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Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 24.1876

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Heft 8
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«nü Dkdü. ^84^

Der Scaraöäus.
Novelle
voll
Emile Marrs Vacans.
(Fortsetzung.)
Fünftes Kapitel.
Am andern Tage war wieder
regnerisches Herbstwetter. Es regnete
wohl nicht, aber ein feuchter Wind
fuhr durch die Blätter, daß sie an-
einander rasselten wie durcheinander
geworfene Eisenstücke. Im Schlosse
stand man daher so spät als mög-
lich auf und machte so lange als
möglich Toilette.
Graf Emili war übernächtig und
verdrießlich. Der Rum am vorigen
Abende mußte schlecht gewesen sein,
denn er hatte die ganze Nacht hin-
durch geträumt, Jadwiga Sarpies-
zanka saß auf dem Kaminmantel vor-
dem trüben, bläulich angelaufenen
Spiegel und hatte einen Kopf wie
eine Katze. Den wendete sie stets
hin und her, so süß, wie sie es mit
dem eigenen zu thuu pflegte, und
dabei streichle sie mit ihren Händen,
welche Sammetpfötchen machten, ihr
eigenes goldblondes Haar, schnurrte
mit süßlicher Stimme allerlei süßliche
Phrasen. Und wie er erwachte, da
sah er wohl, daß sich auf dem Ka-
minmantel bloß eine alte chinesische
Pagode befinde, aber es stand den-
noch in seinem Herzen fest, daß er
seine schöne Cousine nicht lieben wolle.
Jedermann frühstückte auf seinem
Zimmer.
Am Morgen, der sich schon start
gegen Mittag neigte, ging Graf
Emili aus, um sich ein wenig auf
seinem Gute umzusehen. Er nahm
die Flinte, wenn sich etwa ein
Wasserhuhn, ein wilder Fasan öder-
em Häslein zeigen sollte. Die zwei
Strelitzenoffiziere gingen mit ihm.
Camillo, damit er durch die Be-
wegung seinen Magen einrichte, und
Mazuranitsch, um nähere Bekannt-
schaft mit der Riske aus der Pro-
pination zu machen. Der junge
Fürst mit dem offenen Munde und
dem Nasaltone zottelte ebenfalls mit,
indem er auf dem ganzen Wege
von dem Vorderhufe eines seiner
Huzulen erzählte. Roza Kolchowska
stand an so trüben Tagen erst gegen
Abend auf; eine Eigenheit, welche
Jllustr. Wclt. XXIV. 8.


Das Erkennen. Gedicht von Jöh. Nep. Vogl; illustrirt von Paul Thumann. (S. 190 u. 207.)
Ans dem „Album deutscher Kunst und Dichtung" von Fr. Bodenstedt. (Verlag von G. Grote in Berlin.)

ihrem als Bedienten verkleideten
Gläubiger große Freude machte, da
er wenigstens in diesen Stunden ein
wenig in der Gegend Luft schöpfen
konnte und sie nicht im Auge be-
halten brauchte. Jadwiga Sarpies-
zanka schäfterte und befahl und ord-
nete im ganzen Hause herum und
sah oft in die Küche, wo sie alle
Lieblingsspeisen ihres Vetters auf-
kochen ließ. Sie war heute heiterer,
zuversichtlicher als sonst und zankte
fast gar nicht.
Nachmittags erst kamen die Jä-
ger nach Hause mit spärlicher Beute
und verdorbenem Appetit, denn sie
hatten in einem Zufälligen Juden-
wirthshause ihr Mittagsmahl ein-
genommen.
Während alle Anderen sich in
ihre Zimmer verfügten, um ihre
Toilette zu wechseln, ging Graf
Emili in den großen Waffensaal,
um dort Nachsuche zu halten, ob er
nicht eine bessere Flinte für morgen
finde; er war ein passionirter Jäger.
Es war eine trübe Herbstabendstunde,
wo der Wind stark an den Fenstern
rüttelt, als ob er jede einzelne Scheibe
aus ihren Fugen heben wolle. Der
Waffensaal war in einem mäßigen
Halbdunkel.
„Ah, Du bist da, Emili?" sagte
plötzlich eine wohlklingende, sanfte
Stimme hinter ihm.
Er wandte sich um. „Grüß' Dich
Gott, Jadwiga!" sagte er.
Jadwiga hatte ihren Schlüssel-
bund am Gürtel hängen und ging
an ihm vorüber. „Ich bin nur im
Durchgehen," sagte sie lächelnd. „Der
Weg in die Wäschekammer ist vom
Korridor aus viel näher durch diesen
Waffensaal. Ich erschrak fast, wie
ich einen Mann da erblickte. War
die Jagd gut, Emili?"
Dabei blieb sie stehen und- bog
ihre elfenhafte Taille zurück und
schaute ihn mit ihren Hellen Augen
wieder so schmeichelnd an. Sie wußte
ja nicht, mit was für einem Herzens-
entschlüsse er erwacht war aus seinem
heutigen Traume.
„Ja," sagte er trocken. „Drei
Hasen und ein paar Vögel findest
Du in der Küche. Weißt Du, daß
die Waffen da alle schrecklich rostig
sind?"
„Sie sollen morgen blank geputzt
sein," sagte sie sanft und trat nahe
zu ihnr. „Du bist also ein großer
Jäger geworden, Emili?"
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