte mit
Wasser an die geringsten Plätze der Stadt geschickt zu
werden.
Eines Tages, als er seinen Esel, der mit Wasser be-
laden war, in einer engen Straße vor sich hertrieb, begeg-
nete er einer Cavalcade von Damen, welche auf Mauleseln
ritten, die mit prachtvollen Schabracken bedeckt waren.
Er trieb sein Thier nach der andern Seite hin, damit sie
vorüber kommen könnten: da jedoch ein Haufen Kameele
im selben Augenblick dazu kam, entstand einige Verwir-
rung. Der Schleier einer von den Damen kam etwas
in Unordnung und Ibrahim blickte in ein reizendes Gesicht.
Es gelang ihm, zu erfahren, wer die Dame war und
wo sie wohnte. Es war Rebecca, die einzige Tochter eines
reichen Inden.
Von diesem Augenblick hatte Ibrahim nur einen Ge-
danken : reich genug zu werden, um Rebecca zur Gattin
begehren zu können. — Er hatte bereits ein paar Piaster
zusammengespart; für diese kaufte er sich bessere Kleider,
und er ward nnn bisweilen dazu verwandt, Esel zu führen,
welche zum Reiten ausgeliehen wurden.
Es geschah auf diese Weise, daß eine seiner ersten
Touren die war, Rebecca und ihre Begleitung zum Gewölbe
eines Seidenhändlers zu führe»; mochte es nun Zufall oder
Absicht sein, Rebecca's Schleier kam wieder in Unordnung
und Ibrahim sah das himmlische Antlitz unter dem-
selben. Ibrahims Aeußeres und sein leidenschaftlicher
Blick mißfielen der jungen Jüdin nicht. Er begleitete sie
gewöhnlich auf ihren Ausflügen und es ward ihm oft ge-
stattet, unter den Schleier zu sehen.
Ibrahim versagte sich beinahe alle Lebensbedürfnisse
und sparte das Geld zusammen, um sich einen Esel zu
kaufen. Nach und nach kam er in den Stand, sich deren mehre
l zu kaufen. Endlich wurde er selbst Herr nud beschäftigte
Knechte, die unter ihm standen.
Als er gnt genug zu stehen glaubte, warb er um
Rebecca's Hand: aber die Verwandten schlugen sei» An-
suchen mit Verachtung aus. Rebecca sandte indeß ihre
Amme zu ihm, um ihn wissen zu lassen, daß sie die Ver-
achtung ihrer Verwandten nicht theile.
 
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